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STANDPUNKT/198: "Sie verteidigen das Unhaltbare in Hamburg. Wir wollen jenseits aller Grenzen protestieren." (NoG20)


Pressemitteilung der Internationalen NoG20 Koordinierung vom 26. Juni 2017

"Sie verteidigen das Unhaltbare in Hamburg.
Wir wollen jenseits aller Grenzen protestieren."


Wir, internationale AktivistInnen, die sich auf die Reise nach Hamburg zu den Demonstrationen gegen den G20 Gipfel im Juli vorbereiten, rufen zur Verteidigung unserer grundlegenden bürgerlichen und politischen Freiheiten auf, die uns in Hamburg verweigert werden: Das Recht zu protestieren, die Freiheit uns zu versammeln und zu bewegen.

Schon in unserem offenen Brief an die HamburgerInnen am 17. Mai 2017 [1] haben wir gesagt, dass wir für die gleichen Werte einstehen wie auch viele HamburgerInnen: Demokratie, Menschenrechte, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden, ebenso wie sie lehnen wir Austeritätspolitik und Neoliberalismus, Rassismus und Sexismus ab. Trump und Putin, Erdogan und Xi, Merkel und Macron, Modi und Zuma, Temer, May und King Salman repräsentieren uns nicht - die Welt, die sie wollen, geht auf unsere Kosten.

Wir nehmen mit Besorgnis zur Kenntnis, dass für den G20 Gipfel demokratische und bürgerliche Rechte außer Kraft gesetzt werden sollen. Demonstrationen werden bereits vor dem Gipfel verboten, die Bewegungsfreiheit in der EU (Schengen-Abkommen) aufgehoben. Auch das Recht auf Versammlungsfreiheit wird für einen großen Teil Hamburgs während der zwei Gipfeltage ausgesetzt. Jene, die hoffen in Hamburg ein Camp und eine sichere Unterkunft für die Protestierenden zu errichten, mussten vor Gericht ziehen, um ihr Recht darauf zu sichern - nur um dann zu erleben, wie die so genannte "Blaue Zone" dieses Recht wieder aufhebt. Mittlerweile hat der Hamburger Senat seiner Behauptung widersprochen, er beabsichtige, das Demonstrationsrecht zu schützen, als er einen aggressiven Polizeichef eingesetzt hat, der für seine eskalative Polizeistrategie bekannt ist.

Für all das gibt es einen einfachen Grund: Die Politik der G20 stehen im Gegensatz zu den Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in Hamburg und Deutschland, genauso wie in Europa und dem Rest der Welt. In Russland und den USA, in der Türkei und China, in Indien und Brasilien sehen wir einen zunehmenden Autoritarismus der den wachsenden und breiten Widerstand gegen ihre Macht verhindert. Aber auch in Europa sehen wir, wie Abkommen wie CETA oder TTIP ohne demokratisches Mandat hinter geschlossenen Türen verhandelt werden. Während wir dies schreiben, treiben die USA genauso wie die EU schamlos ihre Freihandelsagenda voran trotz des massiven Drucks von unten. Und die neoliberalen Eliten in Europa - egal ob in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien - führen ihr "Business as Usual" fort: systematisch verweigern sie BürgerInnen ihre sozialen und BürgerInnenrechte, bauen immer weiter soziale Absicherungs- und Wohlfahrtsstrukturen ab und stellen dem ihre tödliche Logik "des Überlebens der Stärksten" gegenüber.

Diese Politik des Neoliberalismus und der Kriege werden im Herzen unserer Städte entschieden, abgeschirmt von BürgerInnen, beschützt von militarisierter Polizei und durch die Aussetzung politischer Rechte. Dieses Aushebeln der Demokratie hat einen einzigen Grund: Das Unhaltbare zu verteidigen.

Unsere Demonstrationen dagegen stehen für eine andere Welt: Eine Welt, die nicht von Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie und der Angst vor Andersartigkeit getrieben wird. Eine Welt, in der der menschengemachte, dramatische Klimawandel ernst genommen und den heutigen Gesundheits-, Bildungs- und sozialen Bedürfnissen gerecht wird. Wir lehnen eine Welt ab, in der ein Turnschuh das Mittelmeer gefahrlos überqueren kann, während Menschen darin ertrinken müssen. Wir stehen für andere Städte: Städte, die nicht von Immobilienspekulation und der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ausgehöhlt werden; Städte, die lebendig und divers sind, in denen Menschen ihren Widerspruch frei äußern und ihre Hoffnungen auf eine bessere Welt zum Ausdruck bringen können. Städte wie jenes Hamburg, das wir kennen und lieben.

Wenn sie eine demokratiefreie Zone in Hamburg wollen, wollen wir ein G20-freies Hamburg. Der Hamburger Senat und die deutsche Bundesregierung stellen die Parade von Gaunern und Tyrannen über das Leben und den Alltag der Menschen in Hamburg, um ihnen die Peinlichkeit des Anblicks der Menschen aus aller Welt zu ersparen, die nicht ihrer Meinung sind.

Wir fordern, dass diese Außerkraftsetzung der grundlegenden politischen Freiheiten beendet wird: Die "blaue Zone", die uns das Recht zu protestieren nimmt, die Grenzkontrollen, die das freie Reisen verhindern und die Versuche, uns das Versammlungsrecht zu verweigern. Stattdessen werden wir Hamburgs Tradition der Toleranz und Diversität, der Demokratie und der Rebellion feiern. Wenn die G20 eine Welt voller Zäune und Stacheldraht wollen, wollen wir eine solidarische Welt ohne Grenzen.


Anmerkung:
[1] http://g20-protest.info/cate-gory/open-letter/press-release/

siehe im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → Infopool → Bürger → Meinungen
OFFENER BRIEF/066: An die Menschen in Hamburg (No G20 International Vorbereitungskreis)

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Quelle:
Internationale NoG20 Koordinierung
E-Mail: international@g20-2017.org
Internet: www.g20-protest.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2017

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