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BERICHT/066: "Bundeswehr an Schulen" - Das Militär als Akteur der Friedenserziehung?


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/11

Das Militär als Akteur der Friedenserziehung?
Podiumsveranstaltung zum Thema "Bundeswehr an Schulen"

Von Alexander Weber


Am 18. Mai 2011 diskutierten Jugendoffizier AXEL KUKUK. Pädagoge und Bildungspolitiker KURT EDLER, WILLI BARTELS (GEW) und PAUL METSCH (pbi) im "Kulturhaus III&70" Hamburg darüber, ob sich die Bundeswehr an der politischen Bildung in Schulen beteiligt sein soll. Durch den Abend moderierte WOLFGANG FLOCKEN vom NDR.


Die Bundeswehr engagiert sich zunehmend an Schulen. So führen Jugendoffiziere sowohl Workshops zur Sicherheitspolitik als auch das mehrtätige Simulationsspiel "POL&IS" durch.

Bedenken dagegen versuchte zunächst der Jugendoffizier Kukuk zu zerstreuen, indem er betonte, dass die Bundeswehr "ausschließlich auf Nachfrage der Schulen kommt" und "Jugendoffiziere keine Nachwuchsgewinnung leisten". Der Auftrag eines Jugendoffiziers sei vielmehr "gegenüber der Gesellschaft zu militärischen und sicherheitspolitischen Fragen Stellung zu nehmen".


Die Bundeswehr als Bestandteil eines "vielstimmigen Konzerts"?

Der Pädagoge Kurt Edler befürwortet grundsätzlich das Engagement der Bundeswehr, sofern eine gewisse Ausgewogenheit gewahrt bleibe. Er begründet dies damit, dass es für SchülerInnen langweilig sei, immer die gleiche Stimme zu hören und deshalb aus Lehrersicht "jeder Gast willkommen ist". Er ist der Meinung, dass "die Schule ein vielstimmiges Konzert von Meinungsträgern aus der Gesellschaft geben sollte". Seiner Ansicht nach muss eine moderne aufgeklärte Pädagogik es erlauben, dass all diejenigen, die eine Position bezüglich einer gesellschaftlichen Frage vertreten, auch gehört werden.

Willi Bartels (GEW) ist ebenfalls der Meinung, dass "auf ein Podium immer zwei gehören". Er spricht sich jedoch strikt gegen eine direkte Beteiligung der Bundeswehr im Bereich der Bildung aus. So sei aufgrund der größeren Ressourcen, die die Bundeswehr im Gegensatz zu anderen Akteuren habe, die notwendige Ausgewogenheit nicht gewährleistet.

Paul Metsch von pbi, der selbst Workshops zum Thema Konfliktbewältigung an Schulen veranstaltet, gibt zu Bedenken, dass selbst Erwachsene Schwierigkeiten hätten, solch komplexe Sachverhalte, wie sie beim Simulationsspiel "POL&IS" aufgegriffen werden, zu verstehen. Bei "POL&IS" sollen sich die SchülerInnen mit globalen Problemen auseinandersetzen und diese lösen, indem sie in die Rolle von Staatsoberhäuptern schlüpfen. Paul Metsch, der an besagtem Simulationsspiel teilgenommen hat, bezweifelt, dass es möglich sei, SchülerInnen derart komplexe Sachverhalte an 2-3 Tagen in der ihr gebührenden Sorgfalt nahezubringen. Dies sei umso gefährlicher, da in dem Spiel der Einsatz des Militärs als ein probates Mittel dargestellt werde, um Konflikte zu lösen.


Die Schüler werden "überwältigt"

Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass militärische Einsätze oder Krieg als tragbare Instrumente der Konfliktlösung an Schulen vermittelt werden sollten, bleibt die Frage, ob es Jugendoffiziere der Bundeswehr sind, die dies mit SchülerInnen kontrovers diskutieren können. So sieht Paul Metsch die Gefahr, dass SchülerInnen schlicht von der Situation "überwältigt" werden, was nach dem Beutelsbacher Konsens, der die Grundsätze für die politische Bildung festlegt, strengstens zu vermeiden ist. Nach dem Überwältigungsverbot dürfen die Lehrenden SchülerInnen nicht ihre Meinung aufzwingen. Gerade diese Gefahr besteht aber, wenn ein Jugendoffizier der Bundeswehr vor die Klasse tritt. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob es nicht vielmehr die Aufgabe der Lehrer sein und bleiben sollte, die SchülerInnen an so sensible Themen wie die Sicherheitspolitik heranzuführen.


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/11, S. 4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011