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PREIS/164: Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2013 an Marion Poschmann verliehen (Stadt Braunschweig)


Stadt Braunschweig - Pressemitteilung von Samstag, 2. November 2013

Wilhelm-Raabe-Literaturpreis an Marion Poschmann verliehen



Braunschweig. Die Schriftstellerin Marion Poschmann hat für ihren Roman "Die Sonnenposition" den von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestifteten und mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2013 erhalten. Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann und Deutschlandradio-Programmdirektor Andreas-Peter Weber überreichten die Auszeichnung am Samstag, 2. November. Die Laudatio hielt die Literaturkritikerin Dr. h. c. Sigrid Löffler.

Der Roman der diesjährigen Preisträgerin "Die Sonnenposition" sei ein Meisterstück der Spiegelung und Täuschung und des Wechsels von Sich-Zeigen und Verbergen, heißt es in der Begründung der Jury. Das Werk sei eine erzählerische Meditation über die Rück- und Abseiten der Dinge, über Schatten und Kontraste. Mit feinster Sorgfalt habe die in Essen geborene Marion Poschmann Motive und Anspielungen in Beziehung zueinander gesetzt. Dabei sei eine Prosa entstanden, die in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ihresgleichen sucht, so die Jury.

"Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ist in der Preislandschaft inzwischen unübersehbar und einer der renommiertesten Preise dieser Art in Deutschland", sagte Oberbürgermeister Dr. Hoffmann. "Die Kooperation mit Deutschlandradio trägt dazu ganz erheblich bei. Ich bin sicher, auch mit der Verleihung des Preises an Marion Poschmann wird der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis in diesem Jahr wieder von sich reden machen."

"Marion Poschmann ist eins der ganz großen Versprechen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur", so Jurysprecher Dr. Hubert Winkels vom Deutschlandfunk. "Mit ihrem Roman 'Die Sonnenposition' ist ihr ein Werk gelungen, das besonders durch seine lyrische Sprache besticht. Dabei ist vor allem ihr Blick auf das Einzelne prägnant, da er ihre Texte vor Thesenhaftigkeit und Sterilität bewahrt. Außergewöhnlich ist dabei die Tatsache, dass die eigentlich als Dichterin bekannt gewordene Poschmann scheinbar mühelos von der Lyrik zur Prosa übergeht. 'Die Sonnenposition' ist zweifelsfrei eines der besten Bücher des Jahres und durch die Verleihung des Wilhelm-Raabe-Preises an Marion Poschmann wird dieser Tag, zusammen mit der langen Nacht der Literatur, zu einem der wichtigsten Literaturereignisse in der Republik."

"In der Literaturkritik gilt Marion Poschmann nicht erst seit ihrem aktuellen Roman als poetische Protokollantin des Scheiterns und der Defizite", sagte die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajic. "Ihre Gedichte wie ihre Prosa erforschen die Kehrseite des Aufschwungs und behandeln den Preis für Fortschritt und Leistungsdenken. Hier lässt sich durchaus eine Ähnlichkeit mit der Haltung Wilhelm Raabes erkennen. Denn auch er zog in vielen seiner Werke den im 19. Jahrhundert vorherrschenden Fortschrittsglauben in Zweifel und kritisierte den Materialismus sowie die Industriebegeisterung seiner Zeit."

Mit der Verleihung des Wilhelm-Raabe-Literaturpreises zeichnen die Stadt Braunschweig und der Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus, das einen besonderen Stellenwert in der Entwicklung des Preisträgers markiert. Es muss im Vergabejahr erschienen sein. Ausgeschlossen ist die Würdigung eines Erstlingswerkes oder des Gesamtwerkes.

Die Jury

Prof. Dr. Gerd Biegel (Präsident der internationalen Raabe-Gesellschaft)
Thomas Geiger (Literarisches Colloqium Berlin)
Dr. Ina Hartwig (DIE ZEIT)
Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig)
Richard Kämmerlings (DIE WELT)
Kristina Maidt-Zinke (Süddeutsche Zeitung)
Dr. Michael Schmitt (3sat)
Prof. Dr. Renate Stauf (Institut für Germanistik, TU Braunschweig)
Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk)

Die Begründung der Jury

"Marion Poschmann ist eine Meisterin der Camouflage und der Mimikry, der Spiegelung und Täuschung, der Dialektik des Sich-Zeigens und des Verbergens.

In einem langsam verfallenden Schloss in Brandenburg, in das die Spuren des 20. Jahrhunderts überall eingeschrieben sind, lässt sie ihren rheinischen Helden und Erzähler, den Therapeuten Altfried Janisch, seinen Patienten gegenüber "Die Sonnenposition" suchen; den Punkt, von dem die Orientierung ausgeht, das Sichtbare sich erzeugt. Doch schon der erste Satz des Romans klärt über die gemischten Verhältnisse zwischen Licht und Dunkelheit, Aufklärung und Romantik, Erkenntnis und Verdrängtem auf: "Die Sonne bröckelt" lautet er.

Tatsächlich ist "Die Sonnenposition" auch eine erzählerische Meditation über die Rück- und Abseiten der Dinge, über Schatten und Kontraste. Über die schwer greifbare Wahrheit, die fehlende Substanz der Welt. So wie Altfried und sein verstorbener Freund Odilo in ihrer Jugend Erlkönigen nachgejagt sind - das sind Prototypen der Autoindustrie, die lange vor der Marktreife in optisch kaschiertem und verzerrtem Zustand bei Nacht und Nebel auf deutschen Straßen getestet werden -, so stößt der Versuch, die menschlichen Dinge zu begreifen, immer wieder auf schräge Signale, Verzerrungen, Lichtquellen zwischen Verlockung und Todesdrohung.

Mit großer Verve, mit Spielfreude, aber vor allem mit feinstmechanischer Sorgfalt, setzt Marion Poschmann die Motive, die Anspielungen, die Klänge in intime Beziehungen zueinander. Es entsteht dabei eine lyrische Prosa, die auch das epische Format tragen kann und beim lauten Lesen ihr sprachliches Aroma ganz besonders entfaltet. Es entsteht eine beschreibende Prosa, die ihresgleichen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sucht." [Die Jury]

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Quelle:
Pressemitteilung von Samstag, 2. November 2013
Stadt Braunschweig
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2013