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ITALIEN/059: Knüppelattacken der Polizei in Rom gegen Arbeiterproteste (Gerhard Feldbauer)


Knüppelattacken der Polizei in Rom gegen Arbeiterproteste

Renzis Konfrontationskurs gegen Gewerkschaften stößt auf entschiedenen Widerstand

von Gerhard Feldbauer, 3. November 2014



Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste von Arbeitern gegen die Entlassung von 550 der 2600 Beschäftigten in den Edelstahlwerken Accial Special Terni (AST), einer Tochter von Thyssen-Krupp, am vergangenen Mittwoch vor der deutschen Botschaft in Rom hat unter den Gewerkschaften und in der regierenden Demokratischen Partei (PD) einen anhaltenden Sturm der Empörung ausgelöst, über den die linksliberale "Repubblica" seit Tagen berichtet. Die Knüppelattacken der Polizei, die mehrere Arbeiter krankenhausreif schlug, werden als eine direkte Ermunterung durch den rüden Ton, mit dem Premier Renzi auf die Demonstration von über einer Millionen Menschen am vergangenen Sonnabend in Rom gegen seine arbeiterfeindliche Politik reagierte, gesehen. Die Zeiten seien vorbei, da "eine Manifestation die Regierung stoppen konnte", hatte der Regierungschef provokatorisch erklärt.


Blutige Ausschreitungen wie unter Berlusconi

Das Vorgehen der Polizei erfolgte, wie "La Repubblica" zu entnehmen war, auf Weisung von Innenminister Angelino Alfano, dem Koalitionspartner Renzis und Chef der rechten Zentrumspartei (NCD), einer Abspaltung der rechtsextremen Forza Italia von Ex-Premier Berlusconi. Alfanos Vorgehen vergleichen Gewerkschafter mit den unter Berlusconi üblichen blutigen Ausschreitungen der Polizei.

Der Generalsekretär der Metallarbeitergewerkschaft FIOM, Maurizio Landini, der sich unter den Demonstranten befand, verurteilte das brutale Vorgehen der Polizei ganz entschieden, nannte Renzis gewerkschaftsfeindliche Haltung "eine Schande" und forderte den Regierungschef auf, seinen "Ton zu mäßigen". Zugleich kündigte er als Antwort für den 14. bzw. 21. November zwei Manifestationen in Mailand und Neapel zur Vorbereitung eines Generalstreiks im Dezember an.


Die FIOM geht zum Gegenangriff über

"Die FIOM geht zum Gegenangriff über", kommentierte "La Repubblica" die Ausführungen des FIOM-Chefs, denen sich die Generalsekretärin der CGIl, Susanna Camusso anschloss, die Renzis Vorgehen und das seines Innenministers ebenfalls auf das schärfste verurteilte und eine Entschuldigung Alfanos verlangte. Bei einem Besuch der von der Polizei zusammengeschlagenen Demonstranten im Krankenhaus, sprach sie den Metallarbeitern von Terni ihre uneingeschränkte Solidarität aus. Renzi musste angesichts der öffentlichen Empörung eine Untersuchung der Gewaltanwendung durch die Polizei anordnen. Nachdem die Werksleitung von AST die Lohnzahlungen einstellte, traten die Metaller von Terni am Freitag in den Streik und blockierten die Zufahrtsstraßen zu dem Betrieb. ANSA berichtete, dass der Bürgermeister der Stadt, der bekannte Professor der Chirurgie, Leopoldo di Girolamo (PD), sich mit ihnen solidarisierte.


PD-Basis fordert: "Werte der Linken aufzugreifen"

Die gewerkschaftsfeindliche Haltung des Premiers und PD-Chefs hat zur Zuspitzung der Auseinandersetzungen in der Partei geführt, wo Renzi mit einer Umbenennung des Parteinamens in "Partei der Nation" letzte linke Wurzeln ihrer teilweisen Herkunft aus der Linkspartei beseitigen, und, wie ANSA meldete, die PD in eine "Partei für alle" umgestalten will. An der PD-Basis wird gefragt, ob nach der Aufnahme der NCD, eines Nachfolgers der rechtsextremen Forza Italia Berlusconis, in die sozialdemokratische Regierung, jetzt vielleicht mit diesen auch noch eine gemeinsame Partei gebildet werden sollte? Der frühere PD-Chef und einer der letzten Ex-Kommunisten in der Partei, Luigi Bersani, nannte die geplante Namensänderung einen Ausdruck des Rechtskurses Renzis und rief auf, dagegen "eine deutliche und entschiedene Opposition" zu formieren, die an den "historischen Erfahrungen von Mitte Links" anknüpft. Ähnlich scharf reagierte Gianni Cuperlo, führender Vertreter der linken PD-Minderheit. Es gehe nicht um eine nationale Partei, sondern darum, "radikal die Kultur und die historischen Werte der Linken aufzugreifen".


Staatspräsident mahnt "zur Mäßigung"

Die drohende Spaltung der PD hat Staatschef Giorgio Napolitano (selbst PD) veranlasst, den Ministerpräsidenten zu einer Tour d'Horizont auf den Colle (Hügel), wie der Sitz des Präsidentenpalastes Quirinale genannt wird, zu rufen und ihn, wie "Repubblica" schrieb, "zur Mäßigung seiner politisch-parlamentarischen Aktivitäten" zu mahnen und ihn zu warnen, bei der bevorstehenden Erörterung des umstrittenen Wahlgesetzes nicht in die gleichen Fehler zu verfallen.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2014