Schattenblick → INFOPOOL → DIE BRILLE → REPORT


BERICHT/087: Messe links - sich richtig stellen und richtigstellen ... (SB)


Alles in allem bleibt uns die Feststellung, daß wir die für uns wichtigen Lehren aus der revolutionären Nachkriegsperiode vor allem anhand der Inhalte des kapitalistisch-gewerkschaftlichen Gegenangriffs werden ziehen müssen. Die Ebert, Groener, Noske und Co. haben die zwei Phasen des proletarischen Nachkriegskampfs in unheimlich systematischer Weise erstickt. Wie wir sahen, haben sie sich dabei niemals nach der aktuellen Kampfstärke und der politischen Potenz der jeweils gerade aktiven Arbeitergruppen und -organisationen, sondern nach den objektiv gegebenen Möglichkeiten der Arbeitermacht gerichtet. In diesem Sinne gab es für sie nie die Frage der "Verhältnismäßigkeit der Mittel".
Karl-Heinz Roth - Die "andere" Arbeiterbewegung [1]


"Hundert Jahre Sozialpartnerschaft" - auf einer gemeinsamen Feier sicherten DGB-Chef Reiner Hoffmann und BDA-Präsident Ingo Kramer am 16. Oktober einander weiterhin gute Zusammenarbeit bei der gedeihlichen Bewirtschaftung der deutschen Arbeitsgesellschaft zu. Im Hof des Deutschen Historischen Museums besiegelte SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil den historischen Pakt zwischen Unternehmervertreter Hugo Stinnes und Gewerkschaftsführer Carl Legien, indem er dem Handschlag zwischen Hoffmann und Kramer seinen regierungsamtlichen Segen gab [2]. Das am 15. November 1918 in Kraft getretene Stinnes-Legien-Abkommen machte den ArbeiterInnen einige Zugeständnisse, die sich nach ihrer revolutionären Erhebung ohnehin nicht mehr hätten vermeiden lassen, und verlangte den dadurch gestärkten Gewerkschaften im Gegenzug die Zusicherung ab, nichts gegen das privatwirtschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln zu unternehmen.

Man könne "polemisch auch von '100 Jahre Volksgemeinschaft' reden", kommentierte Peter Nowak [3] das trotz seiner hohen symbolpolitischen Bedeutung kaum beachtete Ereignis zutreffend, schuf es mit der reformistischen Einhegung klassengesellschaftlicher Widersprüche doch die Grundlage für eine Entwicklung, die schon wenig später im NS-Faschismus und dem von ihm initiierten Massenmorden resultierte. Das Scheitern der einzigen sozialistischen Arbeiterrevolution Deutschlands war dem Bündnis von Sozialdemokratie und Kapital geschuldet, das das Hundert-Jahre-Gedenken an den 9. November der Definitionshoheit der historischen Gewinner unterwirft. Das hilft der SPD, die als älteste und traditionsreichste Partei der Bundesrepublik auf dem Tiefpunkt ihrer Popularität angelangt ist, auch nicht weiter, was paradox erscheinen mag, hat sie sich doch stets um den Betriebsfrieden im fordistischen wie neoliberalen Kapitalismus verdient gemacht.

Mit der Auflösung der Historischen Kommission der SPD im August 2018 - angeblich aufgrund einer Finanzierungslücke von 20.000 Euro im Jahr - wurden auch die Vorbereitungen für eine Tagung am 8. und 9. November zur November-Revolution und Gründung der Weimarer Republik [4] abgebrochen. Die Klage über die allgemeine Geschichtsvergessenheit der nachwachsenden Generationen in der Partei kann dementsprechend durch den Hinweis auf ihren selektiven Charakter präzisiert werden - wer wollte schon ein weiteres Mal die Niederschlagung der sozialen Revolution durch SPD-Funktionäre im Bündnis mit Generalität, Schwerindustrie und Junkertum rechtfertigen?


