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INTERVIEW/133: 24. Linke Literaturmesse - es gibt das Problem der Männergewalt ...    Lena Becker im Gespräch (SB)



Lena Becker ist Pressesprecherin des Bündnisses aus einigen Gruppen und Einzelpersonen, die die Demonstration gegen den Deutschen Genderkongress, der Anfang November zum dritten Mal in Nürnberg stattfand, organisiert haben [1]. Am Rande der Protestkundgebung am 2. November erklärte sie dem Schattenblick, wieso dieses Treffen nicht unkommentiert bleiben konnte.


Transparent Nie wieder 'Heimchen am Herd'! Nieder mit dem Genderkongress - Foto: © 2019 by Schattenblick

Feministische Kampfansage
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Lena, könntest du einmal ganz allgemein sagen, worum es beim Deutschen Genderkongress geht?

Lena Becker (LB): Beim Deutschen Genderkongress handelt es sich um einen Zusammenschluß von ganz vielen unterschiedlichen Unterstützergruppen, die sich in einem Männerrechtskontext bewegen und zum Teil auch Anbindungen an die extreme Rechte haben. Zu den UnterstützerInnen des Genderkongresses gehören zum Beispiel die ausgesprochen antifeministische Demo für Alle oder auch Wikimannia, die sich in einem eindeutig antifeministischen Kontext bewegen. Unter dem Deckmantel der Chancengleichheit für alle werden hauptsächlich Männerrechtspositionen vertreten und antifeministische Inhalte propagiert. Sie gehen davon aus, daß Männer durch den Feminismus und durch emanzipierte Frauen in der Gesellschaft massiv unterdrückt werden und entwickeln dazu ganz absurde Vorstellungen. Sie verkehren die Opferperspektive in ihr Gegenteil und tun so, als seien Männer die Opfer und Diskriminierten. Dadurch verleugnen sie die Realität, in der Frauen tatsächlich massiv diskriminiert und benachteiligt werden.

Antifemenistische Positionen sind ein starkes Bindeglied zwischen allen reaktionären Strömungen, ob es um christlich-fundamentalistische Positionen oder um weit rechtsaußen stehende Positionen geht. Das ist das verbindende Element. Indem sie sich einen ganz bürgerlichen Anstrich geben, versuchen sie, antifeministische Positionen gesellschaftsfähiger zu machen. Das sieht man auch an den Leuten, die dort referieren. Unter ihnen befinden sich viele, die in rechten Verlagen publizieren, für die auch Jürgen Elsässer, Björn Höcke oder Alexander Gauland schreiben. Daran merkt man schon, daß es sich nicht einfach nur um ein paar arme Väter handelt, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben dürfen. Da wird schon ein krasser Opfermythos konstruiert.

SB: Genderkongress hört sich erst einmal neutral an oder suggeriert sogar eine fortschrittliche Herangehensweise an die Geschlechterthematik. Wie kommt es zur Verwendung dieses Begriffes, der eher in emanzipatorischen Geschlechtertheorien zu Hause ist?

LB: Es wird versucht, den Begriff Gender anders zu besetzen. So heißt es auf der Webseite des Genderkongresses: "Unter Gender wurde bisher nur Frauenpolitik verstanden. Jedoch erleiden heute primär Männer, Väter und Jungen massive Benachteiligungen in Deutschland." [2] Das ist natürlich kompletter Quatsch. Sie versuchen, mit dem Begriff zu arbeiten, um zu postulieren, daß in der Gegenwart nur deswegen von der Unterdrückung der Frauen ausgegangen wird, weil es immer Feministinnen gibt, die das permanent behaupten. So wird dieses komische Gedankenkonstrukt begrifflich besetzt.

SB: Ansonsten ist in der Neuen Rechten meist von "Gender-Wahn" die Rede. Handelt es sich um eine neue Strategie, diesen Begriff zu vereinnahmen?

