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HINTERGRUND/143: Aids-Aufklärung anders - Neue Konzepte bei der Prävention


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2008

Aids-Aufklärung anders
Neue Konzepte bei der Prävention

Von Urte Tegtmeyer und Nadja Jacubowski


In Nicaragua geht man ungewöhnliche Wege, um über die Immunschwäche Aids zu informieren. In der Soap "Sexto Sentido" (der sechste Sinn) kann man wöchentlich die Ängste, Alltagsnöte und Hoffnungen einer Clique von Teenagern auf dem Bildschirm mitverfolgen. Die Sendung greift Probleme wie Alkoholismus, Gewalt und Sexualität auf. Einer der Schwerpunkte ist HIV/Aids. Auch in Ostafrika wird zu unkonventionellen Methoden gegriffen, um über das Virus aufzuklären. "Let's talk about sex" ist das Motto der ugandischen Moderatorin Sanyu Nkinzi. Via Radio erreicht die Redaktion eine breite Zielgruppe: Teenager beiderlei Geschlechts erzählen ihre Geschichten über HIV und Aids. Die Zuhörer finden sich darin wieder.

Uganda geht mit gutem Beispiel voran. Hier konnte die Zahl der HIV-Neuinfektionen dank breiter Aufklärungsarbeit deutlich gesenkt werden. In vielen Ländern des südlichen Afrikas leisten verschiedenste Organisationen Aufklärungsarbeit. Doch nach wie vor sind junge Menschen diejenigen, die sich am häufigsten mit dem gefährlichen Virus anstecken. Ungeschützter Sex ist die Ursache für 90 Prozent aller HIV-Infektionen bei Jugendlichen.

In den Ländern mit hoher Infektionsrate wissen weniger als die Hälfte der Jugendlichen, wie sie sich vor HIV schützen. Warum so viele Jugendliche immer noch kein Kondom benutzen, ist eine Frage, die nur in Teilen beantwortet werden kann.

Ein Aspekt betrifft den Umgang mit Sexualität. Offene Gespräche über Geschlechtsverkehr finden im Allgemeinen nicht statt. In vielen Kulturen ist das ein Tabu. Ein weiterer Aspekt betrifft die Kampagnen, die an der Lebensrealität der Jugendlichen vorbeigehen.

Einige der Gebernationen haben sich im Kampf gegen das HI-Virus auf die Propagierung von Abstinenz konzentriert. Mit erhobenem, moralisierendem Zeigefinger wird der einheimischen Bevölkerung vorgeschrieben, wie sie sich zu verhalten habe. Das wird von vielen als Bevormundung empfunden.

Effektive Prävention muss daher neben der medizinischen Komponente auch kulturelle und soziale Aspekte beinhalten. Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass nur umfassende Verhaltensänderungen einen Schutz vor der Immunschwäche bieten. Dabei sind sogenannte "peer to peer groups" bei ihrer Aufklärungsarbeit besonders erfolgreich: Jugendliche werden als Trainer eingesetzt, um Gleichaltrige über die Gefahren des Virus aufzuklären. Auch andere Themen, wie Alkohol, Gewalt oder Drogen, werden besprochen. Und das Konzept scheint besser aufzugehen als vorangegangene Programme.

Dennoch ist auch auf dem Arbeitsfeld der Prävention die niedrige gesellschaftliche Stellung der Mädchen und Frauen ein Grundproblem bei der Bekämpfung von Aids. Solange junge Mädchen durch Gewalt mit dem HI-Virus infiziert werden, solange junge Frauen durch ihre rechtlose Position in einer Beziehung keinen geschützten Verkehr verlangen können, wird es schwierig sein, die Aids-Spirale zu durchbrechen. Deshalb ist ein Ziel der Aufklärungskampagnen, Mädchen und Frauen zu selbstbewussten und selbstbestimmten Menschen auszubilden. Ein ergänzender Ansatz ist, Jungen und Männer mit in die Präventionsprogramme einzubinden, um bei ihnen eine Veränderung von stereotypen Männlichkeitsmustern zu bewirken. Denn erst wenn Männer und Frauen sich auf Augenhöhe begegnen und ein "nein" akzeptiert wird, kann der hohen Zahl von Neuinfektionen Einhalt geboten werden.


Weitere Informationen:

Wer sich weiter über die Auswirkungen des HI-Virus auf Kinder informieren möchte, findet in der neu erscheinen Broschüre "Kinder und Aids" vom "Aktionsbündnis gegen Aids" einen Querschnitt verschiedener Ansätze im Umgang mit der Krankeit. terre des hommes und weitere Nichtregierungsorganisationen haben sich zu diesem Aktionsbündis zusammengeschossen um auf die Not von Kindern, die von Aids betroffen sind, hinzuweisen.

Zum Thema Erinnerungsarbeit gibt es bei Christa Graf bewegende Dokumente über die Trauerarbeit mit Memory Books. Über ihre Protagonistinnen hat die Filmemacherin in Uganda einen Dokumentarfilm gedreht und ein Buch geschrieben. Der Leser erfährt Details über die Auswahl der Protegonistinnen für den Film "Memory Bocks - Damit du mich nie vergisst" und erhält schon erste Einblicke in deren Schicksale. In dem Film kommen HIV-positive Mütter zu Wort und Kinder, die ihre Eltern durch Aids verloren haben, werden mit der Kamera begleitet Die Schicksale dieser Menschen lassen den Zuschauer nachfühlen, wie vernichtend die Diagnose "HIV-positiv" für die Menschen in Uganda sein kann.

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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2008, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2009