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BERICHT/046: Ein Friedensfunke sein - Jugendliche lehren Zivilcourage


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/07

Ein Friedensfunke sein

Jugendliche lehren die Gewaltlosigkeit und Zivilcourage im Alltag


Von Gewaltfreiheit nicht immer nur reden, einmal Leute damit erreichen, die es nicht schon längst wissen, Alternativen zur alltäglichen Eskalation aufzeigen. Darum geht es dem angehenden Theaterpädagogen GREGOR SCHREINER, wenn er mit der pbi-Theater-AG, den "Friedensfunken" unsichtbares Theater macht. Wie dabei Friedensarbeit und alternative Theatermethoden verknüpft werden, erläutert er im Gespräch mit RAPHAEL HAMPF.


PBI-RUNDBRIEF: Gregor, was gibt es zu gucken im unsichtbaren Theater?

GREGOR SCHREINER: Alles was Theater braucht. Die Leute wissen nur nicht, dass es Theater ist, weil es sozusagen inkognito im öffentlichen Raum stattfindet. Die Bühne ist der Bahnsteig, die Strasse, der öffentliche Raum, dort, wo man kein Theater erwartet. Dabei teilen wir uns in drei Gruppen; die aktiven Schauspieler und Schauspielerinnen, die eingeweihten Umstehenden, die mit Passanten darüber kommunizieren ob und was da getan werden müsste, und vor allem wer eingreift, und die stummen BeobachterInnen, die die Reaktionen beobachten. Das geht alles meist sehr schnell.

PBI-RUNDBRIEF: Und was führt ihr dort auf?

GREGOR SCHREINER: Wir spielen typische Konfliktsituationen, wie sie alltäglich passieren. Dabei behandeln wir Themen wie Gewalt und Diskriminierung. Die PassantInnen glauben, dass die Konfliktgegner gerade erst aufeinander treffen und es mehr oder weniger zufällig zwischen ihnen zum Konflikt kommt. Unsere Hoffnung ist, dass die Leute darauf reagieren, einschreiten und die Beteiligten beruhigen. Manchmal klappt das, und manchmal müssen wir es selbst machen. Wir müssen die Situation oft schnell einschätzen, das macht es spannend.

PBI-RUNDBRIEF: Was ist die Idee dahinter, was wollt ihr erreichen?

GREGOR SCHREINER: Beim ersten Mal spielten wir auf dem Bahnsteig der S-Bahn, mitten in der Stadt. Eine junge Frau wurde von zwei Jungs ziemlich übel belästigt, vor den Augen der Leute. Nachdem unsere Hoffnung, jemand würde die beiden zur Ordnung rufen, wieder einmal nicht erfüllt wurde, schritten zwei von uns - die sich natürlich nicht zu erkennen gaben - ein und hatten schließlich Erfolg. Die Täter hörten auf den Appell eines vermeintlich Unbeteiligten und ließen die Frau in Ruhe. Hinterher hatten wir den Eindruck, dass viele positiv überrascht waren, dass die Zivilcourage Erfolg hatte. Möglicherweise merken sich das die Leute und sind beim nächsten Mal etwas mutiger, wenn es darum geht, einem Opfer von Gewalt beizustehen. Darum geht es uns: sichtbar zu machen, das sich Gewalt nicht immer nur hochschaukeln muss, sondern man auch etwas dafür tun kann, zu deeskalieren und Gewalt zu beenden.

PBI-RUNDBRIEF: Besteht nicht die Gefahr, dass die Lage umkippt und es gefährlich wird? Oder löst ihr das dann auf und gebt euch als Theatergruppe zu erkennen?

GREGOR SCHREINER: Nein, das kann man nicht machen, dann fühlen sich die Leute verschaukelt. Aber unsere BeobachterInnen können eingreifen und schließlich können auch die Konfiktgegner einfach aufhören, wenn es die Situation erfordert.

PBI-RUNDBRIEF: Wie kommt man auf die Idee, Theater zu machen in einer Umgebung, die jedes Mal anders ist?

GREGOR SCHREINER: Einige von uns haben sich im letzten Oktober auf einem Bildungsseminar der Diakonie kennen gelernt. Da ging es um Menschenrechte in der Welt und in Deutschland. Und als wir dieses komplexe Thema greifbar machen wollten, sind wir relativ schnell beim Theater gelandet. Dann haben wir eine Gruppe zusammengetrommelt und haben es Anfang November bei der Nacht der Jugend im Hamburger Rathaus versucht. Da sind wir aber etwas untergegangen. Nachdem wir es überarbeitet hatten, sind wir auf die Straße gegangen und dann in die Schulen.

PBI-RUNDBRIEF: Das war kein unsichtbares Theater mehr, oder?

GREGOR SCHREINER: Nein, das war eher Forumtheater. Im Mai hatten wir einen Kulturabend für Menschenrechte und Frieden organisiert, und da haben wir es dann noch mal aufgeführt, diesmal offen und mit Beteiligung des Publikums. Da sind dann eben auch unsere Erfahrungen zur Sprache gekommen.

PBI-RUNDBRIEF: Und hat sich die Idee der Friedensfunken als sinnvoll herausgestellt, geht es weiter?

GREGOR SCHREINER: Ich denke schon. Es macht Hoffnung, die Möglichkeit einer friedlichen Lösung einfach mal gespielt zu haben, auf dass vielleicht ein paar Leute drüber nachdenken und erkennen, dass es zur Gewalt immer auch eine Alternative gibt. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/07, S. 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2007