Bücher über die Novemberrevolution - Foto: © 2018 by Schattenblick

Revolutionäres von Die Buchmacherei
Foto: © 2018 by Schattenblick

Die Historisierung dieser Revolution als notwendiger Abwehrkampf gegen "russische Zustände" im Deutschen Reich und Gründungsakt einer bürgerlichen Republik, die schon 15 Jahre später in die NS-Diktatur mündete, feiert die Errungenschaft der in der Weimarer Verfassung verankerten Grundrechte nicht alternativ, sondern als Gegenentwurf zu einer sozialistischen Gesellschaft. Wenn heute anläßlich des Kieler Aufstandes Offiziere der Bundeswehr vors Mikrofon treten, um zu erklären, daß sie eine Meuterei zwar niemals gutheißen können, aber vollstes Verständnis dafür hätten, daß sich die aufständischen Matrosen nicht in einer letzten "sinnlosen" Schlacht verheizen lassen wollten, dann wird der antimilitaristische und antiautoritäre Charakter der Revolution schlichtweg übergangen. Wie sonst sollte sich eine Bundeswehr legitimieren lassen, die mit ihren Auslandseinsätzen Voraussetzungen für imperialistische Kriege schafft und als Sachwalterin einer Kapitalmacht fungiert, die sich, wenn es eng wird, auch gegen die eigene Bevölkerung mit Waffengewalt durchsetzt?

Ignoriert wird auch der immanente Zusammenhang zwischen den beiden das Datum des 9. November für die deutsche Geschichte bis heute bestimmenden Ereignissen von 1918 und 1938. Mit der Niederschlagung der Revolution waren die Kräfte, die der militaristischen nationalkonservativen Restauration entgegengetreten wären, entscheidend geschwächt. Der Opportunismus der SPD setzte sich in der Weimarer Republik fort und machte die Partei mitverantwortlich dafür, daß dem Übergang in die Diktatur schon Jahre vor Hitlers Amtsantritt durch die per Notverordnungsrecht eingesetzten Präsidialkabinette der Weg geebnet wurde.

Antisemitische Feindbilder waren nicht nur unter bekennenden Nazis, sondern auch im nationalkonservativen Bürgertum virulent, so daß der zunehmenden Ausgrenzung und Stigmatisierung jüdischer Menschen bis zu den Novemberpogromen in der Nacht vom 9. und 10. November 1938 unter den repressiven Bedingungen des NS-Regimes zu wenig Widerstand entgegengesetzt werden konnte. Die KommunistInnen saßen bereits in den KZs oder waren abgetaucht, und auch die sozialrevolutionären Kräfte, die vor 15 Jahren die Entmachtung der alten Geld- und Funktionseliten gefordert hatten, waren auf politischer Ebene handlungsunfähig.


Monumentalgebäude auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände - Fotos: © 2018 by Schattenblick Monumentalgebäude auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Nürnberg - einst das rituelle Zentrum des NS-Faschismus ...
Fotos: © 2018 by Schattenblick

Die administrative Diskriminierung jüdischer Menschen durch die Verpflichtung, sogenannte Kennkarten mit sich zu führen, in denen ihre nach dem Reichsbürgergesetz definierte Zugehörigkeit mit einem eingestempelten roten "J" gut sichtbar markiert war, und andere Maßnahmen behördlich verordneter Stigmatisierung schlugen am 9. November 1938 in die massenhafte Verfolgung, Plünderung, Verschleppung und Ermordung um. Die umfassende Zerstörung von Synagogen, mindestens 400 Todesopfer und 30.000 in KZs deportierte JüdInnen markieren den 9. November als Auftakt zur offenen Judenverfolgung und systematischen Judenvernichtung.

Die institutionelle Vorbereitung der Pogrome durch die sich stetig verschärfende Einschränkung bürgerlicher Rechte und die Ausgrenzung jüdischer Menschen macht klar, wieso derartigen Entwicklungen schon im Frühstadium entgegenzutreten ist. Wenn heute führende PolitikerInnen der Bundesregierung in die Defensive geraten, wenn sie die aggressive physische Bedrohung nicht als "deutsch" identifizierter Menschen in Chemnitz als Hetzjagd bezeichnen, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes einen dafür vorhandenen Bildbeweis bis heute und für lange Zeit folgenlos als gefälscht bezeichnet, ohne daß er dies belegen kann, dann sind das keine Ausrutscher, sondern ernstzunehmende Signale für die Gefährdung aller gesellschaftlichen Minderheiten, die über wenig politischen Einfluß verfügen.

