Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TICKER

FLUCHT/026: Kessel Nahost - Verwiesen, vergessen, verloren (SB)


Flüchtlingsproteste in Tunesien - 23. April 2013

Flüchtlinge ohne Trinkwasser im Lager Choucha



Am 18. April richtete das "Forum Tunisien pour les Droits Economiques et Sociaux" (FTDES, Tunesisches Forum für ökonomische und soziale Rechte) einen dringenden Appell an die Öffentlichkeit [1], um auf die katastrophale Lage hunderter Flüchtlinge im Camp Choucha aufmerksam zu machen. Vorausgegangen war dieser Initiative am Tag zuvor ein Besuch des FTDES im Sektor E des vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) vor über zwei Jahren eingerichteten Wüstenlagers, das im Juni endgültig geschlossen werden soll.

Nach Angaben von PRO ASYL halten sich in dem Lager rund 400 Flüchtlinge auf, die vom UNHCR anerkannt, aber aus formalen Gründen noch nicht in das sogenannte Resettlement-Verfahren, das ihnen die Aufnahme in einen sicheren Drittstaat ermöglichen würde, aufgenommen wurden. [2] Im Lager Choucha leben weitere über 200 Menschen, denen das UNHCR den Flüchtlingsstatus verwehrt hat. Ihre bereits seit Oktober vergangenen Jahres schwierige Lage - sie werden nicht mehr mit Nahrungsmitteln versorgt und medizinisch betreut - hat sich in den letzten Wochen dramatisch verschärft, da sie nun auch keinen Zugang zu Trinkwasser mehr haben.

Nach Angaben des FTDES sind die Flüchtlinge seit dem 21. März von Stromabschaltungen und Wasserknappheit betroffen, weshalb die tunesische Hilfsorganisation eine Gefährdung aller Lagerbewohnerinnen und -bewohner befürchtet. In dem Wüstenlager gibt es zwei verschiedene Wassersysteme - eines mit Trinkwasser und eines mit Wasser, das nur für die Toilette und zum Waschen verwendet werden kann - mit Zisternen unterschiedlicher Größe. Beiden Systemen ist allerdings gemein, daß sie von elektronischen Pumpen in Betrieb gehalten werden.

In dem etwas abseits der übrigen Lagerbauten gelegenen Sektor E leben überwiegend die nicht anerkannten Flüchtlinge. Alle übrigen sehen sich inzwischen gezwungen, in einen der anderen Sektoren des Lagers auszuweichen, da es in Sektor E weder trinkbares noch nicht-trinkbares Wasser mehr gibt. Wie Abderrahmane Hedhili, der Präsident des tunesischen Forums, in seinem Appell darlegte, ist es nach Aussagen der Flüchtlinge am 22. oder 23. März infolge von Stromabschaltungen zu Problemen mit dem Wasser gekommen, weil die elektrischen Pumpen nicht mehr arbeiten konnten. Nach Angaben mehrerer Zeugen seien ab dem 24. oder 25. März als erstes die Zisternen mit nicht-trinkbarem Wasser im ganzen Lager erschöpft gewesen, weshalb die Menschen gezwungen gewesen wären, Trinkwasser auch für andere Zwecke zu verwenden.

Ab dem 5. April, so sei zu erfahren gewesen, hätte es dann im Sektor E auch kein Trinkwasser mehr gegeben. Die Bewohner des gesamten Lagers, auch die aus diesem Sektor, hätten sich auf eine einzige Wasserstelle am nordöstlichen Rand des Lagers konzentriert. Das Wasser mußte rationiert werden. Bis auf diese eine Ausnahme sind den Angaben zufolge etwa seit dem 11. April alle Trinkwasserstellen des Lagers ohne Wasser. Am 14. April versiegte auch diese Stelle. In Sektor E wie auch in Sektor A gab es kein Trinkwasser mehr. Das FTDES befürchtet, daß die Situation in den übrigen Sektoren nicht besser ist, da niemand berichtet hätte, sich aus einem der anderen Sektoren mit Wasser versorgen zu können.

Zwischen dem 14. oder 17. April hätten die Flüchtlinge in Sektor E überhaupt kein Wasser gehabt, so Abderrahmane Hedhili [1]. Am 16. April hätte die eine, für das gesamte Lager verbliebene Wasserstelle noch Wasser geführt, doch am 17. April, dem Tag ihres Besuchs, hatten die Flüchtlinge gegen 12.00 Uhr dort die letzten Liter entnommen. Nun ist auch diese Zisterne leer. Demnach gibt es im gesamten Lager weder trinkbares noch sonstiges Wasser.

In den den anerkannten Flüchtlingen vorbehaltenen Sektoren A, B, C und D hätte es zum Zeitpunkt des Besuches noch Elektrizität gegeben, nicht jedoch in Sektor E. Wie das Tunesische Forum weiter berichtete, hätten viele Menschen, da sie nun Kerzen verwenden würden, Angst, daß ein Feuer ausbrechen könnte. Solche Unglücke habe es in der Vergangenheit schon gegeben.

Bis zum heutigen Zeitpunkt sind keine weiteren Informationen verfügbar, wie sich die Lage der rund 200 Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser und Nahrungsmitteln weiterentwickelt hat.


Fußnoten:

[1] http://ffm-online.org/wp-content/uploads/2013/04/AppelUrgentChoucha.pdf

[2] http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/tunesien_hungerstreik_von_fluechtlingen_aus_choucha/

23. April 2013