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INTERVIEW/151: Klimagegengipfel - Front aller Orten ...     Nataanii Means und Rafael Gonzales im Gespräch (SB)



"Völlig unbeachtet bei der positivistischen Geschichtsbetrachtung der Begegnung dieser beiden Kulturen bleibt immer die Tatsache, daß der weiße Mensch unaufgefordert, ungewünscht, ungefragt und ohne Rücksicht auf die vorhandenen Gegebenheiten seinen Fuß auf ein fremdes Land und einen fremden Lebensraum setzte. In keiner Weise wirft sich die Frage auf, ob nicht der Eindringling nur dann ein freundlicher Besucher gewesen wäre, wenn er sich vollständig der Kultur der Indianer unterworfen hätte. Immer wird diese Frage aus der gegenläufigen Richtung problematisiert."
(Kriegskunst der Indianer? Teil 1, von Helmut Barthel [1])


Porträt, schwarz-weiß, plakativ verfremdet - Foto: © 2017 by Schattenblick

Nataanii Means
Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Indianerkämpfe Nordamerikas sind alles andere als abgeschlossen. Im Laufe der rund 500 Jahre langen Unterdrückungsgeschichte durch die weißen Invasoren wurden die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner des Landes entrechtet, bekriegt und dramatisch dezimiert. Die wenigen Überlebenden wurden kulturell entwurzelt, politisch kaltgestellt und räumlich in Reservate getrieben, in der viele ihrer Nachfahren noch heute leben.

Manchmal bekommen die Indigenen auch gewisse Rechte zugestanden, doch genauso willkürlich werden sie ihnen auch wieder abgesprochen, wenn angeblich höheren Rechten Geltung verschafft werden muß, sprich: wenn es anderen Interessen dient. Beispielsweise den Profiterwartungen von Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft. So wie in Kanada, wo das Unternehmen Enbridge Ölpipelines und -Terminals baut und Kinder Morgan die Trans Mountain Pipeline durch indigene Territorien errichtet - gegen den Willen und Widerstand ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.

Oder wie im US-Bundesstaat Nord-Dakota, wo sich im vergangenen und in diesem Jahr Bulldozer durch das heilige Land der Indigenen nördlich der Standing Rock Indian Reservation gewühlt haben, um Platz für die Dakota Access Pipeline (DAPL) zu schaffen. Denn was kümmert den weißen Mann das heilige Land der Ureinwohner, wenn er die von ihm wie ein Heiligtum verehrte Wirtschaftsordnung mit ihrer Sinn verleihenden Doktrin von Wachstum und Zerstörung in Frage gestellt sieht?

Jene Pipeline des Unternehmens Energy Transfer Partners verbindet das Bakken-Ölfeld im Westen Nord-Dakotas mit dem Bundesstaat Illinois. Die Route verläuft unter dem Oahesee hindurch, dessen Wasser für die Trinkwasserversorgung der Reservatbevölkerung unverzichtbar ist. Eine Leckage zöge katastrophale Folgen nach sich. Das ist einer der Gründe, warum sich im April vergangenen Jahres bis Anfang 2017 "Water Protectors" - Wasserschützer - dem Bau der Pipeline entgegenstellten. Ein anderer Grund ist die vollkommene Mißachtung der Bedeutung von Gebieten, in denen die Ahnen der Indigenen bestattet wurden.

Zudem war bekannt geworden, daß ein alternativer Trassenverlauf nahe der vornehmlich von Weißen bewohnten Stadt Bismarck nach Protesten der dortigen Bevölkerung fallengelassen und statt dessen jene umstrittene Linienführung nördlich der Standing Rock Reservation ausgewählt worden war. "Umweltrassismus" lautete der Vorwurf wegen dieser Entscheidung, was die Stadtverwaltung Bismarcks natürlich entschieden zurückwies.

