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BERICHT/059: Zehn Jahre Ziviler Friedensdienst - Zehn Jahre Zusammenarbeit mit pbi


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/10

"Das wollten wir immer schon!"
Zehn Jahre Ziviler Friedensdienst - Zehn Jahre Zusammenarbeit mit pbi

Von Peter Tachau


Während die derzeitige Umstrukturierung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter DIRK NIEBEL (FDP) auf teils heftige Kritik stößt, scheint die Zukunft des Programmes Ziviler Friedensdienst zumindest vorerst gesichert. Am Rande. eines Besuches des Khmer-Rouge-Tribunals in Kambodscha Mitte März würdigte der Bundesminister die gute Arbeit des Zivilen Friedensdienstes im Bereich der Friedens- und Versöhnungsarbeit.


Das Programm Ziviler Friedensdienst (ZFD) feierte im vergangenen Jahr zehnjähriges Bestehen. Mit Hilfe der beiden Kirchen hatten seit 1997 Überlegungen bei der Bundesregierung stattgefunden, in den Ländern des Südens eine aktivere Rolle bei der Krisenvorsorge und der Gestaltung einer Zivilgesellschaft zu spielen, um stärker als bislang Friedensbemühungen in die Entwicklungsarbeit einzubringen. Ansätze dafür hatte es schon vorher in einigen entwicklungspolitischen Diensten gegeben, doch seit 1999 sind sie im "Konsortium Ziviler Friedensdienst" gebündelt. Über einen Dachverband ist auch pbi vertreten. Die Entsendung der ZFD-Fachkräfte erfolgt gemeinsam mit dem "Evangelischen Entwicklungsdienst" (EED).

Die Bundesregierung unterstützte 2009 diese Friedensfachkräfte jährlich mit einem Budget von 30 Millionen Euro. Über 500 Friedensfachkräfte sind seither in verschiedene Konfliktregionen vermittelt worden. Sie sollen, wie es in einer Erklärung der Bundesregierung vom 19. August heißt, "Brücken zwischen Konfliktparteien" bauen, sie dabei unterstützen, "Gewalt bereits vor Ausbruch" zu verhindern und "Versöhnungsmaßnahmen" in die Wege zu leiten. Im kommenden Jahr werden in über 40 Ländern über 200 Fachkräfte im Rahmen des ZFD daran arbeiten. Auch wenn diese Zahlen auf den ersten Blick beeindrucken, so lösen sie doch schon auf den zweiten Blick viele Fragen aus.


Wenig für den Frieden und viel für den Krieg?

Eine davon ist: in welchem Verhältnis stehen diese Friedensbemühungen zu den vielen Geldern, die wir, der deutsche Staat, das Parlament, für gewaltsames Handeln der Bundeswehr ausgeben? Auf 31,1 Milliarden Euro ist der Wehretat 2009 gestiegen. Wäre es richtig zu sagen, dass sich die Bundesregierung mit dem Zivilen Friedensdienst auf einen Friedensweg begeben hat? Oder müsste behauptet werden, dass der Zivile Friedensdienst lediglich eine taktische Ergänzung ist für die SoldatInnen und deutschen PolizistInnen im Ausland? Ist er vielleicht so etwas wie eine Beruhigung für eine Außenpolitik, die Gewalt als Mittel durchaus nicht verneint? In jedem Fall wäre das Verhältnis, in dem Friedenspolitik und Bundeswehr zueinander stehen, genauer zu bestimmen.

Neben der Neubesetzung eines Abteilungsleiterpostens im "Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (BMZ) durch einen Oberst ist Afghanistan derzeit für diese Frage der klassische Fall. Militär ist dort auch für den zivilen Aufbau zuständig, und zivile Kräfte bauen die Polizei des Landes auf. Sollen ihre Einflussbereiche klar getrennt werden oder kann ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden, in dem beide Wege nebeneinander bestehen und gangbar sind? In welchem größeren politischen Zusammenhang steht also der Zivile Friedensdienst?


Welche Erfolge gibt es bisher?

Neben diesen Fragen, die zeigen, in welch schwierigem Umfeld einige ZFD-Projekte stehen, gibt es aber auch positivere Beispiele:

sei es durch Angebote zur Weiterbildung im Friedensjournalismus, um die Eskalation eines religiösen Konfliktes zu verhindern, etwa zwischen Christen und Moslems in Nigeria
oder durch Bildung eines Friedensdachverbandes im Kosovo zur Stärkung der Zivilgesellschaft
oder durch die Unterstützung von Organisationen zum Schutz von indigenen Gemeinden in Kolumbien.

