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ITALIEN/031: Der Rottamatore hat es geschafft (Gerhard Feldbauer)


Der Rottamatore hat es geschafft

- Früherer Christdemokrat Renzi neuer PD-Vorsitzender
- Partei rückt deutlich nach rechts

von Gerhard Feldbauer, 9. Dezember 2013



Mit der Wahl des 38jährigen Matteo Renzi zum neuen Vorsitzenden am gestrigen Sonntag in Primarie (in den Vorwahlen) rückt die italienische Demokratischen Partei (PD) deutlich nach rechts. Für Renzi stimmten 67,8 Prozent der rund 2,5 Millionen Teilnehmer. Im Frühjahr war Renzi - wegen seines offen verkündeten Ziels, die alte, meist noch aus der 1991 in eine sozialdemokratische Linkspartei umgewandelten Kommunistischen Partei (PCI) kommende alte Funktionärsgarde zu verschrotten, Rottamatore genannt - noch gescheitert. Diesmal hatte es tatsächlich keiner aus der alten Führungsriege gewagt, zu kandidieren. In einer heftigen Auseinandersetzung hatte sich der als rechter Flügelmann geltende Renzi gegen zwei Bewerber durchgesetzt: Den zum linken Lager zählenden Gianni Cuperlo und den eher aus der Mitte kommenden Giuseppe Civita, die beide unter 20 Prozent blieben. Dabei war der volkstümlich Pippo genannte Civita als ein Mann "des Ausgleichs" von dem mehrmaligen Chef von Mitte Links-Regierungen, Romano Prodi, unterstützt worden. Prodi gehörte 2007 zu den maßgeblichen Architekten der PD. An den Primarie konnten alle Bürger ab 16 Jahren teilnehmen. Nicht der PD angehörende Wähler hatten zwei Euro zu entrichten. Die Primarie sind nicht zuletzt deshalb umstritten, weil Opponenten der Partei sich an ihnen beteiligen und Einfluss auf einen Wahlausgang nehmen könnten. Mit der Wahl Renzis übernimmt eine verjüngte Führung die Leitung der PD, denn auch Cupperlo und Civita sind beide noch nicht einmal vierzig. Der neue PD-Chef verkündete, wie "La Repubblica" schreibt: "Jetzt sind wir dran, das Heft in die Hand zu nehmen". Das Sprachrohr der PD kommentiert: "Der Rottamatore wird nun zum Reformatore". Premier Letta hat dem neuen Parteichef zugesichert, mit ihm eine "gemeinsame Mannschaft" zu bilden.


Kurs auf Neuwahlen

In der Debatte um die Wahl ging es um die künftige Politik der von der PD unter Enrico Letta angeführten Regierung und vor allem darum, ob die Koalition mit der neuen Rechtspartei Nuovo Centro Destra (NCD) des früheren Berlusconi-Verbündeten und Vizepremier, Angelino Alfano, fortgesetzt werden soll. In der buntscheckigen PD kommen nicht wenige der älteren Parteimitglieder, die sich noch immer als Genossen ansprechen, aus der PCI und der späteren Linkspartei, die sich 2007 schließlich mit der katholischen Zentrumspartei Margherita zusammenschloss. Auf sie gestützt wurden Forderungen laut, das sozialdemokratische Profil der Partei zu stärken. Diese Hoffnungen dürften als gescheitert gelten. Denn der konservative Renzi, der seine Karriere in der Anfang der 1990er Jahre im Korruptionssumpf untergegangenen führenden Regierungspartei des Großkapitals Democrazia Cristiana begann, hatte offen zu verstehen gegeben, dass er damit nichts am Hut hat. 2004 wählten ihn die christdemokratischen DC-Nachfolger zum Vorsitzenden des Provinzrates von Florenz, 2009 wurde er als nunmehriges PD-Mitglied Bürgermeister der Kunststadt. Seine Wahl zum neuen PD-Chef sicherte er sich aber auch durch die Übernahme von Forderungen der PD-Linken, vor allem der Absage an die Fortsetzung der Regierung mit der NCD und Äußerungen zu baldmöglichen Neuwahlen, in denen er die im Parteienspektrum mit etwa 600.000 Mitgliedern stärkste Partei auch zur führenden politischen Kraft machen will. An baldigen Parlamentswahlen dürfte Renzi auch deshalb interessiert sein, weil er selbst kein Abgeordnetenmandat hat. Das Votum für ein neues Parlament, nachdem das jetzige erst im März gewählt wurde, blockierte bisher Staatschef Giorgio Napolitano, der dazu vorher die Kammern auflösen muss. Nun hat das Oberste Verfassungsgericht das 2005 unter Berlusconi eingeführte Porcellum (Schweinchen) genannte Wahlgesetz in Teilen als verfassungswidrig erklärt, weil es der Siegerpartei auch bei nur einer Stimme Mehrheit in der Abgeordnetenkammer einen Bonus von 340 der insgesamt 630 Sitze (54 Prozent) zuspricht. PD-Premier Enrico Letta wurde aufgefordert, dazu umgehend ein neues Wahlgesetzt zu verabschieden. So einfach dürfte das allerdings nicht sein. Während die Rechten damit ein Präsidialsystem durchsetzen wollen, möchte sich die PD am deutschen Wahlgesetz orientieren.

Der Parteitag wurde überschattet von Morddrohungen der Mafia gegen die Staatsanwaltschaft von Palermo, die gegen Ex-Premier Berlusconi - wegen der Bestechung eines Abgeordneten der Mitte Linkskoalition Romano Prodis mit drei Millionen Euro zum Wechsel zu dessen Partei und damit zum Sturz der Prodi-Regierung 2008 - ermittelt. Berlusconi hatte nach seinem Ausschluss aus dem Senat eine "Strategie der Spannungen" angedroht, in die die Mafia-Drohungen sich exakt anfügen.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013