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OFFENER BRIEF/031: Äthiopien-Reise des Bundespräsidenten (Ethiopian Human Rights Committee)


Ethiopian Human Rights Committee - 14. März 2013

Äthiopien-Reise des Bundespräsidenten

Bundespräsident Gauck soll sich in Äthiopien für die Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit im Allgemeinen und für die sofortige und bedingungslose Freilassung der Journalisten Eskinder Nega, Reeyot Alemu und Woubshet Taye im Besonderen einsetzen.



Berlin, 14. März 2013 - Das Ethiopian Human Rights Committee und das PEN-Zentrum Deutschland haben Bundespräsident Joachim Gauck aufgefordert, bei seinem Staatsbesuch in Äthiopien die anhaltend schlechte Menschenrechtssituation zu thematisieren.

Trotz stiller Diplomatie und fortgesetzter Appelle von Seiten internationaler Menschenrechtsorganisationen hat sich die Menschenrechtslage nicht verbessert, weil politischer Druck auf die äthiopische Regierung ausgeblieben ist. Äthiopien, das im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit umfangreich unterstützt wird, gehört zu den Staaten der Welt, die jede Medien- und Meinungsfreiheit im Keim ersticken.

"Die Reise des Bundespräsidenten bietet eine gute Gelegenheit, die 21-jährige Unterdrückung der Menschenrechte in Äthiopien offen anzusprechen und öffentlich zu kritisieren", betonten Seyoum Habtemariam vom Ethiopian Human Rights Committee und Sascha Feuchert vom PEN-Zentrum Deutschland in einem offenen Brief an Gauck vom 14. März.

In Abwesenheit von Demokratie und Rechstaatlichkeit nimmt die Verfolgung von Journalisten zu. Die Angehörigen werden in ihrer Existenz bedroht. Äthiopien ist das Land der Welt mit der höchsten Zahl ins Ausland geflohener Journalisten.

"Wir appellieren an Bundespräsident Gauck, sich zudem für die sofortige und bedingungslose Freilassung der Journalisten Eskinder Nega, Reeyot Alemu und Woubshet Taye (in der Haft gefoltert) einzusetzen und eine Aufhebung des Arbeitsverbots für die Journalistin Serkalem Fasil zu verlangen", so die Unterzeichner des offenen Briefes.

Da das von Äthiopien ratifizierte UN-Abkommen gegen Folter nicht verwirklicht wird, werden bis heute Journalisten, Oppositionelle und andere Regimekritiker Opfer verschiedener Foltermethoden. Das Ethiopian Human Rights Committee und das PEN-Zentrum Deutschland haben an Bundespräsident Gauck appelliert, auch auf die Umsetzung der Anti-Folter-Konvention zu dringen.


OFFENER BRIEF

An den Bundespräsidenten
Herrn Joachim Gauck
Bundespräsidialamt
Spreeweg 1
10557 Berlin
Tel.+49 (0)30 2000-0
Fax.+49 (0)30 2000-1999
E-Mail: bundespraesidialamt@bpra.bund.de

Berlin, 14. März 2013

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

die Forderung nach Freiheit hat dem preisgekrönten äthiopischen Journalisten Eskinder Nega im Juli letzten Jahres 18 Jahre Haft wegen Hochverrats und terroristischer Aktivitäten eingebracht. Woubshet Taye, ein ebenfalls international ausgezeichneter Journalist, war vor seiner Verhaftung im Juni 2011 stellvertretender Chefredakteur der Awramba Times. Er wurde zusammen mit Reeyot Alemu, einer Kommentatorin der inzwischen eingestellten Wochenzeitschrift Feteh, im Januar 2012 des Terrorismus für schuldig erklärt worden.

Feteh war die letzte unabhängige Zeitung Äthiopiens. Ihr Druck wurde verboten, nachdem sie auf ihrer Titelseite über die Krankheit des inzwischen verstorbenen Ministerpräsidenten Meles Zenawi berichtet hatte. Der ehemalige Chefredakteur Temesgen Desalegen, der zunächst verhaftet und dann wieder freigelassen wurde, steht seit Februar 2013 erneut unter Anklage.

Eskinder Nega sitzt aufgrund seiner kritischen Berichterstattung bereits zum achten Mal im Gefängnis. 2005, nach den umstrittenen Wahlen, wurde er zusammen mit seiner damals schwangeren Frau, der Journalistin und Publizistin Serkalem Fasil, verhaftet. Das Paar gehörte zu den insgesamt 131 Journalisten, Aktivisten und Oppositionspolitikern, denen Landesverrat und andere Straftaten zur Last gelegt wurden.

Gegen Serkalem Fasil, die 2006 ihren Sohn im Gefängnis zur Welt brachte, wurde nach ihrer Haftentlassung ein Berufsverbot verhängt. Seit der Inhaftierung ihres Mannes wird sie zudem systematisch drangsaliert. Haus und Wagen der Familie sind beschlagnahmt, offenbar in der Absicht, sie zum Verlassen des Landes zu zwingen.

Mit Hilfe der weiten Auslegung des Anti-Terror-Gesetzes von 2009 und des Gesetzes über Massenmedien und Informationsfreiheit von 2008 geht die äthiopische Regierung rigoros gegen kritische Stimmen im Lande vor. Selbst friedliche Demonstrationen werden zu Terrorakten erklärt.

Trotz stiller Diplomatie und fortgesetzter Appelle internationaler Menschenrechtsorganisationen hat sich die Lage nicht verbessert, weil bisher politischer Druck auf die äthiopische Regierung ausgeblieben ist. Das ostafrikanische Land, das im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit umfangreich unterstützt wird, gehört zu den Staaten der Welt, die jede Medien- und Meinungsfreiheit im Keim ersticken. Äthiopien ist das Land der Welt mit der höchsten Zahl ins Ausland geflohener Journalisten.

Ihre Äthiopien-Reise bietet eine gute Gelegenheit, die inzwischen 21-jährige Unterdrückung der Menschenrechte in dem ostafrikanischen Land offen anzusprechen und öffentlich zu kritisieren. Wir fordern Sie deshalb auf, sich für die Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit im Allgemeinen und für die sofortige und bedingungslose Freilassung der Journalisten Eskinder Nega, Reeyot Alemu und Woubshet Taye (in der Haft gefoltert) im Besonderen einzusetzen.

Da das von Äthiopien ratifizierte UN-Abkommen gegen Folter nicht verwirklicht wird, werden bis heute Journalisten, Oppositionelle und andere Regimekritiker Opfer verschiedener Foltermethoden. Wir bitten Sie deshalb, auf die Umsetzung der Anti-Folter-Konvention zu dringen.

Mit freundlichen Grüßen

Seyoum Habtemariam
Ethiopian Human Rights Committee
menschenrecht-ethiopia@hotmail.de

Sascha Feuchert
Writers-in-Prison-Beauftragter
PEN-Zentrum Deutschland
info@pen-deutschland.de

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Quelle:
Pressemitteilung und Offener Brief vom 14. März 2013
Ethiopian Human Rights Committee
Seyoum Habtemariam
E-mail: menschenrecht-ethiopia@hotmail.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2013