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BERICHT/242: Neues aus der Blumenkampagne - das Flower Label Program in Ecuador (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Neues aus der Blumenkampagne
Erfolge für die Rechte von BlumenarbeiterInnen
Evaluierung des Flower Label Program in Ecuador

von Gertrud Falk


2010 untersuchte das ecuadorianische Institut SIPAE inwieweit das Flower Label Program (FLP) seine Ziele durch die Zertifizierung von Blumenbetrieben erreicht. Die Inspektionsberichte eines Drittels der Betriebe wurden ausgewertet und die so gewonnenen Informationen in Betriebsbesuchen und Workshops mit ArbeiterInnen überprüft. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn gleichzeitig Schwachstellen der Zertifizierung deutlich wurden.


Aufstrebender Sektor

Ecuadors Blumensektor boomt, seitdem das kleine Land in den Anden in den 1980er Jahren mit der Produktion von Schnittblumen für Industrieländer begann. 2009 produzierten 739 Betriebe auf 3.821 Hektar mit knapp 40.000 ArbeiterInnen knapp 400.000 Tonnen Schnittblumen im Wert von 527 Millionen Dollar (zurzeit rund 37 Millionen Euro). Damit trägt der Sektor 1,45 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt und 24,1 Prozent zur landwirtschaftlichen Produktion bei. Angebaut werden zu 68 Prozent Rosen, zu 25 Prozent Sommerblumen und Grünpflanzen, zu fünf Prozent tropische Blumen und zwei Prozent des Sektors sind in der Blumenzucht und -vermehrung tätig. 2009 wurden 52 Prozent der Produktion nach Europa und Russland exportiert, 42 Prozent in die USA und sechs Prozent nach Asien und andere lateinamerikanische Länder. In Deutschland landeten 2,1 Prozent der Ware. Russland und die ehemaligen GUS-Staaten bieten den ecuadorianischen Rosenbetrieben vielversprechende Märkte, auf denen sie für Rosen deutlich höhere Preise erzielen können als in Westeuropa.

In der ecuadorianischen Blumenproduktion werden zehnmal mehr ArbeiterInnen beschäftigt als beispielsweise im Kakao- oder Bananensektor, die, gemessen am Umsatz, die wichtigsten Sektoren der exportorientierten Landwirtschaft des Landes darstellen. Diese hohe Beschäftigungsquote war und ist der wichtigste Grund dafür, dass FIAN sich für die Rechte der BlumenarbeiterInnen einsetzt, obwohl mit der Blumenproduktion in Entwicklungsländern teilweise auch Flächen, die vorher für die Nahrungsmittelproduktion des jeweiligen Landes zur Verfügung gestanden hatten, abgezweigt wurden. Denn wenn eine Industrie den Menschen zu einem Existenz sichernden Einkommen verhilft, internationale Arbeitsstandards ein hält und den Lebensraum der Bevölkerung nicht zerstört, kann sie zur Durchsetzung des Rechts auf Nahrung für alle Menschen beitragen.

Seit 2007, seitdem die Regierung unter Präsident Correa an der Macht ist, werden Unternehmen strenger kontrolliert. Arbeitsgesetze zugunsten von ArbeiterInnen wurden erlassen. Für die BlumenarbeiterInnen sind die wichtigsten gesetzlichen Änderungen das Verbot von Leiharbeit sowie die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 180 US-Dollar auf inzwischen 264 US-Dollar (180 Euro). Damit wurden ohne unmittelbare Einflussnahme des FLP seine freiwilligen Richtlinien zu Arbeitsplatzsicherheit und Existenz sichernden Löhnen in Ecuador verbindlich für alle Betriebe.


Das Flower Label Program in Ecuador

Seitdem sich seit 2005 fast alle afrikanischen FLP-Betriebe dem fairen Handel zuwandten, liegen 80 Prozent der von FLP zertifizierten Betriebe in Ecuador. Das FLP-Büro in Quito führt neben der Organisation der Betriebsinspektionen regelmäßig Fortbildungen für die ArbeiterInnen zu Arbeitsrechten und den FLP-Richtlinien durch. Unterstützt wird es dabei vom ecuadorianischen Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

In 2010 evaluierte das ecuadorianische Agrarforschungsinstitut SIPAE (Sistema de la Investigación de la Problemática Agraria del Ecuador) die Zertifizierung des FLP. Die Inspektionsberichte von einem Drittel der zertifizierten Betriebe wurden mit Blick auf die Einhaltung der FLP-Richtlinien und schrittweise Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes ausgewertet. Die so gewonnenen Informationen wurden in Gesprächen mit den Geschäftsführungen und den ArbeiterInnen überprüft. Weiterhin wurden sie mit den Arbeitsbedingungen in Blumenbetrieben verglichen, die nicht von FLP zertifiziert sind (aber durchaus andere Zertifizierungen haben können). Dieser Vergleich konnte jedoch nur eingeschränkt erfolgen, da diese Betriebe dem Untersuchungsteam keinen Zutritt gewährten. Das Team befragte deren ArbeiterInnen daraufhin außerhalb der Betriebsgelände.


