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REFLEXIONEN/001: Schattenblick ... (SB)


Schattenblick ...


Wäßrig und unstet ist der Blick des Menschen und der Kreatur. Er schweift umher, er zuckt zurück und meidet die Begegnung. Selbst wenn das Auge starrt und sich zu festigen sucht unter Krämpfen, so wird es umgetrieben und verletzt von der Wucht der Zwischenräume, der Perspektiven, von wechselnden Schatten und flüchtendem Licht und endlich vernichtend getroffen vom Gegenstand.

Wie sollte es da anders sein, als daß der menschliche Verstand ein Fehlgriff ist und irren muß in jeder Konsequenz. Nur unter einem großen Aufwand an Verlusten und einem Überaufgebot an Schmerz und Leid läßt sich der Trugschluß beständiger Beschaffenheit, zunehmender Veredlung und anwachsender Reife des menschlichen Geschlechts gegen die bessere Erfahrung aufrechterhalten.

Warum, du Wurm, greifst du in die Schatten und suchst den Halt im abschüssigen Moder der Sümpfe? Fürchtest du das Treffen mit jenen, die du nicht kennst oder ihre Furchtlosigkeit, dir zu begegnen, obgleich sie um deinen Irrtum wissen?


Erstveröffentlichung am 22. Januar 2002

12. Dezember 2006