Nicht zuletzt die harte Reaktion von Polizei- und Sicherheitskräften gegen die Indigenen hatte zu einer Massenmobilisierung geführt. Im Sommer und Herbst 2016 waren viele tausend Menschen zu mehreren Protestlagern in Nord-Dakota zusammengeströmt, um gegen den Bau der Dakota Access Pipeline zu protestieren. Mehr als 100 indigene Stämme waren vertreten - ein bedeutender Zusammenschluß auch von Stämmen und indigenen Interessengruppen, die in der Vergangenheit nicht immer gut aufeinander zu sprechen waren. Hatte noch Barack Obama den Bau der Pipeline vorübergehend ausgesetzt, war es sein Nachfolger Donald Trump, der als eine seiner ersten Amtshandlungen den Auftrag gab, das Projekt so zügig wie möglich voranzubringen.


Porträt, schwarz-weiß, plakativ verfremdet - Foto: © 2017 by Schattenblick

Rafael Gonzales, alias Tufawon
Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Standing-Rock-Proteste wurden weltweit rezipiert und werden sicherlich als ein bahnbrechendes Ereignis der indigenen Kämpfe in die Geschichte eingehen. Aber, wie gesagt, die Geschichte der Repression ist älter und sie endet selbstverständlich auch nicht damit, daß inzwischen Tatsachen geschaffen wurden und Öl durch die Dakota Access Pipeline gepumpt wird. Sollte eines Tages das Ende der fossilen Energiewirtschaft eingeläutet und auch die DAPL stillgelegt werden, wie es von den Protestierenden der Standing Rock Camps gefordert worden war, so wird aller Voraussicht nach auch das nicht der letzte Tag sein, an dem die Indigenen Nordamerikas Repressionen ausgesetzt werden. Der Konflikt ist älter, der Streit noch grundsätzlicher, als daß er durch die Abschaffung eines bestimmten Energiesystems beendet werden könnte.

Die von den Indigenen der USA initiierten und später von umweltbewegten und anderen Personen und Interessengruppen geführten Kämpfe von Standing Rock waren auch häufiger Thema auf dem People's Climate Summit, jenem Klimagegengipfel, der vom 3. - 7. November 2017 in Bonn veranstaltet wurde. Daran nahmen die beiden Wasserschützer und Hip-Hopper Nataanii Means (Oglala Lakota/Omaha/Diné) und Rafael Gonzales (Dakota/Puerto Rican), alias Tufawon, teil. Beide hatten monatelang im Protestcamp der Standing Rock Reservation gelebt.

Der 26jährige Means aus Chinle, Navajo Nation in Arizona, ist Sohn eines der Gründungsmitglieder der American Indian Movement, des Indianerführers und Schauspielers Russell Means. Der Hip-Hopper und Rapper Tufawon wiederum hat seine erste Scheibe, "Schwag", im Februar 2013 veröffentlicht. Am Rande des People's Climate Summit in Bonn sprach der Schattenblick mit den beiden Wasserschützern insbesondere über die Zeit "nach Standing Rock".


Pipeline im Bau, Einzelrohre schon in einem Bogen ausgelegt. Im Hintergrund ein Bagger, weiter vorne aufgeworfene Erde und Schutt - Foto: Carl Wycoff, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/], bearbeitet durch Schattenblick

Die Lakota Sioux nennen sie die "schwarze Schlange", die laut einer Prophezeiung in ihr Stammesgebiet eindringt und Verderben bringt: Die Dakota Access Pipeline schlängelt sich durch Zentral-Iowa zwischen den Bezirken Southern Story und Northern Polk.
Foto: Carl Wycoff, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/], bearbeitet durch Schattenblick

Schattenblick (SB): Was waren die nächsten Schritte des Widerstands, nachdem die Dakota Access Pipeline zu Ende gebaut worden war?

Nataanii Means (NM): Die nächsten Schritte bestanden darin, die Divestmentkampagne fortzusetzen, um den verantwortlichen Unternehmen für die Pipelines die Finanzierung zu entziehen. Das betrifft nicht nur die Leitungen für den Erdöltransport, sondern auch für die Gasinfrastruktur und den Teersandabbau in Kanada. Die Kampagne zeigt große Erfolge. Inzwischen hat eine Vielzahl von Banken zig Milliarden Dollar aus laufenden und zukünftigen Extraktionsprojekten und vom Bau der Pipelines herausgezogen. Wichtig ist mir aber auch die Arbeit an der Frontlinie. Die darf man nicht vernachlässigen, sie ist dringend erforderlich, wenn man große Unternehmen aus der fossilen Energiewirtschaft bekämpft.