Die Erfolge zu messen, die durch Friedensarbeit erreicht werden, ist Bestandteil einer Evaluation, die den gesamten Friedensdienst umfassen soll. Deren Ergebnisse werden noch dieses Jahr erwartet. Man erhofft sich dabei Antworten auf Fragen wie: Welche Umstände lassen Friedensarbeit gelingen, welche sprechen dagegen? Welche kulturellen Traditionen und religiösen Stimmungen sind ausschlaggebend, Friedensbemühungen erfolgreich sein zu lassen? Welche Ausbildungen müssen die Friedensfachkräfte haben? Welches sind die Gruppen, mit denen Friedensfachkräfte zusammenarbeiten sollten, mit welchen eher nicht?


"Es hat sich etwas verändert!"

Dabei wird die Notwendigkeit, sich für Frieden einzusetzen, gar nicht in Frage gestellt. Trotzdem ist die Erkenntnis jetzt schon klar: "Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Astrid Hake, Koordinatorin der deutschen pbi-Ländergruppe. Aber dann korrigiert sie sich und meint: "Es hat sich auch etwas sichtbar positiv verändert: So hat sich der Begriff der Zivilen Konfliktbearbeitung etabliert. Und es gibt jetzt eine breitere wissenschaftliche Auseinandersetzung als früher mit dem Thema von Frieden und Gewaltprävention. Außerdem gibt es seit 1998 die 'Plattform Zivile Konfliktbearbeitung'. Der Begriff hat Eingang in die politische Arena gefunden!" Und sie berichtet von einem Beispiel: "In Kolumbien interessiert sich jetzt auch die französische Regierung für den ZFD, weil sie ihn durch pbi dort kennen gelernt hat. Das ist doch ein guter Erfolg!"

Ein Teil der Friedensfachkräfte von pbi wird seit 1999 über den ZFD finanziert. Auf die Frage, ob es einen Unterschied gebe zwischen den pbi-Fachkräften und denen, die mit Hilfe des ZFD vermittelt werden, meint Astrid Hake: "Diesen Unterschied sollte es eigentlich nicht geben, die Arbeit ist die gleiche. Natürlich ist die finanzielle Ausstattung dort etwas günstiger, aber wir haben ja einen Solidaritätsfonds, in den die ZFD-Kräfte einzahlen." Aus dem Fonds werden pbi-Freiwillige nach ihrer Rückkehr nach Deutschland u. a. mit einer halbjährigen ProjektreferentInnenstelle gefördert.


Räume für den Frieden schaffen

Ob es sich bisher gelohnt hat, ob der Frieden gewachsen ist durch deren Einsatz - wie soll man das messen? Große Ziele sind für Einzelne und auch für Organisationen mit einem begrenzten Handlungsspielraum wie pbi nicht immer zu verwirklichen. Doch dem Frieden ist schon gedient, wenn ein Rechtsanwalt seinen Weg sicher von seinem Haus zum Gericht nehmen kann, ohne dass er ermordet wird; oder wenn die Menschenrechtsaktivistin zu einer Vertretung der UNO gehen kann, ohne dass sie verschleppt wird. Kleine und doch große Erfolge sind das, die möglich sind, wenn pbi-Fachkräfte diese Art von Schutz anbieten und sich dabei bescheiden im Hintergrund halten.

120 Fachkräfte für den Frieden hat pbi seit 1986 vermittelt. 24 davon sind mit dem Programm ZFD nach Übersee gegangen. Und die Anzahl derer, die pbi vermitteln kann, wird steigen." Es sind etwa 25 pro Jahr," so sagt Astrid Hake, "das ist doch ein guter Erfolg. Und," fährt sie fort, "dass es jetzt zehn Jahre den Zivilen Friedensdienst gibt, zeigt doch, dass die Regierung etwas aufgegriffen hat, was wir und andere aus der Zivilgesellschaft ja immer schon wollten." - pbi

Weitere Informationen:
www.ziviler-friedensdienst.org
www.forumzfd.de

Buchtipp:

"Gewaltfrei für den Frieden. Menschen und Projekte - ein Reise um den Globus
Reportagebuch mit Berichten aus zehn Ländern
herausgegeben vom Konsortium ZFD
erschienen im Brandes & Apsel-Verlag. 96 Seiten, 9,90 Euro
ISBN: 978-3-86099-615-7


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/10, S. 8-9
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
Tel.: 040/38 90 437, Fax: 040/38 90 437-29
E-Mail: info@pbi-deutschland.de,
Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2010