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MITTELAMERIKA/106: Auf den Barrikaden - Sara Méndez über Leiden und Zorn in Oaxaca


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/08

Auf den Barrikaden
Sara Méndez über Leiden und Zorn in Oaxaca

Von Suhela Behboud und Peter Tachau


Seit Jahren setzt sich Sara Méndez für Frauen- und Menschenrechte ein, insbesondere für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Mexiko. Als Koordinatorin des Menschenrechtsnetzes von Oaxaca (Red Oaxaqueña de Derechos Humanos - RODH) war sie Teil der Protestbewegung, die 2006 den südlichen Bundesstaat des Landes in die Schlagzeilen brachte. Über vier Monate hatte die Bevölkerung die Provinzhauptstadt besetzt und Oaxaca in einen Ausnahmezustand versetzt - gewaltfrei (siehe pbi Rundbrief 01/06).


"Es gab Tausende von Frauen, die an den Versammlungen, den Protestmärschen und den Barrikaden teilnahmen", berichtet Sara Méndez über die Aufstandsbewegung "Die Frauen haben eine zentrale Rolle gespielt. Sie haben nicht nur die Bewegung ernährt, sie haben sich organisiert und zu Frauendemonstrationen aufgerufen. ihre Aktionen spielten eine zentrale Rolle wie zum Beispiel die Besetzung des Fernsehsenders Canal 9. Das war eines der wichtigsten Ereignisse in Oaxaca."


"Wie Kriminelle wurden wir behandelt"

Auslöser des Aufstandes in einer der ärmsten Regionen Mexikos war die gewaltsame Niederschlagung des jährlichen Lehrerstreiks im Juni 2006. Die LehrerInnen prangern seit Jahren die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Missstände an. Sara Méndez beklagt sich bitter darüber, dass die sozialen Bewegungen in Oaxaca und Mexiko von der Bundesregierung brutal unterdrückt und der Volksaufstand kriminalisiert wird: "Wir wurden als Kriminelle und Vandalen im Fernsehen hingestellt. Und eben diese Berichterstattung wurde dann weltweit übernommen."

Am 25. November 2006 ordnete Gouverneur Ulises Ruiz die Erstürmung der Stadt an. Seither ging die Regierung rücksichtslos gegen das Menschenrechtsnetz und gegen alle anderen sozialen Bewegungen vor, die in der Versammlung der Völker Qaxacas (APPO) organisiert sind. Die APPO fordert nicht nur den Rücktritt des Gouverneurs Ruiz, sondern eine ganz neue politische Struktur. Über 20 Morde an APPO-Mitgliedern sind bislang ungesühnt geblieben. Es kam zu Massenverhaftungen . "Alle wurden festgenommen, ohne Unterschied. Auch Frauen und Kinder - alle, die nicht schnell genug wegrennen konnten." Seither sind Dutzende verschwunden.


"Für die Begleitung von pbi bin ich dankbar"

Wegen der Verfolgung einiger exponierter Vertreter der APPO und der Repressalien, die sich auch gegen Sara Méndez richteten, bat sie pbi um schützende Begleitung. "Die Begleitung von pbi machte es mir möglich, meine Arbeit mit größerer Sicherheit auszuüben. Dafür bin ich sehr dankbar", berichtet die Menschenrechtlerin. Denn AktivistInnen setzen sich und ihre Familien einer hohen Gefahr aus. Nach den massiven Polizeieinsätzen vom Mai 2006 arbeitet Sara Méndez mit anderen daran, Angriffe auf Oppositionelle zu dokumentieren und zu veröffentlichen.

Zum Schutz und zur Stärkung der Frauen in Oaxaca hat das Menschenrechtsnetz Kampagnen entwickelt, die über das Wahlrecht und die Gewalt gegen Frauen aufklären. Der Frauenbewegung gelang es, die Legalisierung der Abtreibung gesetzlich festzuschreiben. Weitere zentrale Aufgaben sind die Verbesserung der Bildungschancen für junge Mädchen und die Unterstützung von indigenen Frauen, die aufgrund ihrer fehlenden Spanischkenntnisse benachteiligt sind.

Seit Oktober 2007 ist Sara Méndez für das Comité de Liberación 25 de Noviembre in Oaxaca tätig. Das Comité hat die Verteidigung der willkürlich Festgenommenen der Protestbewegung übernommen und klagt Menschenrechtsverletzungen auf nationaler und internationaler Ebene an. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/08, S. 15
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2008