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STELLUNGNAHME/118: Nulltarif ist gut, eine komplette Verkehrswende ist besser - und nötig! (Projektwerkstatt Saasen)


Projektwerkstatt Saasen - Presseinformation vom 14.2.2018

Nulltarif ist gut, eine komplette Verkehrswende ist besser - und nötig!


Die Bundesregierung hat (unfreiwillig) verstanden - und steht vor den Scherben ihrer eigenen Verkehrspolitik. So kommentieren Aktivist*innen der Aktionsschwarzfahr- und Nulltarifkampagne die Ankündigung von CDU, CSU und SPD, endlich auch in Deutschland den Nulltarif einzuführen. Schon am Tag des Bekanntwerdens der Idee äußerten mehrere Institutionen ihre Zweifel, ob die bestehende Infrastruktur das zusätzliche Verkehrsaufkommen bewältigen könne. "Wer jahrzehntelang öffentliche Verkehrsmittel ruiniert und einseitig auf Autos setzt, muss sich nicht wundern, dass eine ökologische und menschenverträgliche Verkehrspolitik jetzt anstrengend wird", heißt es aus der Projektwerkstatt in Saasen, in der seit Jahren kreativen Aktionen für eine Verkehrswende entwickelt und umgesetzt werden. Die Aktivist*innen fordern, sofort alle weiteren Straßen- und Infrastrukturbauprojekte für Autos zu stoppen, um stattdessen sofort Städte und Regionen auf eine autofreie, sozial-ökologische Verkehrspolitik umzugestalten. Unverständnis riefen kritische Stimmen "ausgerechnet der Grünen" hervor, die in den vergangenen Stunden für die Modernisierung der Autoflotte statt einem Nulltarif eintraten: "Sind die jetzt auch hier noch die letzte Rettu ngstruppe eines verfehlten, profitgetriebenen Denkens?"

In einer Erklärung aus dem Kreis der Aktionsschwarzfahrer*innen heißt es:

"Nulltarif ist gut, aber steht für mehr. Es braucht sowohl ökologischen als auch sozialen Wandel!

Daher fordern wir:

- Den Nulltarif flächendeckend.

- Den sofortigen Stopp aller Mittel und Planungen für weitere Straßen und autoorientierte Infrastruktur (Parkplätze, Parkhäuser usw.).

- Keine Ressourcen mehr in das Weiterwurschteln an einem umwelt- und lebensqualitätzerstörenden Verkehrsmittel: Weder E-Mobilität noch Umrüstungen! Keine neuen Plaketten, die nur Menschen in die Innenstädte lassen, die wegen hohem Einkommen moderne Autos oder neue Technik kaufen können. Mit dem flächen- und rohstoffintensiven motorisierten Individualverkehr ist eine Verkehrswende nicht machbar. Nulltarif und umweltgerechte Verkehrssysteme müssen das Auto verdrängen!

- Aufbau eines leistungsfähigen und engmaschigen öffentlichen Verkehrsnetzes mit intelligenten Zubringersystemen zu den Ein- /Ausstiegspunkten (Fahr- und Lastenräder/EBikes, Bürger*innenbusse, Ruf- Sammeltaxis usw.) unter Nutzung der freiwerdenden Autoverkehrsflächen und - einrichtungen.

- Mehr Fußgänger*innen"meilen" sowie attraktive Fahrradstraßen bis in und durch die Innenstädte, ebenso in den Stadtteilzentren und als Verbindung zwischen diesen bzw. zur Innenstadt, zu Naherholungsgebieten usw. Statt landschaftsfressender Neubauten sollten die freiwerdenden Autoverkehrsflächen und -einrichtungen dafür umgenutzt werden.

- Umbau weiterer freiwerdender Autoverkehrsflächen und -einrichtungen für städtebauliche Zwecke.

- Viele kleine Maßnahmen zur Verbesserung einer umwelt- und sozial gerechten Mobilität mit gleichen Zugangsmöglichkeiten vom Angebot an Lastenrädern bis zu besserer Mitfahrkoordinierung."

Für die Finanzierung sollten vorrangig diejenigen gewonnen werden, die wirtschaftliche Nutznießer*innen eines fahrscheinlosen öffentlichen Personenverkehrs wären, also Arbeitgeber*innen einschließlich dem öffentlichen Dienst, Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen, Theater, Kino, Freizeiteinrichtungen und Naherholung, vor allem aber kundenorientierte Firmen wie Läden, Supermärkte, Kaufhäuser und Dienstleister. Wie Beispiele in Frankreich zeigen, lassen sich erhebliche Teile der Kosten über Einsparungen bei der Autoinfrastruktur und Umlagen für die genannten Institutionen und Firmen abdecken. Weitere Einnahmen sind über ökologisch steuernde Beteiligungen der verbleibenden Autofahrten möglich.

Für Nulltarif und Verkehrswende soll es in den nächsten Monaten vielfältige Aktionen geben. Dafür laden Aktivist*innen aus der Projektwerkstatt für 17./18. März zu einem Ideenfindungs- und Planungstreffen ein, am 2.6. folgt in Kassel ein bundesweiter Ratschlag. Vorher kommt es am 15.3. in Gießen zu einem wichtigen Strafprozess, der klären soll, ob das sogenannte Aktionsschwarzfahren, bei dem Menschen mit Hinweisschild und Flugblättern fahrscheinlos in Bussen und Bahnen unterwegs sind, um für den Nulltarif zu werken, straffrei ist. Rundherum soll es vielfältige Aktionen und Veranstaltungen geben.


Hinweis:
Für Gießen ist eine Verkehrsutopie erarbeitet worden, die einen 7-Jahresplan in drei Stufen vorsieht, um die Infrastruktur so zu verändern, dass ein Nulltarif und eine autofreie Innenstadt möglich werden. Download des Planes und eines Infoblattes dazu über:
www.giessen-autofrei.tk

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Quelle:
Projektwerkstatt Saasen
Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen
E-Mail: saasen@projektwerkstatt.de
www.projektwerkstatt.de/saasen


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2018

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