SB: Vor einiger Zeit wurde berichtet, daß kanadische Indigene auf der geplanten Trassenführung zur Erweiterung der Trans-Mountain-Pipeline in Kanada zehn Hütten errichten wollten. Wäre das die Art eurer Kämpfe?

Rafael Gonzales (RG): Es handelt sich im Grunde genommen um den gleichen Gegner. Es verbindet eine Vielzahl Indigener miteinander, daß die Trans Mountain Pipeline durch verschiedene, große Gebiete verläuft, in denen sie leben. Wie Nataanii halte ich Divestment für eine starke Waffe. Wir haben aber auch über verschiedene Taktiken und wie wir Strategien und Mittel auf ganz unterschiedliche Weise entwickeln zu sprechen. Manchmal verfolgen die Leute innerhalb der Bewegungen ihre eigenen Strategien und bringen sich in eine Harakiri-Lage, so daß sie das Gefühl haben, ihre Strategie sei besser als die der anderen. Ich bin der Meinung, daß wir all die verschiedenen Arten zu kämpfen stärken müssen. Eine der Fronten verläuft im Norden Minnesotas, eine andere bei der Pipeline in Kanada. Es sind die gleichen Leute, die die Pipeline von den Bakken-Ölfeldern nach Nord-Dakota bauen.

Ich stamme aus Minnesota. Im Norden des Landes, auf dem Territorium der Anishinabe, wurde gerade jetzt wieder ein Frontline Camp zur "Line 3" eröffnet. Minnesota hat mehr als 10.000 Seen. Diese Pipeline gefährdet auch die Quellgebiete des Mississippi, des größten Flusses Nordamerikas, und ebenfalls die Anbauflächen von wildem Reis. Die Leute dort oben sind bereit, die Frontkämpfer der Wasserschützer zu mobilisieren, damit sie sich dem Projekt entgegenstellen. Das ist eine weitere, sehr effektive Strategie.

NM: Unsere Freundin Kanahus Manuel und ihr Team sind verantwortlich für den Bau jener kleinen Häuser. Das gehört zu ihrer Taktik, sich den Pipelineprojekten in den Weg zu stellen. Es geht ihnen aber ebenso darum, eine nachhaltig lebende Gemeinschaft aufzubauen, die absolut verläßlich, unabhängig und mit sich im Reinen ist. Sie werden das Land zurücknehmen, es nutzen und natürlich auch die Pipeline bekämpfen. Da werden also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Vor einigen Wochen war Kanahus Manuel ebenfalls nach Europa gereist. Gemeinsam mit unserem Freund Cedar George besuchten sie Paris, Genf und Zürich. Dort waren sie mit Managern von Credit Suisse zusammengetroffen, um sie zum Divestment zu bewegen. Credit Suisse ist der größte europäische Finanzier von Extraktionsprojekten in Kanada. Bestimmte Banken wie BNP Paribas und US Bank haben bereits mehrere Milliarden Dollar von Pipelinebetreibern wie Enbridge und Energy Transfer Partners abgezogen. Diese beiden Banken haben sich komplett auch von jeder irgendwie gearteten zukünftigen Förderung von Extraktionsprojekten zurückgezogen - von der Schändung unserer Erde, unserer Mutter.

SB: Wie geht es Red Fawn, die bei den Kämpfen gegen die Dakota Access Pipeline verhaftet wurde? Sitzt sie immer noch in Untersuchungshaft?

NM: Red Fawn ist meine Cousine. Ihre Mutter, Troy Lynn, hat sich enorm für die American Indian Movement in Colorado eingesetzt. Red Fawn wiederum ist eine Jugendarbeiterin. Wir waren am selben Tag verhaftet worden, das war am 27. Oktober 2016. Sogar noch über den 1. Jahrestag hinaus wurde sie weggeschlossen.

