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BERICHT/244: Schluss mit der Intransparenz beim Kohleimport aus Kolumbien! (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Schluss mit der Intransparenz beim Kohleimport aus Kolumbien!

FIAN startet Kampagne für mehr Transparenz und den Schutz der Menschenrechte

von Sebastian Rötters


Aktuell importiert Deutschland bereits über 70 Prozent seines Steinkohlebedarfs. Wenn die Subventionen 2018 enden, werden es 100 Prozent sein. Die zahlreichen Probleme, die der Kohlebergbau mit sich bringt, sind dann "erfolgreich" ausgelagert. Doch woher kommt die Kohle für die zahlreichen alten und neuen Kraftwerke und unter welchen Bedingungen wird sie abgebaut? Die Informationslage ist dürftig und weder die Bundesregierung noch die Energieversorger geben angemessen Auskunft darüber, wie sie ihre Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt wahrnehmen. FIAN startet im Januar 2012 die Kampagne "Licht an für die Menschenrechte", um auf die Menschenrechtsverletzungen in den kolumbianischen Kohleabbaugebieten aufmerksam zu machen.


Kolumbien ist seit Sommer 2011 Deutschlands wichtigster Steinkohlelieferant. Im Zeitraum von Juni bis einschließlich September 2011 kam fast jede dritte Tonne von dort. In den Abbaugebieten leiden schon heute tausende Menschen unter den zahlreichen Kohletagebauen, sind ganze Landstriche konzessioniert. Der immense Flächen- und Wasserverbrauch bedroht die Ernährungsgrundlage der lokalen Bevölkerung. Die Verschmutzung der Luft führt zu zahlreichen Erkrankungen. Trotzdem werden laufend weitere Bergbaukonzessionen erteilt. Eine menschenrechtsorientierte Raumordnungsplanung ist dabei nicht zu erkennen. Die staatlichen Institutionen, welche die Bergbaukonzerne kontrollieren müssten, sind personell viel zu schlecht ausgestattet, als dass sie ihrer Kontrollfunktion tatsächlich nachkommen könnten. Umsiedlungen von betroffenen Gemeinden werden daher oft viele Jahre hinausgezögert.

Insbesondere im Department La Guajira mit der größten kolumbianischen Tagebaumine Cerrejón (Anteilseigner: BHP Billiton, Anglo American, Xstrata) klagten viele Menschen FIAN gegenüber, für den Verlust ihres Landes und ihrer Häuser nie angemessen entschädigt worden zu sein. Derweil nimmt der Druck auf die lokale Bevölkerung immer weiter zu. Cerrejón plant eine massive Expansion und auch das brasilianische Unternehmen MPX möchte in unmittelbarer Umgebung Kohle in großem Stil abbauen. Aber bringt der Abbau nicht auch Entwicklung mit sich? Auch nach dreißig Jahren Kohleabbau ist das Department nach wie vor eines der ärmsten des Landes. Die Korruption ist allgegenwärtig, die staatliche Infrastruktur noch immer dürftig. Aus den Umsiedlungsgemeinden findet kaum jemand einen Job in der Mine.

Noch problematischer ist die Situation im Department Cesar. In der zweiten großen Kohleregion des Landes sind zahlreiche internationale Konzerne aktiv - Kontrolle weitgehend Fehlanzeige. Obwohl sich das Department schon jetzt im Würgegriff von Kohleabbau und Palmöl-Plantagen befindet, sollen die Tagebaue erweitert werden. Das Schicksal der lokalen Bevölkerung spielt dabei kaum eine Rolle, wie der Fall der drei Gemeinden El Hatillo, Plan Bonito und Boquerón zeigt. Die Gemeinden sind von zahlreichen Tagebauen umringt. Zwar ordnete das kolumbianische Umweltministerium die Umsiedlung an, weil die Menschen aktuell unter untragbaren Zuständen leben. Die Unternehmen machen jedoch keine großen Anstalten, die Menschen angemessen und fristgerecht umzusiedeln. Unter den verantwortlichen Firmen befinden sich auch die Unternehmen Drummond (USA) und Glencore/Prodeco (Schweiz), die ebenso wie Cerrejón zahlreiche deutsche Kraftwerke beliefern. Der versprochene Fortschritt stellt sich für die Betroffenen folgendermaßen dar: Sie verloren den Zugang zu Ackerland, verfügen weder über Kanalisation noch über eine funktionierende Trinkwasserversorgung und haben kaum noch Einkommensmöglichkeiten. Gleichzeitig nehmen Krankheitsfälle aufgrund der Feinstaubbelastung zu.

Im krassen Gegensatz dazu stehen die Verlautbarungen deutscher Energieversorger. Sie beteuern immer wieder, ihre Lieferanten auf strenge Menschenrechtsstandards zu verpflichten, vor Ort Kontrollen durchzuführen und dort angemessene Verhältnisse vorzufinden. Fragt man jedoch kritisch nach, was, wie, wo und wann geprüft worden sei und zu welchen konkreten Ergebnissen die Prüfer gekommen seien, beginnt das Schweigen. Bislang war kein deutsches Unternehmen bereit, konkret und umfassend Auskunft zu geben über Lieferanten, Lieferwege und Monitoring-Maßnahmen vor Ort. Dabei haben die importierenden Unternehmen eine "menschenrechtliche Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte innerhalb ihrer Einflusssphäre", wie selbst die Bundesregierung festgestellt hat. [1] Daher bedarf es eines Gesetzes, welches den Unternehmen verbindliche Transparenz- und Rechenschaftspflichten auferlegt. "Licht an für die Menschenrechte" möchte mithilfe einer Online-Kampagne und einer Postkartenaktion die VerbraucherInnen für die Problematik sensibilisieren und erste Schritte auf dem Weg zu einem solchen Gesetz aufzeigen.


Sebastian Rötters ist Bergbau-Referent bei FlAN Deutschland und verantwortlich für die Kampagne "Licht an für die Menschenrechte".


[1] Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage 17/4605, 15.02.2011, Frage 21.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2011, November 2011, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012