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ITALIEN/032: PRC-Parteitag verschiebt Wahl des Vorsitzenden (Gerhard Feldbauer)


PRC-Parteitag verschiebt Wahl des Vorsitzenden

Dokument über "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" nach viel Kritik angenommen

von Gerhard Feldbauer, 10. Dezember 2013



Ein außerordentlicher Kongress der italienischen Partei der Rifondazione Comunista (PRC) ist nach dreitägigen Beratungen in der Regionalhauptstadt Perrugia (Umbrien) am Sonntag (8. Dezember) ohne die vorgesehene Wiederwahl Paolo Ferreros, der seit 2008 im Amt ist, zu Ende gegangen. Auch die Wahl des Sekretariats wurde verschoben. Es sei, berichtete die Parteizeitung "Liberazione" in der Online-Ausgabe, in der dreitägigen Debatte nicht gelungen, die Schwierigkeiten bei einer Entscheidung über eine Erneuerung der Führungsgruppe zu klären". Dazu soll am 11./12. Januar das neue Politische Komitee zur Beratung zusammentreten. Stimmen aus der PRC verlauten aber, auch dann sei eine Wiederwahl Ferreros nicht sicher. Die noch etwa 30.000 Mitglieder (von 130.000 bei der Gründung) wurden von rund 260 Delegierten vertreten. Davon entfielen 52 Prozent auf die Reformisten (Anhänger Ferreros), 26 Prozent auf die von Claudio Grassi geführte Gruppe Essere Comunisti, acht Prozent auf die trotzkistische Fraktion Falke e Martello (Hammer und Sichel) und 16 Prozent auf weitere Strömungen.

Es war der neunte Parteitag seit die PRC im Dezember 1991 von etwa einem Viertel der Delegierten, die die Umwandlung der IKP in eine sozialdemokratische Linkspartei abgelehnt hatten, gegründet wurde. Dem Kongress lag ein Grundsatzdokument des Politischen Komitees "für den Wiederaufbau einer Linken für eine demokratische Revolution und den Sozialismus des XXI. Jahrhundert" zur Beratung vor, das nach scharfer Kritik, vor allem von "Essere Comunisti", angenommen wurde. Auch von den Anhängern Ferreros hätten viele Bedenken geäußert, aber um der Einheit der Partei Willen, zugestimmt.

An dem Kongress nahm eine Gastdelegation der 1998 von der PRC abgespaltenen Partei der Kommunisten Italiens (PdCI), mit ihrem Vorsitzenden Cesare Procaccini, teil, der den auf deren Parteitag im Juli 2013 unterbreiteten Vorschlag, beide Parteien wieder zu vereinigen, um eine wichtige Grundlage für den weiteren Prozess der Einheit der Kommunisten zu schaffen, wiederholte. Das Dokument war darauf mit keinem Wort eingegangen. Ein Beschluss kam nicht zustande. Ferrero setzte sich mit seiner Ablehnung durch, da er personell um seine Wiederwahl und um seinen reformistischen Kurs fürchtet, der von der PdCI abgelehnt wird.


Antikapitalistisches Programm

Einmütige Zustimmung fand ein umfangreiches Programm des antikapitalistischen Kampfes für demokratische Veränderungen: Gegen Arbeitslosigkeit, Rentenarmut, soziales Elend, für Reformen in Schule und Gesundheitswesen, Wahrung und Erweiterung der Arbeiterrechte, bis zur Wiederherstellung demokratischer Errungenschaften, Verteidigung der antifaschistischen Werte und ihrer Verankerung in der Verfassung gegen die verstärkten neofaschistischen Angriffe. Verlangt wurde die "Überwindung" der NATO, ihrer Militär-Basen, das Ende der weltweiten Militäreinsätze der USA und der NATO, und die italienische Beteiligung daran sowie die Reduzierung der Militärausgaben (Verzicht auf den Milliarden verschlingenden Senkrechtstarter F35), zur Durchsetzung dieser Forderungen eine Aktivierung der einst kampfstarken Friedensbewegung des Landes. Scharf wurden die von dem Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini und der rassistischen Lega Nord unter den faschistoiden Regierungen Berlusconis forcierte Außländerfeindlichkeit angeprangert und die Aufhebung der rassistischen Gesetze, die Immigranten in die ilIegale Arbeit zwingen, gefordert. Eine tiefergehende Analyse der unter den Regierungen Berlusconis angewachsenen faschistischen Gefahr unterblieb dabei.


