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NEUES/005: Wissenschaftssprache Deutsch im Ausverkauf (SB)


Wissenschaftssprache Deutsch -
Zur gemeinsamen Erklärung der Präsidenten
von AvH, DAAD, Goethe-Institut und HRK


Am 26. Januar 2009 fand anläßlich des angestrebten "Dialogs der Kulturen" eine Expertenanhörung des "Unterausschusses Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik" des Deutschen Bundestags unter der Leitung von Peter Gauweiler statt, welche die Bedeutung der Sprache Deutsch als Wissenschafts- und Kultursprache zum Thema hatte.

Keine Frage, um die Zukunft der deutschen Sprache als Wissenschaftssprache scheint es schlecht bestellt. Während sie, gemessen an dem deutschsprachigen Anteil der weltweiten fachlichen Publikationen, zunehmend an Bedeutung verliert, greift das Englische als hegemoniale Lingua franca auch in den Wissenschaften Raum. Das ist nichts Neues. Interessanter wäre jedoch bei einer genaueren Analyse dieser Entwicklung, eine schlagkräftige Position demgegenüber einzunehmen. An dieser Stelle soll erst einmal kurz der bedauernswert regressive Ansatz deutscher Interessenvertreter in Sachen Deutsch als Fach- und Wissenschaftssprache hervorgehoben werden.

Die "gemeinsame sprachenpolitische Erklärung" der Präsidenten der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH), Professor Helmut Schwarz, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Professor Stefan Hormuth, des Goethe-Instituts (GI), Professor Klaus-Dieter Lehmann, und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Professorin Margret Wintermantel, ist ein "leuchtendes" Beispiel dafür, wie man sich auf bequeme Weise einen Platz in einer Entwicklung zu verschaffen sucht, die man eigentlich nicht gutheißen kann. Und so liegt der Schluß nicht fern, daß es sich in dieser Veranstaltung primär um die Sicherung von ganz anderen Interessen drehte. Während in früheren Zeiten der Stand des Wissenschaftlers und Akademikers per se als gesellschaftlich hochgeachtete und geförderte Institution galt, herrschen zur Zeit auch im Wissenschaftsbetrieb die wirtschaftlichen Interessen vor. Wer Forschungsgelder beantragt, muß schon die Gewinnaussichten plausibel machen.

Es kann also nicht erstaunen, daß auch in dieser kurzen Erklärung der vier deutschsprachigen Institutionen die opportunistischen Beweggründe in den Vordergrund treten. Statt inhaltlich zu werden, beeilt man sich, den führenden Vertretern der deutschen Wissenschaft - hier stellvertreten durch die Sprachverweser im wörtlichsten Sinne - eine attraktive Position im internationalen Wissenschaftsbetrieb zu sichern. In der Hoffnung darauf, am Trend zu partizipieren, wird auch noch mit wirtschaftlichen Termini, allen voran dem Mehrwert, argumentiert:

In einigen Regionen der Welt erkennen Studenten und Wissenschaftler auch in den Natur- und Ingenieurwissenschaften mit wachsendem Interesse, dass das Erlernen der deutschen Sprache einen Mehrwert darstellt. Es verhilft dazu, sich fachlich wie sozial erfolgreich an deutschen Hochschulen und in der Kooperationen mit deutschen Firmen zu bewegen.

Die Entwicklung, daß das Englische das Deutsche in der wissenschaftlichen Kommunikation weiter verdrängt, wird von vornherein mit der ungenau gehaltenen Formulierung, es bestehe demgegenüber eine "Sorge", kommentiert, um dann zugleich in Wahrung der eigenen Interessen die Vision einer optimalen Partizipation zu entwickeln: das Plädoyer "für eine mehrsprachige Wissenschaft". Alle vier Institutionen erklären, sie seien "der Überzeugung, dass das Thema 'Deutsch als Wissenschafts- und Kultursprache' nicht im Sinne einer Konkurrenz zwischen Englisch und Deutsch aufzufassen ist, sondern im Sinne einer Komplementarität."

Der Wettlauf um Anpassung wird mit Kompromissen gepolstert und opportunistischer Ziellosigkeit: ein bißchen Englisch, ein bißchen Deutsch, gepaart mit dem Bestreben, der Klassenbeste zu sein. Bei diesem speziellen Plädoyer "für eine mehrsprachige Wissenschaft" handelt es sich um einen unverschleierten Rückzug aus der Verantwortung, den Wert der eigenen Sprache und Kultur für die eigenen sowie für alle anderen Sprachräume zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Regression speist sich aus wirtschaftlichen Interessen und aus der möglicherweise begründeten Sorge, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Sie schreibt sich allerdings nur fort, indem man ihre Entwicklung lediglich beschreibt und betrachtet, um sich ihr dann mit einem passenden Konzept anzuschließen.