SB: Ist eine so lange Zeit in Untersuchungshaft normal für die Verhältnisse in den USA?

NM: Sie suchen sich bestimmte Leute und Bewegungen aus, um an ihnen ein Exempel zu statuieren. Beispielsweise Leonard Peltier, der in den 70er Jahren an einer Schießerei mit FBI-Agenten in Oglala beteiligt war. Red Fawn geht es dennoch gut, sie schlägt sich tapfer. Ich höre häufiger was von ihr, sie hat ein Handy, über das wir Nachrichten hin- und herschicken. Im Dezember wird ihr Prozeß eröffnet. Bis dahin ist es nicht mehr lang hin. Wir beten für sie. Das Gerichtssystem ist nicht immer der beste Freund der amerikanischen indigenen Bevölkerung. Aber sie wird von einem hervorragenden Anwaltsteam unterstützt, das vorher an wichtigen Prozessen beteiligt war.


Foto in schwarz-weiß, plakativ verfremdet: Trump sitzt mit gezücktem Schreiber vor Papieren auf einem Schreibtisch, um ihn herum stehen seine Beraterinnen und Berater - Foto: Office of the President of the United States, bearbeitet durch Schattenblick

Am 24. Januar 2017 unterzeichnet Donald Trump in einem für die Medien inszenierten Beisein seiner Entourage das Dekret zum Weiterbau der Pipelines Dakota Access und Keystone XL.
Foto: Office of the President of the United States, bearbeitet durch Schattenblick

SB: Ist ein Wandel in der Stimmung der Bevölkerung, auch der indigenen Gemeinschaften, zu spüren, seitdem Trump Präsident der USA ist?

RG: Ich habe den Eindruck, daß es einen Stimmungswandel unter bestimmten Communities gibt, die allmählich ein gewisses Unbehagen verspüren. Viele Leute sehen ihre Privilegien gefährdet und stellen sich darauf ein. Donald Trump ist bestrebt, jede Community anzugreifen, mit Ausnahme die der abgefütterten, weißen Männer. Ich sehe so viele verschiedene Communities, die dagegen angehen und anfangen, sich zusammenzuschließen. Für die Indigenen jedoch macht das keinen Unterschied, wir haben die gleiche Repression unter Obama und den vielen anderen früheren Präsidenten erlebt. Die sind dafür da, um als Marionette die gleichen imperialistischen, kolonialistischen Ideen wie eh und je durchzusetzen. Sie zeichnen sich schon seit 500 Jahren durch solche Unredlichkeiten aus. Wenn also die Leute nun einen Stimmungswandel erleben, kann ich nur sagen: Willkommen im Club!

Das Ganze könnte aber auch etwas Gutes haben, es könnte ein Segen sein. Denn jetzt muß etwas passieren, die Welt befindet sich in einem kompletten Wandel. Wir brauchen eine echte Revolution. Zu der wird es niemals kommen, solange wir solche Politiker haben, die durch ihre Entscheidungen Bedingungen schaffen, die nur einer bestimmten Gruppe von Leuten zugute kommt, während der Rest weiter darunter leidet.

Wäre beispielsweise Hillary Clinton Präsidentin geworden, hätte sich die Lage vielleicht für weiße Frauen und weiße Feministinnen verbessert - ich sage, vielleicht -, aber indigene Frauen hätten weiterhin unter ihrer Politik gelitten. Warum? Weil sich Clinton nicht gegen die Dakota Access Pipeline ausgesprochen hat. Woraus folgt, daß sie sich nicht für die indigenen Frauen interessiert, die in irgendeiner Form auf das Wasser, das nun gefährdet ist, angewiesen sind. Sie hat sich nicht dagegen gewandt, sie kümmert sich nur um eine bestimmte Gruppe von Frauen, insbesondere weißen Frauen. Die hätten vielleicht etwas davon gehabt, wenn es Clinton geschafft hätte. Aber für indigene Communities und viele andere Communities im ganzen Land hätte es keinen Unterschied gemacht, wer Präsident wird.

