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MELDUNG/003: Ausstellung - mittel- und rechtlos auf der Flucht (SB)


Auf gepackten Koffern - Leben in der Abschiebehaft

Ausstellung in der Berliner Humboldt-Universität vom 10. bis 31. Mai 2013


Links im Ausstellungsraum eine Wandtafel mit der Aufschrift 'Auf gepackten Koffern' - Foto: © 2013 by Tobias Baumann

Vernissage der Ausstellung "Auf gepackten Koffern - Leben in der Abschiebehaft" am 10. Mai 2013
Foto: © 2013 by Tobias Baumann

Die verzweifelte Lage geflohener Menschen, die aus Angst vor Gewalt, Folter oder sogar einer drohenden Tötung nach Deutschland kamen, wird hierzulande in Öffentlichkeit und Medien wenig thematisiert. Von wenigen Schlagzeilen über Asylbewerber, die sich in der Abschiebehaft das Leben genommen haben, einmal abgesehen, scheint ein allgemeines Desinteresse vorzuherrschen, das einen stillschweigenden Konsens zwischen Politik und Behörden, den zuständigen Gerichten sowie der sogenannten Mehrheitsgesellschaft befürchten läßt, sich dieser ungebetenen Gäste so schnell und unauffällig wie möglich wieder zu entledigen.

Seit vergangenem Jahr haben die Geflohenen selbst damit begonnen, gegen ihre in vielfältiger Hinsicht unerträgliche Situation zu protestieren, so gegen die ihnen auferlegte Residenzpflicht und die Unterbringung in abgelegenen Unterkünften, aber vor allem auch gegen die langjährige Ungewißheit mit der ständigen Gefahr, in Abschiebehaft genommen und tatsächlich auch abgeschoben zu werden. Die Protestierenden finden tatkräftige Unterstützung in zahlreichen Organisationen, die sich ihrerseits bereits seit vielen, vielen Jahren in der Flüchtlingssolidarität und -unterstützung engagieren.

Mit einer Wanderausstellung, die vom Berliner Flüchtlingsrat in Zusammenarbeit mit der Initiative gegen Abschiebehaft, Cimade Paris und Pro Asyl entwickelt und 2008 erstmals präsentiert wurde, soll einer breiten Öffentlichkeit die Situation der in Deutschland lebenden Flüchtlinge anhand von acht Interviews, die in der Abschiebehaft mit Betroffenen geführt wurden, näher gebracht werden. Unter dem Titel "Auf gepackten Koffern - Leben in der Abschiebehaft" ist die Ausstellung derzeit in der Berliner Humboldt-Universität zu sehen.

Sie thematisiert nicht nur die Suizidversuche in der Abschiebehaft. Auch die oftmals mangelnde medizinische Versorgung der Geflohenen wird zur Sprache gebracht wie auch die Praxis deutscher Behörden, sich zum Zwecke der Abschiebung die dafür erforderlichen Papiere bei ausländischen Vertretungen zu "besorgen", was bereits 2011 ein Verwaltungsgericht dazu veranlaßte in Erwägung zu ziehen, daß Vertreter afrikanischer Staaten möglicherweise gegen Bezahlung Gefälligkeitspapiere ausstellen könnten.

Texttafel zum Thema Suizidversuche in der Abschiebehaft - Foto: © 2013 by Tobias Baumann

Suizid in Abschiebehaft - ein tragisches Beispiel von vielen
Foto: © 2013 by Tobias Baumann

Wenig bekannt in der bundesdeutschen Öffentlichkeit dürfte auch die Tatsache sein, daß den Inhaftierten die Kosten ihrer Abschiebehaft, je nach Bundesland zwischen 42 und 167,82 Euro pro Tag, aufgebürdet werden. Aufgrund ihrer mangelnden finanziellen Mittel sind sie häufig nicht in der Lage, ihre Inhaftierung juristisch überprüfen zu lassen - was durchaus Aussicht auf Erfolg hätte, weil in rund einem Drittel der Fälle die Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft festgestellt wird.

Von seiten der Europäischen Union ist kaum eine Verbesserung der Lage der Geflohenen zu erwarten. In einer Rückführungsrichtlinie von 2009 wurde die Höchstdauer der Abschiebehaft auf 18 Monate festgesetzt, was die maximale Dauer in vielen EU-Staaten sogar noch verlängerte. Zudem plant die EU mit einer neuen Asyl-Aufnahmerichtlinie, die in vielen Staaten bereits praktizierte systematische Inhaftierung auf eine verbesserte rechtliche Grundlage zu stellen, wobei sogar Abschiebehaft gegen Kinder und Jugendliche vorgesehen ist.

Noch bis zum 31. Mai 2013 kann die Ausstellung in der Berliner Humboldt-Universität besucht werden. Die Wanderausstellung ist insbesondere für Schulen und Jugendeinrichtungen geeignet und kann beim Berliner Flüchtlingsrat (Tel. 030/24344-5762) ausgeliehen werden.

Angaben zur Ausstellung:

Humboldt-Universität zu Berlin
Foyer, Seminargebäude am Hegelplatz, Dorotheenstr. 24, 10117 Berlin
(S/U-Bahnhof Friedrichstraße, Tram: M1, 12, Bus: 100, 200, TXL)

Öffnungszeiten:
8. Mai - 31. Mai 2013
Montag bis Samstag, 8.00-20.00 Uhr

14. Mai 2013