Die Internationalisierung der Wissenschaft bedeutet, dass sich eine mehrsprachige Wissensgemeinschaft herausbildet, die zum einen des Englischen als lingua franca als Wissenschaftssprache mächtig ist, um an der weltweiten Fachkommunikation teilzuhaben. Zum anderen gibt sie die eigene Sprache nicht auf, sondern ist vielmehr in dieser Sprache so erfolgreich, dass ausländische Kollegen und Nachwuchskräfte sie sich aneignen wollen.

Spricht da nicht der Traum von alten Zeiten, als Deutsch noch einen führenden Platz als Wissenschaftssprache einnahm, um das die zivile Welt nicht herumkam? Sicher waren es nicht die Bestrebungen, konkurrenzfähig zu bleiben, die dem Deutschen einst jenen Erfolg verschafften, der gegenwärtig verlorengegangen zu sein scheint, sondern vielmehr die Vielfalt, die Präzisierungs- und die Entwicklungsmöglichkeiten, die den Engen ihres eigenen Kulturraums innewohnten. Der Verdacht, die so beklagte Entwicklung sei auch nicht unwesentlich selbstgemacht, drängt sich da doch förmlich auf.

Wenn, wie in dieser Anhörung, deutlich das Gewicht darauf gelegt wird, als deutschsprachiger Wissenschaftler perfekt beides, sowohl Deutsch als auch Englisch können zu müssen, um optimal angepaßt an den Trend im internationalen Wissenschaftsbetrieb seinen Platz und seine Anerkennung finden zu können, und das bedeutet, innovativ im Sinne wirtschaftlich ausbeutbarer Denkkonzepte zu wirken, führt dieses bestenfalls doch zu einer wissenschaftstheoretisch höchst zweifelhaften Teilhaberschaft an einem Prozeß denk- und sprachgeschichtlichen Neubeginns. Schlimmstenfalls besteht die Gefahr, daß auf diese Weise die deutsche Wissenschaftssprache allzu leichtfertig zurückgelassen wird, und mit hoher Wahrscheinlichkeit dann, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, auch noch die Reste der brauchbaren deutschen Sprachkultur versiegen. Das Kind entspräche hier dem vergleichslos scharfen Instrument einer spezifisch wissenschaftlichen Auseinandersetzung, deren geschichtliche Weichenstellungen und perspektivische Möglichkeiten ganz sicher nicht durch partielle Berührungspunkte oder gelegentliche Vergleiche vollends auszuschöpfen sind. Mit Blick auf die Konsequenzen entsprechender Forschungen und wissenschaftlicher Bemühungen muß diese Aussage zunächst für jeden Kultur- und Sprachraum geltend gemacht werden.

Statt den wirtschaftlichen und hegemonialen Interessen welcher Herkunft auch immer durch Scheinkompromisse und Modifikationen bloßer Sprachanpassungen in der Forschung den ersten Platz einzuräumen, wäre es doch auch nicht ausgeschlossen, erstrangig die denkstrukturellen Optionen jedes einzelnen Sprachkulturraumes fortzuentwickeln und zu qualifizieren, um sie dann an eine übersetzungsproblematisierte Praxis wissenschaftlicher Interessen abzugeben und zur Verifikation und Falsifikation wissenschaftlich fortzuschreibender Inhalte und Funktionen einem interkulturellen Diskurs zu überlassen, besser zumindest, als auf einen leichtfüßigen Trend aufzusteigen, für den der zu entrichtende Preis immer nur zu hoch sein kann.

Daran gemessen sind die Vorschläge der vereinten Deutschsprachler zur Stärkung des Deutschen als Wissenschaftssprache, auf Fachkonferenzen und Festivals die "eigenen Positionen" zu reflektieren und zugleich ein "verstärktes Bewußtsein für sprachenpolitische Fragen" zu schaffen, ebenso wie die Forderung nach einer adäquaten "finanziellen Ausstattung" für Dolmetscher und wissenschaftliche Übersetzungen dann wohl eher selbstverständlich.

Anmerkung:
Die Zitate sind der Pressemitteilung (18.02.2009) des Deutschen Akademischen Austauschdienstes entnommen (laut Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - http://idw-online.de). Im Schattenblick unter BILDUNG UND KULTUR -> FAKTEN, SPRACHE/593: Erklärung - Deutsch als Wissenschaftssprache (idw)

25. Februar 2009