SB: Die Indigenen-Bewegung und die Bewegung Black Lives Matter stehen jeweils für Minderheiten, die seitens der weißen Mehrheitsgesellschaft Repressionen erfahren. Arbeiten diese Bewegungen zusammen?

NM: Es hat schon immer eine Verbindung zwischen unseren beiden Communities gegeben. Geht man zurück in die Zeit der Sklaverei, so stellt man fest, daß wir eine Vielzahl von entflohenen Sklaven in unseren Stämmen aufgenommen und ihnen geholfen haben zu entkommen. Wir Indigenen waren die ersten Sklaven, bis man die Sklaven über den Atlantischen Ozean gebracht hat. Ganze Communities von Indigenen und Schwarzen kamen zusammen, die Black Panthers und die American Indian Movement und die Civil Rights Movements, die in den 50er, 60er und 70er Jahren entstanden.

Noch heute unterhalten wir eine sehr enge Verbindung. Als wir uns in den Standing Rock Camps versammelten, um den Bau der North Dakota Access Pipeline zu verhindern, hatten uns die Black Panther Cubs - die Teil der Black Panthers sind - und die Black-Lives-Matter-Bewegung besucht. Beide zeigten sich solidarisch mit uns und unserem Kampf für den Erhalt sauberen Wassers. Umgekehrt stehen wir an ihrer Seite gegen die Polizeibrutalität. Denn davon sind nicht nur sie betroffen, sondern wir ebenfalls. Das verdeutlicht die Statistik. In den USA werden indianische Männer im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil überdurchschnittlich häufig von der Polizei erschossen. In unserem eigenen Land. Deshalb stehen wir zu der Schwarzen-Bewegung und sie zu uns. Das ist wie mit der Brown-Berets- und der Chicano-Bewegung. Letztlich gilt das für jede Art von Minderheitengruppe, die ungerecht behandelt und unterdrückt wird. Sie stehen zusammen.

Was Trump angeht, so kulminiert nun in ihm dieses ganze Modell der Tyrannei, dieser ganze üble Kataklysmus, für den Amerika steht. Der ganze Rassismus, der ganze beschissene Haß, die ganzen kapitalistischen Ideen, das ist das, was Amerika ausmacht, und alle spüren inzwischen jene Übelkeit, die wir bereits seit 500 Jahren empfinden. Wie gesagt, das ist für uns nichts Neues. Wir versuchen, die Leute aufzuwecken, und wenn sie schließlich aufgewacht sind, sagen wir: Laßt uns etwas unternehmen, packen wir es an, laßt uns die Erde retten!

SB: Willkommen in der Realität.

NM: Willkommen im Reservat! So fühlt es sich auch heute noch an, wenn man dort lebt: Von der Nahrung entzogen, der Rechte entzogen, entzogen auch von jeglicher Souveränität. Du lebst in einem Reservat, überall in Amerika und Kanada.

SB: Verarbeitet ihr das, was ihr nach der Auflösung der
Standing-Rock-Lager erlebt habt, in neuen Songs?

NM: Unsere Songs reflektieren die Realität, deshalb schreiben wir natürlich laufend neue Songs. Sie drehen sich darum, wie ich empfinde, um dadurch die Aufmerksamkeit eines jungen Menschen im Reservat zu gewinnen ... oder eines alten Mannes in Deutschland! (lacht) Ich bin immer am Schaffen. Mein Freund macht die Rhythmen. Er ist Musiker und spielt die Bomba Drums.

RG: Was die Musik betrifft: Ja, ich mache neue Songs und arbeite an einer EP. Die ist nahezu komplett. Ich habe schon die Masters fertig, sie soll demnächst rauskommen. Das meiste davon habe ich selbst produziert, habe all die Raps geschrieben und mich auch selbst aufgenommen. Der Titel der EP lautet "Self Care". [2] Es geht dabei um meine Reflexionen und meine Zeit, in der ich in diesen Bewegungen gekämpft habe und wie ich von all den verschiedenen Dramen höre; sowie unseren Erfahrungen, nicht nur im Alltag, sondern auch an der Frontlinie. Ebenfalls geht es um unsere Erfahrung, in dieser Gesellschaft zu den Indigenen zu gehören. Für mich ist Musik immer wie eine Heilung, es bringt mich an einen Ort, an dem ich mich wohl fühle. Das ist meine Freiheit. Wenn ich auf der Bühne stehe und Musik mache, ist das meine Freiheit. Ich bin richtig gespannt darauf, mein nächstes Projekt zu veröffentlichen.