Auch das in Nürnberg auf dem 7. Reichsparteitag der NSDAP am 15. November 1935 beschlossene Reichsbürgergesetz bietet ein gutes Beispiel dafür, wie ein- und ausschließende Rechtsdefinitionen über Leben und Tod von Menschen entscheiden. Es teilte die auf dem Gebiet des Deutschen Reiches lebenden Menschen in zwei Gruppen von unterschiedlichem Rechtsstatus ein - "Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes" galten als "Reichsbürger", "Angehörige rassefremden Volkstums" als "einfache" Staatsangehörige. Mit dieser Entscheidung wurde der Weg geebnet zur völligen Entrechtung von Menschen, die sich für keine der beiden Kategorien qualifizieren konnten. Weitere Verordnungen und das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", das die Eheschließung und jeden Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden bei Strafe untersagte, führten dazu, daß JüdInnen und "Zigeuner" aufgrund "rassischer" Merkmale zur systematischen Vernichtung freigegeben werden konnten.


Früher Austragungsort der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse - Fotos: © 2018 by Schattenblick Früher Austragungsort der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse - Fotos: © 2018 by Schattenblick

... und seiner Aburteilung durch die internationale Strafjustiz
Fotos: © 2018 by Schattenblick

Fragen der Zugehörigkeit können heute noch, wenn sie staatlicher Definitionshoheit unterliegen, schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen zeitigen. Das "Flüchtlingsproblem" ist sicherlich keines, das die Menschen erzeugen, die vor Krieg und Not ins vergleichsweise sichere Europa ausweichen. Es aus Gründen universaler Gleichberechtigung und Menschenrechte zu negieren ist eine linke Position, die heute auch in sich als links verstehenden Kreisen in Frage gestellt wird. Derart kleinmütig mit Prinzipien umzugehen, die für den Weg zur Befreiung des Menschen von gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen und dem Naturzwang elementar sind, rückt die Aktualität revolutionären Handelns in noch weitere Ferne als ohnehin schon.

Von einer "unvollendeten Revolution" zu sprechen, wie in der Gemeinsamen Erklärung der Koordinierungsgruppe 100 Jahre Novemberrevolution [5], hält die Erinnerung daran wach, daß die Massenbewegung, die sich 1918 nach vier Jahren des Krieges und Hungers sowie nach Jahrhunderten der Ausbeutung und Unterdrückung formierte, in ihren Forderungen weit unbescheidener war, als das staatstragende Gedenken an diesen Tag 2018 suggeriert. Heute, da die staatsautoritäre und nationalistische Geschichtssicht der extremen Rechten weit in die bürgerliche Mitte hinein wirkt und kapitalistische Herrschaft subtiler organisiert ist als in der Ära des fordistischen Massenarbeiters, wirkt allein die Frage nach der Relevanz revolutionärer Organisation und Aktion wie aus der Zeit gefallen.


Bücher beim Antiquariat Walter Markov - Fotos: © 2018 by Schattenblick Bücher beim Antiquariat Walter Markov - Fotos: © 2018 by Schattenblick Bücher beim Antiquariat Walter Markov - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Unvergänglich streitbar - Klassiker sozialer Kämpfe
Fotos: © 2018 by Schattenblick


Schreiben und Lesen für den sozialen Widerstand

Um so wichtiger für die Handlungsfähigkeit der sozialen Opposition sind Veranstaltungen wie die Linke Literaturmesse in Nürnberg, die auch in ihrer 23. Ausgabe 2018 als Fokus linker Gegenöffentlichkeit und Treffpunkt ganz verschiedener Strömungen fungierte. Um die 1500 BesucherInnen strömten vom 2. bis 4. November durch die lichten Räumlichkeiten des neuen Veranstaltungsortes, der wegen Renovierung des früheren Standortes im Künstlerhaus unweit des Hauptbahnhofes, dem ehemaligen linken Zentrum KOMM, von der Stadt gemietet wurde. Die Kulturwerkstatt Auf AEG im Stadtteil Eberhardshof an der Fürther Straße im Westen Nürnbergs ist eines jener Zentren, mit denen der Niedergang der güterproduzierenden Industrie in der postfordistischen Dienstleistungsgesellschaft als sozialverträglicher Strukturwandel inszeniert wird. Wo früher Waschmaschinen vom Band liefen, werden heute Events aller Art abgehalten, die in der Regel eher Unterhaltungszwecken dienen als politischer Aufklärung.

