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MARKT/132: Exportoffensive mit Nebenwirkungen (UBS)


unabhängige bauernstimme, Nr. 397 - März 2016
Eine Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Exportoffensive mit Nebenwirkungen
EU drängt auf Marktöffnung - auch für Milchpulverexporte nach Afrika

Von Berit Thomsen


Es läuft alles nach Plan, zumindest wenn man sich in die Logik der Agrar- und Lebensmittelindustrie hineinversetzen will. Die EU-Politik, auch beeinflusst von Deutschland, versucht unter Volldampf die Märkte in Drittländern zu öffnen. Die so genannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und den ärmsten Ländern der Welt schreiten voran. Aktuell liegen weit gehende Handelsverträge zur Liberalisierung zwischen der EU und westafrikanischen Ländern auf dem Tisch, die noch in den Ländern ratifiziert werden müssen. Soweit zu den bilateralen Handelsbemühungen. Multilateral hat die EU während der jüngsten Verhandlungsrunde in der Welthandelsorganisation (WTO) im Dezember letzten Jahres mit durchgesetzt, dass die Doha-Entwicklungsrunde der WTO abgebrochen wird. Diese hatte u. a. vorgesehen, dass Entwicklungsländer Ausnahmen genießen sollen, wenn es um Marktöffnung geht. Zwar reichen solche Zugeständnisse lange nicht aus für ein faires Handelsmodell, dennoch zeigt die Absage der EU, dass jegliche Interessen an Fairness gegenüber armen Ländern hinter Konzerninteressen gestellt werden.


Milchpulverflut

In die Logik dieser aggressiven Handelspolitik krallt sich auch die EU-Milchmarktpolitik. Die steigenden Milchmengen benötigen offene Märkte. In nur vier Jahren haben sich die Exporte von Milchpulver aus der EU fast verdoppelt auf 7,8 Millionen Tonnen Milchäquivalent, also der für die Herstellung von Voll- und Magermilchpulver benötigten Menge Milch, im Jahr 2014. Das besagt die Studie "Billiges Milchpulver für die Welt", herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Germanwatch. Die Exporte nach Afrika südlich der Sahara nahmen in demselben Zeitraum um mehr als ein Viertel zu. Insgesamt wurden 1,24 Millionen Tonnen, gemessen in Milchäquivalenten, in diese Region der armen und am wenigsten entwickelten Länder exportiert. Auch die jährlichen Exporte von mit Pflanzenfett angereichertem Magermilchpulver, das vor allem Konsument/innen mit niedrigem Einkommen anspricht, haben sich in den letzten zehn Jahren auf über 700.000 Tonnen verdoppelt. Davon werden 256.000 Tonnen jährlich nach Afrika südlich der Sahara exportiert, der größte Teil davon wiederum nach Westafrika. Mit dieser Menge können - auf niedriger Qualitätsstufe - etwa 1,6 Millionen Tonnen Frischmilch ersetzt werden. Dass die Milch in Europa mittlerweile so billig ist, hat auch dazu geführt, dass die EU in der WTO leicht ihr Versprechen einlösen konnte, die Exportsubventionen ab sofort zu verbieten. Allerdings gibt es noch Ausnahmen für den Export von Schweinefleisch bis 2020.

Diese Exporte bringen afrikanische Milchbauern in Existenznöte. Molkereiunternehmen wie Arla, Friesland-Campina und Danone investieren in die Milchverarbeitung in Westafrika und verarbeiten oftmals vermehrt das billige Milchpulver. Hingegen arbeiten lokale Kleinstmolkereien eng mit den heimischen Erzeugern zusammen, verarbeiten deren Milch weiter und vermarkten sie. Ihre Vermarktungsstrukturen können mit der Billigkonkurrenz etwa der europäischen Molkereien oder auch inländischer wachsender Molkereistrukturen kaum konkurrieren. Misereor weist darauf hin, dass in Burkina Faso insbesondere die Frauen nomadischer Viehhirten auf den Milchverkauf als Einnahmequelle angewiesen seien. Durch die Konkurrenz mit europäischem Milchpulver verlieren die Viehhirten ihre Existenzgrundlage. Die Ernährungssouveränität dieser Familien werde untergraben, jungen Menschen fehle es an beruflichen Perspektiven und sie sehen zum Teil keine Zukunft mehr in ihrem Land. Letztlich seien die nomadischen Viehhirten in Burkina Faso, so Wilhelm Thees, Agrarexperte bei Misereor, ein Beispiel dafür, wie sich durch eine immer ausweglosere ökonomische Situation Menschen radikalisieren oder zur Flucht veranlasst sehen könnten - auch über das Mittelmeer nach Europa.

Berit Thomsen, AbL - Internationale Agrarpolitik

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Quelle:
unabhängige bauernstimme, Nr. 397 - März 2016, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2016

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