Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TERRE DES FEMMES

LÄNDERBERICHT/123: Kampf gegen Genitalverstümmelung in Burkina Faso (frauensolidarität)


TERRE DES FEMMES in der frauensolidarität - Nr. 115, 1/11

Immer mehr Dörfer schließen sich an
Kampf gegen Genitalverstümmelung in Burkina Faso

Von Regine Bouédibéla und Saskia Bastian


Über 32.000 Mädchen in Burkina Faso konnten seit 1998 durch den Einsatz des Vereins "Bangr Nooma" vor der weiblichen Genitalverstümmelung bewahrt werden. Immer mehr Dörfer schließen sich dem Kampf gegen Genitalverstümmelung an und wollen mit dem Verein zusammenarbeiten. TERRE DES FEMMES unterstützt das Projekt seit über zehn Jahren.


Im November 2010 besuchte die TDF-Projektkoordinatorin Regine Bouédibéla Bangr Nooma. Gemeinsam mit der Leiterin des Projekts, Rakieta Poyga, reiste sie vor Ort in die Dörfer, die sich der Aufklärungskampagne angeschlossen haben.


Der Verein Bangr Nooma

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge sind über 70 Prozent der Mädchen und Frauen im westafrikanischen Burkina Faso an ihren Genitalien verstümmelt. Zwar setzt sich mittlerweile auch die Regierung des Landes gegen Genitalverstümmelung ein, doch fehlen die Mittel für landesweite Kampagnen und Schulungen. Zusammen mit anderen Frauen in ihrem Dorf ergriff Rakieta Poyga 1998 die Initiative und gründete den Verein "Bangr Nooma", was bedeutet: "Es gibt nichts Besseres als Wissen." Die Arbeit der Aufklärungskampagnen geht jeweils über drei Jahre. In der ersten Phase versuchen die Bangr-Nooma-MitarbeiterInnen, die Dorfchefs für ihr Anliegen zu gewinnen. Stimmen diese zu, werden eine Frau und ein Mann aus dem Dorf zur Animateurin und zum Animateur ausgebildet. Diese versuchen dann in intensiven Gesprächen mit der Dorfbevölkerung das Tabu um die Genitalverstümmelung zu brechen. Die Kampagne richtet sich auch an die Beschneiderinnen: Bangr Nooma bietet ihnen Umschulungen an, damit sie nicht aus finanzieller Not an der Genitalverstümmelung festhalten. Im weiteren Verlauf der Kampagne wird dann ein Dorfkomitee gegründet, das zusammen mit ehemaligen Beschneiderinnen darüber wacht, dass Mädchen nicht weiterhin heimlich beschnitten werden. Über 300 ausgebildete Frauen und Männer sind mittlerweile für den Verein unterwegs und fahren zu den Menschen in die Dörfer, um mit ihnen über weibliche Genitalverstümmelung zu sprechen. Für ihre Arbeit stellt ihnen Bangr Nooma ein Fahrrad oder ein Mofa zur Verfügung, damit sie die oft abgelegenen Dörfer besser erreichen. Der Lohn für diesen Einsatz beträgt umgerechnet zwischen 20 und 40 Euro im Monat.


Immer mehr Dörfer schließen sich an

Zusammen mit Rakieta Poyga und weiteren Bangr-Nooma-MitarbeiterInnen besuchte Regine Bouédibéla zunächst das etwa 4.000 Einwohner zählende Dorf Polosgo. Dort berichteten die Frauen, sie hätten durch Bangr Nooma erkannt, dass es sich bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien um eine schädliche Praktik handelt, die zu Unfruchtbarkeit oder Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr führen könne und die auch die Ausbreitung von HIV fördere. Doch für manche tun sich neue Probleme auf: "Jetzt lieben die Männer die unbeschnittenen Frauen, und wir beschnittenen Frauen leiden, weil sie uns verlassen und vernachlässigen, ganz einfach deshalb, weil wir ihnen keine Lust bereiten können." Der Gemeinderat des Dorfes versprach, sich gegen die Praktik der Beschneidung einzusetzen. Eine der anwesenden Frauen bekräftigte: Im Fall einer weiteren Beschneidung würde sie diese beim Gemeinderat und beim Sozialdienst oder der Polizei anzeigen. Es fand auch ein Treffen mit dem Leiter der örtlichen Gesundheitsstation statt, der erklärte, dass es im Einzugsbereich der Gesundheitsstation durchschnittlich 1.000 Krankheitsfälle im Monat gebe - viele davon Malaria und Durchfallerkrankungen. Er berichtete weiter, dass Genitalverstümmelungen manchmal heimlich oder in weiter entfernten Dörfern durchgeführt würden. Auch würden immer mehr Mädchen bereits als Kleinkinder beschnitten. Insgesamt gehe die Zahl der Beschneidungen jedoch eindeutig zurück. In Songdin, einem weiteren Dorf, das mit Bangr Nooma zusammenarbeitet, wurden Regine Bouédibéla und Rakieta Poyga von den EinwohnerInnen willkommen geheißen. In dem 2.000 EinwohnerInnen zählenden Dorf gibt es schon mehrere Dorfkomitees, die darüber wachen, dass keine Mädchen mehr beschnitten werden. Die EinwohnerInnen erklärten, dass sie ihre Mädchen früher beschnitten, da ihnen die Folgen dieser Praktik nicht klar waren. Die Mädchen waren in der Regel sieben Jahre alt, manchmal auch jünger. Durch die Sensibilisierungsarbeit von Bangr Nooma setzt sich die Bevölkerung inzwischen jedoch kritisch mit den Folgen von Genitalverstümmelung auseinander.