Fugenlos organisiert von einem Team rühriger AktivistInnen um das Metropoletan Archiv & Bibliothek wie den Gostenhofer Literatur- und Kulturverein e.V. bietet die Messe einen repräsentativen Querschnitt deutschsprachiger linker Literatur an den Ständen deutscher wie österreichischer Verlage. Zudem sind diverse linke Initiativen vertreten, die weniger publizistisch denn aktivistisch unterwegs sind. Insbesondere am Sonnabend stellen die im Stundenrhythmus wechselnden Veranstaltungen und Buchpräsentationen das Publikum vor die mitunter schwere Wahl, welcher AutorIn und welchem Thema der Vorzug gegeben wird. Rund vier verschiedene Events werden parallel in den verschiedenen Räumlichkeiten der Kulturwerkstatt abgehalten, so daß es guter Planung bedarf, um am Ende nichts wichtiges versäumt zu haben.

Dabei ist das Potential linker deutschsprachiger Literatur längst nicht ausgeschöpft, sind diverse Verlage doch nur mit einem Ausschnitt ihres Programms an Ständen befreundeter BuchmacherInnen präsent, während andere die Nürnberger Messe, womöglich auch aus ideologischen Gründen, ganz meiden. Dennoch ist das Angebot neuer wie antiquarischer Werke so groß, daß von einem ungehobenen oder vielleicht eher vergessenen Schatz kulturellen Reichtums abseits der Marktplätze der großen Publikumsverlage gesprochen werden kann. Wie lange die Jahre, in denen Erstauflagen linker Werke vier bis fünfstellige Zahlen erreichten, vorbei sind, ist an den Dekaden zu bemessen, die an den runden Jubiläen weltgeschichtlich herausragender revolutionärer Ereignisse gezählt werden.


Platz vor dem Gebäude der Kulturwerkstatt - Foto: © 2018 by Schattenblick

Eingang zur Linken Literaturmesse in der Kulturwerkstatt Auf AEG Foto: © 2018 by Schattenblick


"Die Zukunft kommt aus der Zukunft"

Da 2018 der 200. Geburtstag von Karl Marx gefeiert, 100 Jahre unvollendeter Novemberrevolution 1918 gedacht und an 50 Jahre seit dem Aufbruch 1968 erinnert wurde, lag es nahe, die Frage der publizistischen Verarbeitung historischer Ereignisse in Sicht auf ihre Relevanz für heutige Kämpfe aufzuwerfen. Wie bei früheren Messebesuchen konnte der Schattenblick einige VerlegerInnen und AktivistInnen dafür gewinnen, zu diesem Teil ihrer professionellen wie politischen Arbeit kurz und prägnant Stellung zu beziehen.


Martin Birkner am Stand des Verlages - Fotos: © 2018 by Schattenblick Martin Birkner am Stand des Verlages - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Zukunftweisendes vom Mandelbaum Verlag
Fotos: © 2018 by Schattenblick

So betont Martin Birkner vom Wiener Mandelbaum Verlag, daß es für die linke Geschichtsschreibung eigentlich selbstverständlich sei, die Gegenwart mitzudenken. Könnten dadurch historische Fehler vermieden werden, dann sei schon viel gewonnen. Allerdings verwahrt er sich dagegen, Blaupausen für gesellschaftliche Entwürfe aus der Geschichte zu entnehmen, denn die Zukunft komme auch aus der Zukunft. Politisch und verlegerisch habe er die Erfahrung gemacht, daß bei WissenschaftlerInnnen und politischen Gruppen, die sich zu sehr in ihrer Geschichte verlieren, der Bezug zur Gegenwart fehlen kann. Gegen die revolutionärer Romantik, in der sie sich einrichteten, habe er nichts, aber sie müsse in die Gegenwart vermittelt werden.


