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PROJEKT/180: Kinder mischen mit - Beteiligung als Recht und Chance


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2008

Kinder mischen mit
Beteiligung als Recht und Chance

Von Peter Strack


"Wenn ihr die Kinder zu irgendetwas zwingt, dann brechen wir das Projekt ab." Die Warnung des Vorstehers der Orang Rimba, der 1.500 Dschungelmenschen aus dem Nationalpark Makekal Forest in Sumatra, an die Lehrer der örtlichen Versuchsschule ist deutlich. Mitbestimmung der Kinder ist bei den Orang Rimba gängige Praxis - obwohl sie von Beteiligung als international verankertem Kinderrecht vermutlich noch nie gehört haben.


In der gerade einmal vier Mal fünf Meter großen Holzhütte leben und lernen 20 Jungen jeweils mehrere Wochen, bevor sie wieder für eine Zeit zu ihren verstreut im Urwald wohnenden Familien zurückkehren. Die Kinder entscheiden selbst, ob sie beim Kochen mithelfen und was es zum Essen gibt, ob sie den Unterricht besuchen oder lieber doch einen Ausflug machen, um zu lernen, wie man auf Urwaldriesen steigt und Honig sammelt. Dies ist im indonesischen Jäger- und Sammlervolk eine Schlüsselqualifikation, wenn es später ums Heiraten geht. Die Entscheidungsfreiheit der Kinder in dieser Schule trägt Früchte: Sie lernen in drei Jahren so viel rechnen und schreiben wie andere Kinder in den staatlichen Schulen in der doppelten Zeit. Und dass sie in der Urwaldschule die indonesische Staatssprache gelernt haben, hat den ersten Absolventen bereits bei Verhandlungen mit Regierungsstellen geholfen. So konnten sie den Bau einer Straße mitten durch den Nationalpark verhindern helfen.

"Jede Form der Basisorganisation und Bürgerbeteiligung ist eine Hoffnung, die Armut besiegen zu können", schrieb die Vizepräsidentin des Europaparlaments jüngst an die Bewegung der Kinder aus terre des hommes-Projekten in Kolumbien. Schon seit vielen Jahren wird die aktive Beteiligung der Begünstigten als Schlüssel für den Projekterfolg betont. Aber nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass dies auch für Kinder zutrifft. Ob bei der Auswahl der Frisur, der Gestaltung des Wohnumfeldes oder bei Auftritten auf internationalen Konferenzen: Entscheidend ist, dass Kinder ihre eigene Sicht der Dinge einbringen können und diese auch ernst genommen wird.

Dass dies nicht einfach ist, weiß der 17-jährige Marian Brehmer aus der terre des hommes Arbeitsgruppe Melle. Im Jahr 2001 nahm er im Älter von zehn Jahren an der UN-Konferenz zu Kinderrechten in New York teil. "Damals hatten die Vereinten Nationen zum ersten Mal auch Kinder und Jugendliche zu den Debatten eingeladen. Ein Meilenstein", so der Jugendliche im Rückblick. In Deutschland habe sich seitdem bei dem in der UN-Konvention verankerten Recht von Kindern, informiert und gehört zu werden, eine Menge getan. Mehr für Kinder formulierte Nachrichten in Tageszeitungen oder Fernsehen etwa, oder ihre Anhörung bei der Gestaltung von Spielplätzen und auch der Formulierung des nationalen Aktionsplans für Kinderrechte. Doch häufig komme ihre Beteiligung über Symbolik nicht hinaus. Ende vergangenen Jahres war Marian Brehmer erneut bei den Vereinten Nationen in New York: "Wir merkten, dass für viele Erwachsene die direkte Anwesenheit von Heranwachsenden in der Weltpolitik immer noch unvertraut ist", berichtet Brehmer.

Beteiligung von Kindern ist nicht nur ihr Recht, und weit mehr als ein Lernfeld oder Weg, die Wirkung von Projekten zu verbessern, wie sich etwa in der Urwaldschule bei den Orang Rimba gezeigt hat. Eine der jeweiligen Kultur und dem jeweiligen Alter entsprechende echte Beteiligung, finden auch die Kinder in Kolumbien, ist "chévere": Sie macht einfach Spaß.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2008, S. 1
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2008