Auch Kirchengemeinden machen mit

Im Dorf Yagma sprachen die VertreterInnen von Bangr Nooma und Regine Bouédibéla mit den Anhängern der "Gemeinschaft Gottes". Eine der Zuhörerinnen berichtete von ihrer eigenen Tochter, die gerade die Folgen der Beschneidung erlebe, die Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr und den zwingenden Kaiserschnitt bei der Geburt. Der Pfarrer fragte, ob Bangr Nooma Frauen helfen könne, die aufgrund der Genitalverstümmelung inkontinent geworden seien. Rakieta Poyga konnte aufklären, dass der Verein auch Frauen unterstützt, die wegen der Folgen der Verstümmelung eine Operation brauchen. Wie viele andere Dörfer in der Umgebung leidet auch Yagma unter einer hohen Analphabetenrate. Die nächsten Schulen sind weit entfernt. Einige der Kinder können in der Stadt zur Schule gehen, andere wiederum müssen einen Weg über 15 Kilometer zurücklegen. Viele Frauen äußerten den Wunsch nach einem Bildungszentrum. Rakieta Poyga antwortete, dass für ein solches Zentrum viele Mittel benötigt würden. Bangr Nooma könne aber einen zweimonatigen Alphabetisierungskurs für Frauen organisieren.


Unterstützung durch den Imam

Auch im Dorf Roumtenga fand ein Austausch zwischen Bangr Nooma und den DorfbewohnerInnen statt. Die Animateurin von Bangr Nooma ergriff die Gelegenheit, um mit den anwesenden DorfbewohnerInnen über Genitalverstümmelung zu sprechen. Im regen Austausch stellte einer von ihnen die Frage, ob Beschneidung nur in Afrika praktiziert werde oder auch in Europa. Regine Bouédibéla antwortete, dass Beschneidung weiblicher Genitalien in europäischen Ländern nicht üblich sei. Sie berichtete, dass umgekehrt bis vor wenigen Jahren in Europa kaum bekannt war, dass es Gegenden gibt, in denen Genitalverstümmelung praktiziert wird. Auch mit dem Imam des Dorfes war eine Unterredung möglich. Dieser bedankte sich bei Bangr Nooma für die Aufklärung und sagte seine Unterstützung zu. Er berichtete vom Tod eines Mädchens, das die Koranschule besuchte und nach der Beschneidung gestorben sei. Dies habe ihn aufgerüttelt. Seines Wissens sei Beschneidung in Mekka, der heiligsten Stätte des Islam, unbekannt. Er rief die Dorbevölkerung auf, nicht nur technischen Fortschritt zu akzeptieren, sondern auch darüber nachzudenken, welche Traditionen schädlich sind, und diese aufzugeben. Da immer mehr Dörfer an den Aufklärungskampagnen teilnehmen möchten, ist Bangr Nooma auch weiterhin auf Ihre Unterstützung angewiesen. Eine dreijährige Kampagne kostet umgerechnet 2.300 Euro. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort "Burkina Faso" auf das Konto mit der Nummer 244 299, Kreissparkasse Tübingen, BLZ 641 500 20.


Zu den Autorinnen:

Regine Bouédibéla ist ehrenamtliche Koordinatorin des von TERRE DES FEMMES unterstützten Projektes Bangr Nooma. Sie besucht das Projekt in regelmäßigen Abständen und informiert über die Fortschritte.

Saskia Bastian hat Erziehungswissenschaft und Kultur- und Sozialanthropologie studiert. Sie ist Praktikantin bei TERRE DES FEMMES im Referat gegen Genitalverstümmelung.


TERRE DES FEMMES
Menschenrechte für die Frau e. V.
Postfach 2565, 72015 Tübingen
Telefon: 07071/79 73-0, Telefax: 07071/79 73-22
E-Mail: info@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de


*


Quelle:
Frauensolidarität Nr. 115, 1/2011, S. 20+21
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2011