Auslage mit Solimaterial - Foto: © 2018 by Schattenblick

Am Stand des Bündnisses Widerstand Mai31
Foto: © 2018 by Schattenblick

Eine junge Aktivistin aus Nürnberg, die Widerstand gegen die Abschiebung flüchtender Menschen leistet, meint, daß der gesellschaftliche Rechtsruck zwar das Interesse an linker Geschichte fördere, dieses Engagement in ihrer Generation dennoch auf eine kleinere Minderheit beschränkt bleibe. Ihre Politisierung habe auf den Demos gegen Pegida und den Protesten gegen Abschiebungen an der Schule angefangen. Das Bündnis Widerstand Mai31, in dem sie aktiv ist und das auf der Messe mit einem Stand vertreten war, bildete sich nach dem 31. Mai 2017. An diesem Tag versuchten SchülerInnen in Nürnberg, die Abschiebung des Berufsschülers Asif N. nach Afghanistan zu verhindern, wofür sie von der Polizei brutal verprügelt wurden. Daraus, daß weder die Abschiebungen noch die Unterdrückung des dagegen gerichteten Widerstandes hinnehmbar sei, habe sie die Konsequenz gezogen, politisch aktiv zu werden und mit flüchtenden Menschen zu arbeiten und zu kämpfen.


Am Stand des Verlages - Foto: © 2018 by Schattenblick

Bahoe Books - das andere Österreich
Foto: © 2018 by Schattenblick

Für den Verleger des österreichischen Verlages Bahoe Books gibt es keine neutrale Geschichtsschreibung, denn jede Geschichtsschreibung sei politisch. Bei der Auswahl der Titel gelte der Anspruch, für alle Bücher politisch einstehen zu können, was sich auch aus dem persönlichem Kontakt zu den AutorInnen ergebe. Geschichtspolitik sei ein heiß umkämpftes Feld mit unterschiedlichsten Akteuren, wie die Rechte zeigt, die über sehr viele Medien verfügt. Dementsprechend sind Bahoe Books im weitesten Sinn antifaschistisch und aufklärerisch aktiv, zudem sei das Programm aufgrund des Standortes in Wien stärker auf Südeuropa orientiert, als es bei linken Verlagen in Deutschland der Fall ist.


Stand mit Flyern und Ansteckern - Fotos: © 2018 by Schattenblick Stand mit Flyern und Ansteckern - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Für anarchosyndikalistische Organisation in Arbeitskämpfen
Fotos: © 2018 by Schattenblick

Am Stand der Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) erklärt ein Aktivist, daß ihnen die Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung besonders wichtig sei. So werde bei der FAU auch mit Kritik an der Geschichte der eigenen Bewegung nicht gespart. Es gebe großes Interesse daran, seine eigene Geschichte zu schreiben und dies nicht nur rückwärts gewandt zu tun. Ein Genosse ergänzte, daß es auf jeden Fall darum gehe , aus der Vergangenheit zu lernen und etwa die Gegebenheiten damals und heute zu vergleichen. Er sei insbesondere an der Transformation von Ideen interessiert, also einer Ideengeschichte, die auf die Gegenwart und Zukunft gerichtet ist.


Aktivist am Stand der Falken mit Plakat, auf dem Mitgliederinnen und Mitglieder des Roten Frontkämpferbundes (RFB) und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KVJD) 1931 unter einem Transparent mit der Aufschrift 'Wir sind die Jugend des Hochverrats' stehen - Foto: © 2018 by Schattenblick

"Wir sind die Jugend des Hochverrats" [6] - Die Falken traditionsbewußt Foto: © 2018 by Schattenblick

Für den Aktivisten Nico von den Falken besteht die Aufgabe des Studiums geschichtlicher Ereignisse darin, daß AnarchistInnen, SozialistInnen und KommunistInnen anhand von Fragen wie derjenigen, auf welche Weise die Novemberrevolution von der Sozialdemokratie zerschlagen wurde, herausfinden sollten, wie wehrhaft eine Revolution sein müsse und mit wem dabei zusammenzuarbeiten sei. Es gelte wie im Falle der Oktoberrevolution und ihres Umschlagens in den Stalinismus, aus dem eigenen Scheitern zu lernen und die Traumata, die Linke angesichts negativ verlaufener Versuche revolutionären Handelns zu verarbeiten haben, für die Glaubwürdigkeit einer sozialistischen Zukunft zu verarbeiten.