LB: Zum Teil ja. Ich würde schon sagen, daß es ein anderer Ansatz ist. Ich glaube, sie wollen damit tatsächlich andere Leute ansprechen. Auf ihrer Webseite werben sie zum Beispiel ganz konkret um Männer, die keinen Kontakt mit ihren Kindern haben dürfen, weil irgendwelche bösen Frauen im Hintergrund ihre Machenschaften betreiben. Von daher ist es ein bißchen zielgruppenspezifisch. Ich denke nicht, daß es darum geht, innerhalb der gesamten Rechten den Begriff Gender positiv zu besetzen, sondern es ist einfach für diesen Kongreß sehr hilfreich, wenn man diesen Begriff verwendet, weil er nach außen komplett anders wirkt. Man muß sich die Texte auf der Webseite schon durchlesen, um zu sehen, daß es nicht ein in irgendeiner Art und Weise fortschrittlicher Kongreß ist, sondern es dort wirklich zutiefst reaktionär zugeht.

SB: Wie würdest du dir erklären, daß Antifeminismus quer durch das rechte Spektrum eine Konstante in den Feindbildern [3] darstellt?

LB: Letztendlich schreiben sich fast alle rechten Bewegungen auf die Fahne, daß alles gleich bleiben soll. Das ist an sich ein sehr patriarchales, männlich dominiertes Thema. In der Sicht auf die Szene hat sich natürlich in den letzten Jahren einiges getan, was gut ist, aber trotzdem werden eigentlich durchgängig durch alle rechten Strömungen antifeministische Positionen vertreten und der Feminismus wird als eine der größten Gefahren für die heile Welt betrachtet. Es ist dadurch, daß in der Rechten sehr konservative Familienbilder oder Rollenvorstellungen gepriesen und gelebt werden, eigentlich ganz logisch, daß alle Strömungen, die sich gegen diese Konzepte und Normen positionieren, negativ besetzt werden.

SB: Wie weitgehend, würdest du sagen, besteht der Anlaß zu dieser feindseligen Haltung auch darin, daß nicht mehr nur die Unterdrückung der Frau überwunden werden soll, sondern, zumindest im Queerfeminismus, Geschlechtlichkeit in ihrer binären Form überhaupt in Frage gestellt wird? Gibt es da Hinweise im Programm des Genderkongresses?

LB: Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe zwar die Titel der Veranstaltungen gelesen, weiß aber nicht genau, worüber dort referiert werden soll. Ich glaube, die feministische Bewegung ist insgesamt größer geworden oder ist dabei, größer und stärker zu werden, was man auch daran sieht, daß es in ganz vielen deutschen Städten zum 8. März Streikbewegungen gibt. Das Problem der Frauenunterdrückung geht halt immer mehr Menschen wirklich krass auf die Nerven, so daß sie sich aktiv dagegen wehren. Das könnte ein Stück weit damit zu tun haben, daß diese Bewegung, je umtriebiger sie wird und je mehr neue Positionen sie entwickelt, die Gegenseite geradezu provoziert, aufzuschließen und die eigene Haltung zu aktualisieren. Ich glaube, letztendlich ist im Grunde egal, was für feministische Positionen vertreten werden, weil es ja immer das gemeinsame Feindbild ist. Ich glaube, daß es keine große Rolle spielt, ob jetzt Queerfeminismus oder eine andere Form von Feminismus vertreten wird, um von der Rechten angegriffen zu werden.

SB: Eine Frage noch zum Feminismus als solchem. Es gibt zwischen einigen Feministinnen der sogenannten zweiten, also der 70er, 80er Jahre, und der dritten, queerfeministischen Generation einige inhaltliche Streitpunkte. Ist das deiner Ansicht nach nur ein vorübergehendes Phänomen oder sind die Positionen, die sich dabei gegenüberstehen, auf Dauer unvereinbar?

LB: Ich persönlich hielte es für wünschenswert, wenn dieser Gegensatz aufgehoben werden könnte. Auf der anderen Seite ist allerdings wunderbar, wenn es unterschiedliche Positionen gibt, an denen man sich reiben kann und auch vielleicht weiterkommt. Es ist schon wichtig, sich mit gegensätzlichen Positionen auseinanderzusetzen, das kann eine Bewegung insgesamt weiterbringen. Ich glaube dennoch, daß diese Streitpunkte für viele schwierig zu begehen sind, aber allgemein kann ich ganz schlecht etwas dazu sagen.

SB: Lena, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnoten:


[1] http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/report/dbrb0106.html

[2] https://www.genderkongress.org/ziel/

[3] http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/report/dbrb0078.html


18. November 2019


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