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APPELL/214: Zivilgesellschaft appelliert an Bundesregierung - Keine Kompromisse beim Schutz von geflüchteten Kindern (IPPNW)


IPPNW Pressemitteilung vom 6. Juni 2023
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Zivilgesellschaft appelliert an Bundesregierung: Keine Kompromisse beim Schutz von geflüchteten Kindern

46 Kinder- und Menschenrechtsorganisationen warnen anlässlich des Treffens der EU-Innenminister*innen vor Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher


Die Friedensnobelpreisträgerorganisation IPPNW und 45 andere Kinder- und Menschenrechtsorganisationen rufen die Bundesregierung dazu auf, beim bevorstehenden Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni keine Vereinbarungen einzugehen, die die Rechte und das Wohl geflüchteter Kinder und Jugendlicher gefährden. Deutschland muss konsequent gegen die Einführung von Grenzverfahren in Haftlagern, die Ausweitung sicherer Drittstaaten und die Absenkung von Verfahrensgarantien für geflüchtete Kinder und Jugendliche stimmen, so die gemeinsame Forderung.

Die Organisationen warnen vor einer massiven Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher in der EU, sollten die vorgeschlagenen Reformen beschlossen werden. Bereits jetzt kommt es entlang der Fluchtrouten und an den Außengrenzen der EU jeden Tag zu Gewaltanwendung gegenüber Kindern. Die Reformpläne verstoßen nach Ansicht des Bündnisses gegen die UN-Kinderrechtskonvention und begünstigen weitere Kinderrechtsverletzungen. Die Bundesregierung darf diesen Weg nicht unterstützen. Die Wahrung der Menschenrechte und des Kindeswohls muss die Leitlinie der europäischen Politik sein, so der Appell.

Nach den bisher bekannten Plänen sind auch geflüchtete Kinder und Jugendliche von Inhaftierung oder haftähnlicher Unterbringung an den europäischen Außengrenzen betroffen. Dies verstößt gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Schutz vor Folter und Freiheitsentzug. "Je länger Kinder in prekären Situationen gehalten werden, umso größer wird das Risiko der seelischen Erkrankung, Radikalisierung oder Resignation mit einer erhöhten Suizidalität", konstatiert das IPPNW-Mitglied Ernst-Ludwig Iskenius. "Insbesondere geflüchtete Kinder und Jugendliche benötigen frühzeitig Sicherheit und Perspektive für sich und ihre Familien", so der Kinderarzt. Nur auf diese Weise seien Kinder infolge von traumatisierenden Erfahrungen überhaupt in der Lage, zu einer kindgerechten Entwicklung zurückzufinden.

Die Organisationen ermahnen die Bundesregierung, der eigenen Ankündigung im Prioritätenpapier zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom 26. April treu zu bleiben und sicherzustellen, dass Minderjährige vom Grenzverfahren ausgenommen werden. Zudem sollen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich wirksam gegen Entscheidungen von Behörden zu wehren. Unbegleitete Minderjährige sollen kindgerechte Unterstützung, Vormundschaft und Rechtsbeistand erhalten. Ohne effektiven Rechtsschutz und kindgerechte Verfahrensbegleitung können die Rechte und das Wohl von flüchtenden Kindern in der EU nicht gewahrt werden.

Auch durch die geplante Erweiterung des Konzepts der sicheren Drittstaaten drohen massive Auswirkungen auf den Schutz von Asylsuchenden in der EU: Wenn Kinder und Jugendliche in der EU ankommen, können ihre Asylanträge - gemäß den aktuellen Beschlüssen des Rates der EU-Innenminister*innen - als unzulässig abgelehnt werden, selbst wenn in einigen Regionen eines außereuropäischen Landes nur ein unzureichendes Mindestmaß an Schutz gewährleistet ist.


Weitere Informationen:

Der Appell in voller Länge (PDF):
http://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Soziale_Verantwortung/Kinderrechtlicher_Appell_Reform_des_gemeinsamen_europaeischen_Asylsystems.pdf

Appell von über 60 Organisationen an die Bundesregierung zur Reform des europäischen Asylsystems (IPPNW-Pressemitteilung, 17.05.2023):
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/asyl-ist-ein-menschenrecht.html

Ampel-Regierung beugt sich rechtspopulistischen Strömungen in Deutschland und EU (IPPNW-Pressemitteilung, 09.05.2023):
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/ampel-regierung-beugt-sich-rechtspop.html

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Quelle:
Pressemitteilung vom 6. Juni 2023
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Telefon 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Juni 2023

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