Stand des Verlages Das Freie Buch - Foto: © 2018 by Schattenblick

Freie Deutsche Jugend - auch ohne Massenorganisation aktiv
Foto: © 2018 by Schattenblick

Für die Aktivistin Terry am Stand der Freien Deutschen Jugend (FDJ) stellt sich bei geschichtlichen Ereignissen immer die Frage, ob sie für die Revolution oder den Aufbau des Sozialismus nützlich sind, ob Fehler wie Erfolge angemessen analysiert werden. Wenn die Bourgeoisie nicht enteignet oder ihre Truppen nicht entwaffnet werden, so lasse sich aus solchen Fehlern lernen.


Büchertisch mit zwei Personen - Foto: © 2018 by Schattenblick

Gerd Stange und Astrid Schmeda am Stand der Edition Contra-Bass
Foto: © 2018 by Schattenblick

Gerd Stange von der Edition Contra-Bass hat sich ausführlich mit historischen Themen auseinandergesetzt, so in einem Essay, dem die Frage zugrundeliegt, warum die Entwicklung Europas unter islamischem Einfluß einen positiven Verlauf nahm, der durch die katholische Kirche wieder zerstört wurde. In einem zweite Essay versucht er, das Thema Demokratie von den Griechen bis heute aufzurollen. Zur Zeit beschäftigt er sich mit der Frage der Revolution aus bürgerlicher wie sozialistischer Sicht. Die Gründe ihres Scheiterns zu eruieren interessiert ihn letztlich, um etwas Neues zu entdecken und die Frage, wohin sich die Menschen entwickeln können, zu beantworten. Viele publizistische Arbeiten hingegen seien nur mit der Darstellung dessen befaßt, woran eine Revolution gescheitert ist und stellen nicht die Frage, was aus dem Scheitern zu lernen sei und wie darüber hinausgegangen werden kann.


Drei Bücher der Edition Contra-Bass - Fotos: 2018 by Schattenblick Drei Bücher der Edition Contra-Bass - Fotos: 2018 by Schattenblick Drei Bücher der Edition Contra-Bass - Fotos: 2018 by Schattenblick

Fotos: 2018 by Schattenblick

In diesem Sinne hat Astrid Schmeda, ebenfalls von der Edition Contra-Bass, die spanische Revolution noch einmal gründlich in Hinsicht auf dabei entstandene Kooperativen untersucht, die es in dieser Form in keiner anderen Revolution gegeben habe, auch nicht in der Ukraine. Innerhalb weniger Tage habe eine anarchosyndikalistische Bewegung von zweieinhalb Millionen Menschen auf dem Land in Spanien eine neue, in großer Vielfalt hervortretende Gesellschaft geschaffen. Häufig sei gefragt worden, warum dieser Sommer der Anarchie so kurz war und warum er von der Sowjetunion zerschlagen wurde, aber das Neue, das Zukunftsweisende wurde bislang nur unzureichend untersucht.


Stand der Tageszeitung und des Kulturmagazins - Fotos: © 2018 by Schattenblick Stand der Tageszeitung und des Kulturmagazins - Fotos: © 2018 by Schattenblick

junge Welt und Melodie & Rhythmus aus einer Hand
Fotos: © 2018 by Schattenblick

Bei der Tageszeitung junge Welt traf der Schattenblick auf den Verlagsleiter Andreas Hüllinghorst. Er unterstrich den aufklärerischen Anspruch seiner Tageszeitung, dem man insbesondere in langen Artikeln auf den Themaseiten gerecht werde. Bei den dort präsentierten historischen Ereignissen etwa des Zweiten Weltkrieges soll das Lesepublikum in die Lage versetzt werden zu verstehen, was damals in der Bevölkerung, aber auch einzelnen Schlachten geschah. Dabei sei immer mitzudenken, wo heute geschieht und ob die Entwicklung in einer ähnlichen Richtung verlaufen könne.