Ergebnisse der Evaluierung

Die stärksten Erfolge hat FLP im Gesundheitsschutz erzielt. Während nur die Hälfte der anderen Betriebe ein Komitee für Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz haben, verfügen 90 Prozent der FLP-Betriebe über ein solches. Eine Unternehmenspolitik dazu haben nur 43 der nicht von FLP zertifizierten Betriebe während 92 Prozent der FLP-Betriebe entsprechende interne Richtlinien aufgestellt haben. Nur 55 Prozent der anderen Betriebe beschäftigen qualifiziertes medizinisches Personal während alle FLP-Betriebe dies tun. Während es in FLP-Betrieben keine Kinderarbeit gibt, kommt dies bei sechs Prozent der anderen Betriebe vor.

Auch wenn die Formalisierung von Arbeitsverhältnissen in den ecuadorianischen Betrieben insgesamt vorangeschritten ist, ist sie in den FLP-Betrieben deutlicher ausgeprägt als in den nicht zertifizierten Farmen. Alle ArbeiterInnen von FLP-Betrieben sind sozialversichert, während dies bei sieben Prozent der anderen Betriebe nicht der Fall ist. Während alle FLP-Betriebe die gesetzlich vorgeschriebenen 13. und 14. Monatsgehälter zahlen, tun dies acht Prozent der anderen FLP-Betriebe nicht.

Während nur vier Prozent der FLP-Betriebe Überstunden nicht bezahlen, unterbleiben die Zahlungen in sieben Prozent der nicht-FLP-Betriebe. Eine Vertretung der ArbeiterInnen gibt es nur in elf Prozent der anderen Betriebe, während die befragten ArbeiterInnen der FLP-Betriebe nur in zwei Prozent der Fälle nicht wussten, ob sie ein ArbeiterInnenkomitee haben. Allerdings sind die ArbeiterInnenkomitees nur informelle Vertretungsorgane, die keine gesetzliche Grundlage haben.


Verbesserungen nötig

Die Ergebnisse der Evaluierung machen deutlich, dass die Zertifizierung durch FLP einen Unterschied macht, dass aber weitere Anstrengungen und gesetzliche Regelungen nötig sind, um das Recht auf ein Nahrung sicherndes Einkommen und anderen Menschen- und international, anerkannte Arbeitsrechte durchzusetzen. Insbesondere hinsichtlich der Gewerkschaftsfreiheit konnte FLP in Ecuador keine Fortschritte erzielen. Dies liegt zum einen an der Gesetzgebung in Ecuador, die keine Sektor-Gewerkschaften, sondern nur Betriebsgewerkschaften erlaubt, für deren Gründung mindestens 30 ArbeiterInnen eines Betriebs nötig sind. Dies kann von den Unternehmen in der Regel leicht unterbunden werden. In der Tat äußerten sich viele der befragten Geschäftsführungen gewerkschaftsfeindlich. Zum anderen haben die Unternehmen in den letzten 20 Jahren in Politik und Gesellschaft erfolgreich Stimmung gegen Gewerkschaften gemacht, so dass auch Nichtregierungsorganisationen einer Unterstützung gewerkschaftlicher Organisation skeptisch gegenüber stehen. Fachleute sehen wenig Chancen, dass Gewerkschaften in ecuadorianischen Blumenbetrieben in naher Zukunft eine bedeutende Rolle spielen könnten. Weiterhin kann FLP als freiwillige Zertifizierung offenbar nicht immer genug Druck auf die Betriebe ausüben, damit diese alle Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen umsetzen. Hier zeigen sich die Dilemmata, dass FLP
a) die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Betriebe völlig verliert und
b) sich selbst die finanzielle Basis entzieht, wenn es Betriebe zu häufig dezertifiziert.


Empfehlungen

SIPAE empfahl FLP im Wesentlichen fünf Verbesserungen:

1. Die FLP-Richtlinien sollten den Geschäftsführungen, technischen MitarbeiterInnen und ArbeiterInnen verständlicher mitgeteilt werden.

2. Die Sanktionen des FLP müssten eindeutiger und transparenter sein.

3. Die Umsetzung der Empfehlungen des FLP an die Betriebe solle systematischer überwacht werden.

4. Die ArbeiterInnen komitees sollten noch mehr zu Arbeitsrechten geschult werden, damit sie ihrer Aufgabe gewachsen sind.

5. Die Verbrauchswerte der Betriebe sollten systematischer erfasst werden.


Umsetzungen der Empfehlungen

FIAN hat mit Unterstützung der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt die Ergebnisse der Evaluierung in Workshops mit den Geschäftsführungen, den ArbeiterInnen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Ecuador diskutiert und zur Umsetzung der Empfehlungen beigetragen. So konnten auf Basis der Initiative FIANs die FLP-Richtlinien für die ArbeiterInnen in vereinfachter Form in einer so hohen Auflage gedruckt werden, dass alle ArbeiterInnen der FLP-Betriebe in Ecuador ein Exemplar erhalten können. Darüber hinaus wurden entsprechende Poster erstellt, die in allen FLP-Betrieben aufgehängt werden sollen. Mit dem Team der BetriebsinspektorInnen besprach FIAN die nötigen Verbesserungen im Zertifizierungsprozess, damit dessen hohe Qualität weiterhin gewährleistet bleibt. Die Diskussion um Gewerkschaftsfreiheit hat allerdings eine Reihe der ecuadorianischen Betriebe zum Austritt aus FLP veranlasst. FLP kann nun den oben dargestellten Dilemmata nicht mehr ausweichen.


Quellen: Expoflores 2010: Ecuador. 25 años de floricultura; Powerpoint Präsentation SIPAE 2010: Impactos de la certificación FLP (Flower Label Program) en el sector floricola ecuatoriano


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2011, August 2011, S. 18-19
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2011