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BERICHT/173: UN-Strategie gegen den Hunger unzureichend (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

UN-Strategie gegen den Hunger unzureichend
FIAN legt kritisches Positionspapier vor

Von Armin Paasch


Eine von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon initiierte Hochrangige Arbeitsgruppe hat im August ihre Strategie zur Überwindung der Hungerkrise vorgelegt. FIAN sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf.


Längst hatte die Finanzkrise die Hungerkrise aus den Schlagzeilen und Köpfen verdrängt, da flackerte im September eine neue Schreckensmeldung über die Ticker der Nachrichtenagenturen: Galten bislang etwa 856 Millionen Menschen weltweit als chronisch unterernährt, so korrigierte die FAO diese Zahl um 75 Millionen nach oben - die Konsequenzen der Preissteigerungen von 2008 noch nicht eingerechnet. Soll das international vereinbarte Ziel, die Anzahl oder zumindest den Anteil der Hungernden bis 2015 zu halbieren, noch erreicht werden, ist ein radikales Umsteuern in der Landwirtschafts-, Handels- und Entwicklungspolitik überfällig. Dieser Paradigmenwechsel ist jedoch bislang kaum in Sicht.


Hoffnungszeichen und Widersprüche

Im August schon hafte eine gemeinsame Arbeitsgruppe aller mit Hunger und Landwirtschaft befasster UN-Organisationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) eine neue Hungerstrategie vorgelegt. Die Stoßrichtung ist durchaus zu begrüßen: Entwicklungsländer sollen ihre Ausgaben für die Landwirtschaft auf mindestens zehn Prozent ihrer Staatshaushalte steigern. Ebenso soll der Anteil der Entwicklungshilfegelder, die in die Landwirtschaft fließen, innerhalb der nächsten fünf Jahre von drei auf mindestens zehn Prozent angehoben werden. Nutznießer sollen vor allem Kleinbauern sein, denen bei der Überwindung der Hungerkrise eine Schlüsselrolle zugedacht wird. Auch für Nahrungsmittelhilfe und zur Stärkung von Sozialsystemen sollen nach dem Willen der Arbeitsgruppe zusätzliche Mittel mobilisiert werden.

Soweit so gut. Doch worden die in der UN-Strategie empfohlenen Maßnahmen dem eigenen Anspruch und den Erforderungen des Menschenrechts auf Nahrung gerecht? In einem ausführlichen Positionspapier vom September äußert FIAN erhebliche Zweifel. Beispiel Sozialpolitik: Um die Kosten für die öffentlichen Kassen zu begrenzen, schlägt die Arbeitsgruppe vor, Sozialgeldtransfers an eine enge und regelmäßige Bedürftigkeitsprüfung zu knüpfen. Der Haken daran: Genau solche hohen administrativen Hürden haben in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass die Ärmsten aus den Sozialprogrammen ausgegrenzt wurden.

Unklar bleibt auch, wie die Hochrangige Arbeitsgruppe sicherstellen will, dass besonders die Kleinbauern in den Genuss der Unterstützung kommen. Stattdessen rechnet sie offenbar damit, dass eine generelle Förderung der Landwirtschaft fast automatisch auch Kleinbauern zugute kommt. Interessenskonflikte und ungleiche Machtverhältnisse auf dem Land werden ausgeblendet. Unerwähnt bleibt etwa die massive Verdrängung von Kleinbauern durch große Bergbau-, Industrie- und Tourismusprojekte oder durch Großplantagen von Soja, Palmöl und Zucker zum Zwecke der Agrartreibstoffproduktion. Die Notwendigkeit umverteilender Landreformen und der Sicherung von Landrechten für traditionelle ländliche Gemeinschaften werden völlig ignoriert.


Freihandel statt Fairer Handel

Besonderen Anlass zur Sorge gibt die explizite Gleichstellung von Freihandel und fairem Handel. Zwar fordert die Hungerstrategie eine Überprüfung der Zoll- und Steuerpolitik in ihrer Wirkung auf Bauern, Konsumenten und Staatseinnahmen, nimmt jedoch die Schlussfolgerung bereits vorweg: Insbesondere für die Reduzierung von Importzöllen, Subventionen und Exportsteuern will sich die Hochrangige Arbeitsgruppe stark machen. Eine länder- und situationsspezifische Abwägung von Vor- und Nachteilen bestimmter handelspolitischer Instrumente sucht man vergebens.

Dass die Forderungen von sozialen Bewegungen und vieler NRO in der Strategie zu kurz kommen, ist kein Zufall. Denn sie wurden in die Konsultationen der "Hochrangigen Arbeitsgruppe" kaum einbezogen, und selbst die gewählten Regierungen blieben größtenteils außen vor. Kein Wunder also, dass die Strategie sowohl in der Zivilgesellschaft als auch bei Regierungen auf Widerspruch stößt und zum Papiertiger zu verkommen droht. Einen wirklichen Beitrag zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung kann die UND nur dann leisten, wenn sie Partizipation nicht nur predigt, sondern sie auch selber ernsthaft praktiziert.

Der Autor ist Handelsreferent von FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2008, S. 11
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2009