Zur Frage des Schattenblicks, ob der Entscheidung, den sozialökologischen Kämpfen im Rheinland dieses Jahr weit mehr Raum in der Zeitung zuzugestehen als früher, eine verlegerische Strategie zugrunde liege oder ob diese Gewichtung im Angebot einfach der Tagesaktualität geschuldet sei, erklärte Hüllinghorst, daß die Menschen bei der jungen Welt über die Demonstrationen in diesem Herbst sehr erfreut seien. Im Hambacher Forst sei wirklich etwas erreicht worden, zudem gebe es deutlichen Protest gegen die gesamte rechte Entwicklung, der sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Die junge Welt stehe auf alle Fälle gegen diese Entwicklung und sehe an den Protesten, daß sie damit nicht alleine sei. Zwar werden viele Menschen aus Ungerechtigkeitsgefühl aktiv, seien aber auch bereit, eine linke Haltung einzunehmen. Demgegenüber herrsche im traditionellen linken Bereich viel Resignation, was zur Folge habe, daß die Menschen sich ins Privatleben zurückzögen oder gar die Seiten ins nationalistische Lager wechselten.


Buch- und Zeitungstitel mit unterschiedlichen Schwerpunkten - Fotos: © 2018 by Schattenblick Buch- und Zeitungstitel mit unterschiedlichen Schwerpunkten - Fotos: © 2018 by Schattenblick Buch- und Zeitungstitel mit unterschiedlichen Schwerpunkten - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Aus dem Vollen geschöpft ...
Fotos: © 2018 by Schattenblick

Die Linke Literaturmesse in Nürnberg und die Linken Buchtagen in Berlin sind die zwei großen Veranstaltungen für emanzipatorische und revolutionäre Literatur in der Bundesrepublik. Man könnte sie als ideologische Antipoden bezeichnen, doch sind es zugleich komplementäre Kulturereignisse einer Linken, die es sich in Anbetracht der gesellschaftlichen Offensive der Neuen Rechten kaum leisten kann, sich weiterhin in ideologischen Grabenkämpfen zu verstricken. Für den Schattenblick, der dieses Jahr beide Messen besucht hat, handelt es sich unterschiedslos um wichtige Treffen, werden dort doch die Parameter gesellschaftskritischer Theoriebildung auf eine Weise präsentiert, die viele Zugänge zum Stand linker Bewegung eröffnet. Wort und Schrift ersetzen keine Taten, aber ohne die Mühe, sich der Vielfalt und Widersprüchlichkeit historischer wie heutiger Befreiungsversuche zu bemächtigen, versinkt die Praxis sozialen Widerstands erst recht rückstandslos im Strom des Vergessens. Sich auf die Spur der Namen und Stimmen, der Gesichter und Akteure dieser Kämpfe zu begeben kann die Wiederkehr manch schmerzhafter Enttäuschung und Niederlage zugunsten des Erstreitens neuer Handlungsmöglichkeiten verhindern.


Szenen und Plakat der Linken Literaturmesse - Fotos: © 2018 by Schattenblick Szenen und Plakat der Linken Literaturmesse - Fotos: © 2018 by Schattenblick Szenen und Plakat der Linken Literaturmesse - Fotos: © 2018 by Schattenblick

Messeimpressionen
Fotos: © 2018 by Schattenblick


Fußnoten:


[1] Karl-Heinz Roth: Die "andere" Arbeiterbewegung - und die Entwicklung der kapitalistischen Repression von 1880 bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zum Neuverständnis der Klassengeschichte in Deutschland. München, 4. Auflage 1977, S. 70

[2] https://www.jungewelt.de/artikel/341748.100-jahre-arbeitsgemeinschaft-konsens-statt-klassenkampf.html

[3] https://www.heise.de/tp/features/100-Jahre-Sozialpartnerschaft-und-Volksgemeinschaft-4197830.html

[4] https://www.deutschlandfunk.de/spd-loest-historische-kommission-auf-eine-gewisse.862.de.html?dram:article_id=424525

[5] http://1918unvollendet.blogsport.eu/unsere-gemeinsame-erklaerung/

[6] http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71016629


8. November 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang