Schattenblick → INFOPOOL → DIE BRILLE → FAKTEN


PREIS/201: Mara-Cassens-Preis für Katharina Winkler (Literaturhaus Hamburg)


Literaturhaus Hamburg - Pressemitteilung vom 13. Dezember 2016

Mara-Cassens-Preis für Katharina Winkler

Für ihren Debütroman »Blauschmuck« erhält Katharina Winkler den »Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman« 2016


Mit ihrem Debüt »Blauschmuck«, 2016 bei Suhrkamp erschienen, gewinnt Katharina Winkler den »Mara-Cassens-Preis für den ersten Roman« des Literaturhauses Hamburg. Mit Euro 15.000,- ist er der höchstdotierte Preis für einen deutschsprachigen Debütroman. Die Auszeichnung wird seit 1970 verliehen und ist der einzige Literaturpreis, der von einer Leserjury vergeben wird. Die Intention der im August 2015 verstorbenen Stifterin Mara Cassens war es, mit dem Preis Autorinnen und Autoren zu ermöglichen, »sich für eine gewisse Zeit ganz dem Schreiben zu widmen«. Im Gedenken an Mara Cassens und ihr Wirken für die Literatur stiftet die Mara und Holger Cassens Stiftung den Preis weiterhin jährlich. Preisträger der letzten Jahre sind Sarah Stricker (2013), Regina Scheer (2014) und Verena Boos (2015).

Die ehrenamtliche Jury setzt sich aus 15 Mitgliedern des Literaturhaus e.V. zusammen. Die engagierten Leserinnen und Leser widmeten sich in ihrer Freizeit den Wettbewerbsbüchern: 14.815 Seiten galt es zu bewältigen, um die 57 Romandebüts von 43 Verlagen zu lesen und beurteilen zu können. Unter den Favoriten waren Senthuran Varatharajahs »Von der Zunahme der Zeichen«, Emanuel Bergmanns »Der Trick« und Philipp Winklers »Hool«.

Wegen der mutigen Themenwahl und der stimmigen Sprache fiel die Juryentscheidung für den Mara-Cassens-Preis 2016 auf »Blauschmuck« von Katharina Winkler. Der Roman erzählt auf knapp 200 Seiten die Lebensgeschichte der Ich-Erzählerin Filiz Lale und eröffnet ein Panorama unterdrückter Frauen. Der titelgebende »Blauschmuck« ist ein Bild für die Überlebensstrategien der misshandelten Ehefrauen und ein Beispiel für die poetisierte Sprache. Gezeigt wird eine Realität, in der Vergewaltigungen, Schläge und psychische Gewaltausübung akzeptiert sind.

Filiz wächst mit ihren Eltern und neun Geschwistern in einem kurdischen Dorf in der Türkei auf. Mit zwölf Jahren verliebt sie sich in den wenig älteren Yunus, sie träumen von einem Leben im Westen. Gegen den Willen ihres Vaters heiraten sie. Fern der eigenen Familie werden Freiheitsträume zerschlagen: Gemeinsam mit ihren drei Kindern ist sie der physischen und emotionalen Brutalität ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter ausgesetzt. Auch die ersehnte Emigration nach Österreich ändert daran zunächst nichts. Doch nach einer Eskalation der Gewalt gelingt Filiz die Befreiung aus körperlicher und psychischer Abhängigkeit.

Von der Loslösung ist erst im Nachwort die Rede. Die Autorin gründet ihren Roman auf wahren Begebenheiten: Filiz Lale kam, von Hämatomen übersät, in die Arztpraxis des Vaters der damals dreizehnjährigen Katharina Winkler, die später lange mit ihr sprach. Eine angemessene Sprache für diese Lebensleidensgeschichte zu finden dauerte weitere zehn Jahre. Der Roman ist Ergebnis ausgiebiger Beschäftigung mit dem Thema häuslicher Gewalt.

Aus der Jurybegründung: »Es ist Katharina Winkler perfekt gelungen, eine Sprache für das Erzählte zu finden: Die Sätze prasseln auf den Leser ein, wie vor Schlägen zuckt man vor der enorm harten Sprache zurück. Auf der anderen Seite lässt Katharina Winkler die Unbeugsamkeit und Unzerstörbarkeit von Frau Lale sprachlich einprägsam durch eine sehr poetische Sprache fühlbar werden. Dass es Männer gibt, die meinen, Frauen in ihrer Macht fesseln zu dürfen, ist leider ein internationales und interkulturelles Problem. Katharina Winkler hat keinen Roman geschrieben gegen den Mann, die Türkei oder den Islam, sondern für die Frau. Der Roman ist ein starkes Plädoyer für Schwächere und Unterdrückte, damit fiel die Wahl hoffentlich auch im Sinne der leider verstorbenen Stifterin Mara Cassens.«

Katharina Winkler wurde 1979 in Wien geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie war nominiert für den Debütpreis zum Österreichischen Buchpreis 2016 und erhielt das Literatur-Stipendium der Märkischen Kulturkonferenz für das Jahr 2017.

Die feierliche Preisverleihung findet am 10. Januar 2017 um 19.30 Uhr im Literaturhaus Hamburg statt. Die Preisträgerin sowie Holger Cassens als Vertreter der Mara und Holger Cassens Stiftung sind anwesend. Die Laudatio hält die Literaturkritikerin Sandra Kegel. Der Kulturstaatsrat Dr. Carsten Brosda spricht ein Grußwort.

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 13.12.2016
Literaturhaus Hamburg e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Carolin Löher
Schwanenwik 38, 22087 Hamburg
Telefon: 040/22 70 20 55, Fax.: 040/220 66 12
E-Mail: cloeher@literaturhaus-hamburg.de
Internet: www.literaturhaus-hamburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang