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STANDPUNKT/113: Die Rückkehr zum Friedensprozess in der Türkei ist dringend erforderlich (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 5. August 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Die Rückkehr zum Friedensprozess in der Türkei ist dringend erforderlich

IPPNW solidarisiert sich mit innertürkischen Initiativen für Frieden und Demokratie


Die Friedensorganisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" solidarisiert sich mit allen Menschen und Initiativen in der Türkei, die den Friedensprozess in der Türkei und in der Region wiederbeleben wollen. Sie fordert:

• Sowohl die Waffen der PKK als auch des türkischen Militärs müssen schweigen, Anschläge und Polizeirazzien enden.

• die sofortige Aufhebung der Kontaktsperre von Abdullah Öcalan.

• Vermittler wie die HDP, die den Friedensprozess zwischen Regierung samt Geheimdienst einerseits und Öcalan und der PKK andererseits zuvor ermöglicht haben, müssen diese Funktion wieder erhalten und dürfen nicht kriminalisiert werden.

• Die deutsche Regierung muss sich für eine Streichung der PKK von der internationalen Terrorliste einsetzen und ihr Verbot in Deutschland aufheben, um die nicht-militanten Kräfte in der PKK zu stärken und die berechtigten Anliegen anzuerkennen.

• Sowohl der HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas als auch hochrangige sozialdemokratische Politiker müssen nach Europa eingeladen werden, um über die Situation in der Türkei und die bisherige Kollaboration zwischen Regierung und Islamischem Staat zu informieren und um Lösungswege aufzuzeigen.

Die Europavorsitzende der IPPNW, Dr. Angelika Claußen, sieht bei Erfüllung dieser Forderungen gute Chancen, zum Friedensprozess zurückzukehren. "Für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses ist es nicht zu spät, auch wenn Staatspräsident Erdogan sein Ende verkündet hat", so Claußen. Hoffnung macht ihr, dass sich alte und neue Friedensinitiativen vehement zu Wort melden. So hat sich ein Bündnis aus Intellektuellen der verschiedenen politischen Lager zusammengefunden. "Aber am eindrucksvollsten", so Claußen, "sind die Protestmärsche von Friedensfrauen in 13 Städten, die die Aussage von Bülent Arinc gegenüber einer kurdischen Abgeordneten im Parlament ummünzen. Statt: "Halten Sie als Frau Ihren Mund!" sagen die Friedensfrauen: "Wir Frauen schweigen nicht. Die Waffen sollen schweigen, der Frieden soll sprechen!"

Die unterschiedlichen Bewegungen in der Türkei verbinden ihre Forderungen nach einem Stopp des Blutvergießens durch beide Konfliktparteien eng mit ihrer Forderung nach mehr Demokratie. "Demokratische Partizipation ist in den Ländern des Nahen Ostens unterentwickelt. Der Friedensprozess in der Türkei bedeutet ein Stück Demokratieaufbau und Kompromissfindung in einer tief gespaltenen Gesellschaft. Ihn für kurzfristige egoistische Interessen mutwillig zu zerstören, wie es Staatspräsident Erdogan jetzt tut, trägt dazu bei, den Brandherd Nahost weiter zu befeuern", so Claußen.

Die IPPNW lehnt Gewalt als Mittel der Politik entschieden ab. In diesem Sinne sprach und spricht sie sich gegen Waffenexporte in die Großregion Naher und Mittlerer Osten, die Unterstützung von NATO-Staaten für die türkischen Militäraktionen wie auch gegen die Stationierung der Patriot-Raketeneinheiten in der Türkei und den deutschen Einsatz von AWACS-Aufklärung aus. Sie erneuert stattdessen ihre Forderung an die Bundesregierung und die Regierungen der EU, sich für diplomatische Initiativen stark zu machen, um die Konflikte in der Region unter Einbindung Russlands politisch zu klären. Der Aufbau einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZMNO) in der Region unter Einschluss aller wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen würde eine friedliche Perspektive ermöglichen.

Dr. med. Angelika Claußen, Europavorsitzende der IPPNW und ehemalige Vorsitzende der deutschen Sektion, hält sich gegenwärtig in der Türkei auf. Seit dem Irakkrieg 2003 reiste sie mehrmals in den Irak. Sie besuchte dort letztes Jahr Flüchtlinge und insbesondere jesidische Frauen in Flüchtlingslagern im Nordirak. Im April 2015 reiste sie in die Region um Gaziantep und Antakya an der syrisch-türkischen Grenze und sprach dort mit syrischen Flüchtlingen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 5. August 2015
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2015

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