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MELDUNG/001: Todesstrafe nein, Gift für die Spritze ja - EU soll Handel verbieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010

Menschenrechte: Todesstrafe nein, Gift für die Spritze ja - EU soll Handel verbieten

Von David Cronin


Brüssel, 5. November (IPS) - Die Europäische Union macht bisher keine Anstalten, die Bestimmungen für den Handel mit Produkten einzuschränken, die bei Folterungen und der Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden. Das gilt auch für Sodium Thiopental, eines von drei Giften, mit denen Todeskandidaten in mehr als 30 US-Bundesstaaten getötet werden. Geliefert wird die Substanz von einem britischen Unternehmen. Nun darf sich die Regierung in London auf eine Klage der Menschenrechtsgruppe 'Reprieve' gefasst machen.

Aus britischen Beständen stammte auch die Substanz, die Ende Oktober dem US-Amerikaner Jeffrey Landrigan den Tod brachte. Als Begründung führte der Generalstaatsanwalt im US-Bundesstaat Arizona an, dass der Wirkstoff in den USA knapp geworden sei.

Reprieve hatte London aufgefordert, den Handel mit Sodium Thiopental einzuschränken. Doch Wirtschaftsminister Vince Cable wies die Forderung mit der Begründung zurück, dass die USA nach einer Einstellung der britischen Lieferungen die Chemikalie jederzeit aus anderen Ländern beziehen könnten. Daraufhin kündigte die Menschenrechtsorganisation an, gegen die britische Regierung gerichtlich vorzugehen.

Gegner der Todesstrafe drängen auf neue EU-Handelsbestimmungen, die unter anderem Pharmaunternehmen den Verkauf von Sodium Thiopental verbieten. Die EU-Kommisson ließ zwar inzwischen wissen, dass sie gegen die Todesstrafe sei, die bestehende Handelsregelung von 2005 aber nicht modifizieren werde, da Sodium Thiopental in der Medizin auch "auf breiter Ebene" als Betäubungsmittel eingesetzt werde.


EU beruft sich auf Weltgesundheitsorganisation

"In der EU gelten Bestimmungen, die den Handel mit Produkten untersagen, die bei Hinrichtungen und Folterungen verwendet werden", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Auch der Handel mit "automatischen Injektionshilfen, die für die Hinrichtungen von Menschen entwickelt wurden", sei verboten. Sodium Thiopental sei auf den entsprechenden Verbotslisten aber nicht aufgeführt, da es von der Weltgesundheitsorganisation WHO zu den grundlegenden Medikamenten gerechnet werde.

Menschenrechtsaktivisten würden immerhin den Kompromiss gelten lassen, das die Substanz kontrolliert an Hospitäler, nicht aber an Vollstrecker von Todesurteilen verkauft werden könnte. Unter anderem fordert auch 'Amnesty International' stärkere Kontrollen.

Richard Dieter, der Direktor des 'Death Penalty Information Center' in Washington, ist der Ansicht, dass ohnehin kein Unternehmen mit Substanzen in Verbindung gebracht werden möchte, die der Tötung von Menschen dienen.

Reprieve setzt sich zurzeit für den Todeskandidaten Ed Zagorski ein, der im Januar im US-Bundesstaat Tennessee hingerichtet werden soll. Tennessee gehört mit Kentucky, Oklahoma und Missouri zu den Staaten, denen Sodium Thiopental allmählich ausgeht.

"Ironischerweise wurde Ed Zagorski, der seine Unschuld beteuert, vorgeworfen, eine Rolle in einem schief gelaufenen Drogengeschäft gespielt zu haben", sagte Clive Stafford Smith, der für Reprieve arbeitet. "Wenn die britische Regierung an ihrer Politik feiger Tatenlosigkeit festhält, wird Zagorsky an den Folgen eines weiteren gescheiterten Drogendeals sterben." Nutznießer sei eine britische Firma, die dafür 18.000 US-Dollar 'Blutgeld' einkassiere.


Hersteller sieht sich nicht verantwortlich

Der einzige Hersteller in Großbritannien, 'Archimedes Pharma UK', erklärte, keine Kontrolle über die spätere Verwendung des Präparates zu haben. Die Firma bestritt damit, Sodium Thiopental wissentlich für Hinrichtungen in Arizona bereitgestellt zu haben. Es ist jedoch bekannt, dass der Bundesstaat die Substanz in einer Menge bezogen hat, die für vier Exekutionen ausreicht.

Die Behörden des Bundesstaates wollten allerdings keine Auskunft darüber erteilen, von wem und auf welchem Weg das Sodium Thiopental ins Land gelangt war. Arizona hat unterdessen vor dem Obersten Gerichtshof der USA einen Rechtsstreit gewonnen, nachdem ein untergeordnetes Gericht von dem Bundesstaat verlangt hatte, den Lieferanten der Substanz zu nennen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.reprieve.org.uk/
http://www.deathpenaltyinfo.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53456


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2010