Ursachen der Niederlagen nicht benannt

Der Parteitag bekannte sich zum Kommunismus als der einzigen Alternative der "barbarischen Ergebnisse des Neoliberalismus". Er würdigte, dass dafür Zehntausende Genossinnen und Genossen in den Bewegungen des Widerstandes, in den Kämpfen gegen das kapitalistische System aktiv sind. Das Projekt eines "Sozialismus des XXI. Jahrhundert" blieb, auch wenn dazu Marx und Engels erwähnt, auf Gramsci Bezug genommen und der Klassenkampf betont wurde, verschwommen und ohne ein Bekenntnis zur kommunistischen Identität.

Obwohl das Dokument betonte, die Ursachen der schweren Niederlagen, die die Partei und die Linken insgesamt in der tiefgehenden Krise des Kapitalismus erlitten haben, zu untersuchen, war davon seitens der Ferrero-Fraktion wenige zu spüren. Hatte der 8. Parteitag 2008 noch die Regierungsbeteiligung der Kommunisten (PRC-Vorsitzender Paolo Ferrero stimmte als Minister für den italienischen Kriegseinsatz in Afghanistan) als entscheidende Ursache der Wahlniederlage 2008 (Absinken der kommunistischen Stimmen von 12 auf 3,1 Prozent in einer als "Regenbogen" bezeichneten Linkskoalition) genannt, wurde jetzt Enrico Berlinguer (von 1972 bis zu seinem Tod 1984 Generalsekretär), der entscheidende Protagonist der Beteiligung an einer Regierung der Großbourgeoisie, der dafür dem Marxismus-Leninismus absagte und in der NATO einen möglichen Schutzschild eines italienischen Weges zum Sozialismus sah, als Integrationsfigur einer kommunistischen Erneuerung genannt.


In drei KPs gespalten

Nicht in Frage gestellt wurde auch die Absage der PRC 2002 an die objektive führende Rolle der Arbeiterklasse im revolutionären Prozess, die damals der kleinbürgerlichen Neo-Global-Bewegung zugeschrieben wurde. Als die PRC sich 2006 gegen starke Kritik erneut an der Regierung der Linken Mitte beteiligte, verließ die von dem Philosophie-Professor Marco Ferranda geführte Gruppe "Progetto Comunista" die PRC und gründete die Kommunistische Arbeiterpartei (PCL), die 2008 bei den Wahlen 0,57 Prozent Stimmen, das waren 208.394 Wähler, erreichte. Damit existieren heute in Italien drei KPs. Die Vorschläge von führenden Kommunisten wie Domenico Losurdo und Luciano Canfora zur Herstellung der Einheit der Kommunisten fanden in Perrugia kein Gehör.


Werbung für Alexis Tsipras

Der Kongress offenbarte seltsame Widersprüche: Zu ihnen gehört, die Absage an ein Zusammengehen mit der 2007 aus einer Fusion der Linksdemokraten (die ihrerseits aus der 1991 aufgelösten IKP hervorgingen) mit der katholischen Zentrumspartei Margherita entstandenen Demokratischen Partei (PD). Gleichzeitig wirbt Ferrero für den griechischen "Linken" Alexis Tsipras als EU-Kommissionsvorsitzenden, einen Kandidaten, der die Spaltung der Kommunisten Europas betreibt.

Ob der Parteitag die gestellte Aufgabe, über innerparteiliche Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten hinweg "eine verantwortliche Führungsgruppe" zu bilden, gelöst hat, halten Beobachter für mehr als fraglich. Es bleibe abzuwarten, ob sich dazu in einem Monat etwas ändern wird.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2013