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ITALIEN/014: Ex-Premier Berlusconi erneut verurteilt (Gerhard Feldbauer)


Ex-Premier Berlusconi erneut verurteilt

Sieben Jahre Gefängnis wegen Sex mit minderjähriger Prostituierter, Nötigung und Amtsmissbrauch

von Gerhard Feldbauer, 26. Juni 2013



Jubel und Zustimmung einer großen Menschenansammlung am 24. Juni vor dem Gerichtsgebäude in Mailand, als das Urteil der Richter im sogenannten Ruby-Prozess gegen Silvio Berlusconi bekannt gegeben wurde: An 50 Tagen verhandelte das Gericht 26 Monate den brisantesten Fall des 77jährigen Ex-Premiers. Gestützt auf zahlreiche Zeugenaussagen und abgehörte Telefonate der Ruby verhängte es sieben Jahre Gefängnis (ein Jahr mehr als die Staatsanwaltschaft beantragt hatte) wegen bezahltem Sex mit einer Minderjährigen, Nötigung und Amtsmissbrauch sowie Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter auf Lebenszeit. Die damals 17jährige Prostituierte marokkanischer Herkunft Karima El Mahrough, die sich Ruby Ruhacuori (Herzensbrecherin) nannte, war kurze Zeit später von der Polizei festgenommen worden. Als Premier ordnete Berlusconi ihre Freilassung an, da sie eine Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Mubarak sei. Die in der Villa Arcore Berlusconis in Mailand veranstalteten Sex-Orgien, an denen Ruby teilnahm, werden als ein Fall organisierter Zuhälterei gesehen, in dem demnächst in einem Prozess Ruby 2 gegen mehrere Personen im Dunstkreis des Ex-Premiers verhandelt werden soll. 33 Zeugen, die Berlusconis Verteidigung zur Widerlegung der Anklage aufbot, droht eine Klage wegen falscher Zeugenaussagen. Es ist binnen sechs Wochen der zweite Richterspruch gegen den Ex-Premier. Im Mai war ein 2012 wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe zu vier Jahren Gefängnis und zur Zahlung von zehn Millionen Euro an die Staatskasse verhängtes Urteil in zweiter Instanz bestätigt worden. In Neapel steht als nächstes eine Anklage wegen Bestechung eines Senators der Partei der Werte Italiens (IdV) an, dem der Mediendiktatur für einen Wechsel zu seiner PdL drei Millionen Euro gezahlt haben soll. Das ermöglichte es 2008 die Mitte Links-Regierung Romano Prodis zu stürzen. Ein von Berlusconi beim Obersten Kassationsgericht eingereichter Antrag auf Einstellung der Verfahren wurde abgelehnt. Gegen das jetzt in Erster Instanz verhängte Urteil haben Berlusconis Anwälte bereits Berufung angekündigt.


"Schlimmer als Mussolini"

Berlusconi hat wie immer alles geleugnet und sich als Opfer linker Richter, die ihn politisch ausschalten wollten, bezeichnet, und das Urteil, wie es in Presse-Berichten hieß, "rot vor Wut" angehört. Gestützt auf eine ihm für den Beitritt seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) in die Regierungskoalition mit der Demokratischen Partei (PD) angeblich zugesagte Justizreform, die ihm Straffreiheit verschaffen soll, verlangte er, diese sofort durchzuführen, andernfalls der Regierung kein "langes Leben mehr" beschieden sei. Die standhaften Staatsanwälte und Richter Mailands machen dem angeblich von den Sozialdemokraten (PD) mit der faschistoiden PdL des Mediendiktators ausgehandelten und vom Staatschef Giorgio Napolitano abgesegneten Deal einen Strich durch die Rechnung. In den Berlusconi-kritischen Medien wird der Ton schärfer. Er wird "Possenreißer" und Hanswurst" genannt, der sich in den vergangenen 20 Jahren "schlimmer als Mussolini" aufgeführt habe, hieß es in "La Repubblica". Die Justiz habe gerade bewiesen, dass sie richtig funktioniert und es gebe hier "nichts zu retuschieren". Leserbriefe an das Sprachrohr der PD sind voller Zustimmung und Anerkennung, dass "Recht und Gesetz" endlich durchgesetzt werden. In Berlusconis PdL hält man sich deshalb vorerst zurück und hat wohl nicht die Absicht, mit ihm ins politische Aus zu marschieren. Ministerpräsident Enrico Letta (PD) hat die angedrohte Forderung nach Neuwahlen zurückgewiesen. Er geht offensichtlich davon aus, dass bei einem Ausscheiden der PdL aus der Koalition er inzwischen von den Abweichlern der 5 Sterne-Bewegung Peppe Grillos Unterstützung für eine regierungsfähige Mehrheit erhalten werde.


Regierungschef lehnt Neuwahlen ab

Über ein Dutzend Prozesse konnte Berlusconi in den vergangenen mehr als 20 Jahren während seiner Amtszeit als Premier mit juristischen Tricks und Gesetzen bis hin zur sogenannten Lex Berlusconi, die Strafermittlungen gegen ihn untersagte, niederschlagen oder Verjährung erreichen. Doch nun wird es eng für ihn. Das Urteil wegen Steuerbetrugs will die Mailänder Staatsanwaltschaft spätestens Anfang 2014 in der dritten und damit letzten Instanz rechtskräftig abschließen. Auch wenn dem Mediendiktator dann schon aus Altersgründen eine Gefängniszelle erspart bleibt, dürfte es seinen politischen Bankrott, darunter den Ausschluss aus dem Parlament und wie es im jetzigen Urteil heißt, das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter bedeuten. Für den machtbesessenen Mediendiktator eine vernichtende Strafe.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2013