NM: Ich habe auch ein neues Projekt, das nennt sich "Workout Balance". Dabei geht es mehr um die persönliche Sicht auf die Dinge, wie es ist, als indigener Mann auf der Suche nach der Balance mit sich selbst durch all die Hochs und Tiefs zu gehen.

SB: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Means und Gonzales, jeweils mit einem Mikro ausgestattet, und eine Gruppe von knapp zwei Dutzend Waldbesucherinnen und -besuchern, die sich im Halbkreis um die Musiker aufgestellt haben, recken die Fäuste - Filmstill: © Isus Chang Youtube-Kanal, bearbeitet durch Schattenblick

Fronten eröffnen, hüben wie drüben - Nataanii Means (links, mit dem Rücken zur Kamera) und Rafael Gonzales (rechts) bei einer Hip-Hop-Performance am 5. Juni 2017 bei der Waldbesetzung im Hambacher Forst
Filmstill: © Isus Chang Youtube-Kanal, bearbeitet durch Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.de/infopool/ma/theorie/kriegs-1.html

[2] Die EP ist am 16. November 2017 und damit zehn Tage, nachdem das Interview geführt wurde, erschienen: https://tufawon.bandcamp.com/


Bisher im Schattenblick unter BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT zum People's Climate Summit (PCS) in Bonn, mit dem kategorischen Titel Klimagegengipfel versehen, erschienen:

BERICHT/097: Klimagegengipfel - Demo der Gemäßigten ... (SB)
BERICHT/101: Klimagegengipfel - Kernenergie schon gar nicht ... (SB)
BERICHT/102: Klimagegengipfel - Erdgas, keine Option ... (SB)
BERICHT/103: Klimagegengipfel - gemeinsam marschieren, getrennt schlagen ... (SB)

INTERVIEW/135: Klimagegengipfel - Kafkaeske Weisheiten ...     Uwe Hiksch im Gespräch (SB)
INTERVIEW/136: Klimagegengipfel - Störfall Wirtschaft und Energie ...     Dipti Bathnagar im Gespräch (SB)
INTERVIEW/139: Klimagegengipfel - nur noch wenig Zeit ...     Franziska Buch im Gespräch (SB)
INTERVIEW/140: Klimagegengipfel - agrarindustrielle Fleischproduktion abschaffen ...     Matthias Ebner im Gespräch (SB)
INTERVIEW/142: Klimagegengipfel - Eskalation und Gegenwehr ...     Jonas Baliani (Ende Gelände) im Gespräch (SB)
INTERVIEW/143: Klimagegengipfel - wider besseren Wissens ...     Makereta Waqavonovono im Gespräch (SB)
INTERVIEW/144: Klimagegengipfel - die auf der Strecke bleiben ...     Barbara Unmüßig im Gespräch (SB)
INTERVIEW/145: Klimagegengipfel - integrative Linksdiskussion ...     Dagmar Enkelmann im Gespräch (SB)
INTERVIEW/146: Klimagegengipfel - Antikernkraft und der lange Marsch ...     Don't-Nuke-the-Climate!-Aktive im Gespräch (SB)
INTERVIEW/147: Klimagegengipfel - umgelastet ...     Titi Soentoro im Gespräch (SB)
INTERVIEW/148: Klimagegengipfel - Flucht, Gewalt und Frauenelend ...     Samantha Hargreaves im Gespräch (SB)
INTERVIEW/149: Klimagegengipfel - demokratische Ergebnisnot ...     Sean Sweeney im Gespräch (SB)
INTERVIEW/150: Klimagegengipfel - Gas geordert, Stopp gefordert ...     Frida Kieninger und Andy Gheorghiu im Gespräch (SB)

3. Dezember 2017


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