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BERICHT/188: Für eine Welt ohne Hunger - Aufruf zur Bundestagswahl (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Für eine Welt ohne Hunger
Aufruf zur Bundestagswahl

Von Armin Paasch


Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen haben die Bundestagsparteien aufgerufen, sich nach der Wahl verstärkt für die Bekämpfung des Hungers einzusetzen. "Ein 'Weiter so' wie bisher ist keine Option", heißt es in dem Aufruf "Für eine Welt ohne Hunger", der bislang von 16 Organisationen getragen wird.


Die Bundesregierung betont gerne, dass Deutschland bei der Förderung des Menschenrechts auf Nahrung eine Vorreiterrolle spielt. Teilweise zu Recht. Ohne den Einsatz der (damals rot-grünen) Bundesregierung wäre es 2004 vermutlich nicht zur Verabschiedung der Leitlinien zum Recht auf Nahrung durch die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) gekommen. Über einen bilateralen Fonds hat die Bundesregierung auch die Abteilung bei der FAO finanziell unterstützt, welche die Umsetzung dieser Leitlinien fördern sollte. Und immer noch tritt die Bundesregierung in internationalen Verhandlungen bei der FAO und bei den G8 dafür ein, dass das Recht auf Nahrung berücksichtigt wird.


Gravierende Widersprüche

Das Problem ist die begrenzte Interpretation des Rechts auf Nahrung, die sich bei VertreterInnen der Bundesregierung bisweilen offenbart. Das Recht auf Nahrung sei eine "Selbstverpflichtung: Die Staaten selbst müssten durch stabile politische Verhältnisse dafür sorgen, dass die eigene Bevölkerung ausreichend ernährt werde", erklärte etwa Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner vor dem Agrarministertreffen der G8 im April. Was sie ausblendet, ist die eigene Verantwortung und sogar Verpflichtung der Bundesregierung, das Recht auf Nahrung in anderen Ländern zu respektieren, zu schützen und dessen Gewährleistung zu unterstützen.

In der Tat zeigt die deutsche Politik in dieser Hinsicht einen gravierenden Mangel an Kohärenz. Während sich Aigner auf der Grünen Woche im Januar in Berlin für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung aussprach, rechtfertigte sie zugleich die Wiedereinführung von Exportsubventionen für Milchprodukte bei der Europäischen Union (EU). Entgegen dem ursprünglichen Versprechen der Ministerin landen die meisten dieser subventioniertes Exporte in Entwicklungsländern, teilweise auch in den ärmsten unter ihnen. Kürzlich hat die Ministerin sogar eine Ausweitung der Exportsubventionen ins Gespräch gebracht.

Auch die deutsche Entwicklungspolitik ist nicht frei von Widersprüchen. Zwar hat das Entwicklungsministerium im vergangenen Jahr eine Aufstockung der Mittel für die ländliche Entwicklung beschlossen. Doch eine konsequente Ausrichtung an den Leitlinien zum Recht auf Nahrung oder auch nur eine transparente Verwendung der Mittel sind nicht zu erkennen. Vor strukturellen Herausforderungen wie Landreformen oder dem Schutz vor Landnahmen schreckt die Bundesregierung bislang zurück. Hochproblematisch sind auch die so genannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik, bei denen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul seitens der Bundesregierung die Federführung hat.


Recht auf Nahrung ab Leitplanke

Der gemeinsame Aufruf der Nichtregierungsorganisationen, darunter auch FIAN, fordert deshalb die Bundestagsparteien auf, dem Recht auf Nahrung in der nächsten Legislaturperiode eine deutliche höhere Priorität einzuräumen. Zu den insgesamt 15 Forderungen zählen das sofortige Ende von Dumping und Marktöffnungsdruck, die Förderung von Landreformen und KleinbäuerInnen, die Stärkung der Rechte von LandarbeiterInnen in der Lieferkette von Supermärkten und mehr finanzielle Unterstützung armer Länder für die Anpassung an den Klimawandel. Im Vorfeld der Bundestagswahl sollen die Parteien zu diesen Forderungen Stellung beziehen. FIAN und andere Unterzeichner werden rechtzeitig eine Auswertung der Antworten der Parteien vorlegen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, das Engagement der Parteien gegen den Hunger bei ihrer Wahlentscheidung zu berücksichtigen.


Der Aufruf ist abrufbar unter:
www.fian.de. → Themen/Kampagnen → Deutschlands → Verantwortung → Aufruf zur Bundestagswahl 2009.

Armin Paasch ist Handelsreferent bei FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 3
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2009