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ITALIEN/103: Geheimdienst an Ermordung des Anti-Mafia-Ermittlers Felcone beteiligt (Gerhard Feldbauer)


Römische Repubblica enthüllt: Geheimdienst Sisde an Ermordung des Anti-Mafia-Ermittlers Giovanni Falcone 1992 beteiligt

Von Gerhard Feldbauer, 23.9.2015


An der Ermordung des sizilianischen Staatsanwalts Giovanni Falcone durch Mafia-Killer vor 23 Jahren war der damalige italienische Inlandsgeheimdienst Sisde beteiligt. In einem am Montag veröffentlichten Gespräch mit der regierungsnahen römischen Repubblica bestätigt der Boss der Cosa Nostra (wie sich die Mafia auf Sizilien nennt), Gioacchino La Barbera, das und gibt einen Einblick in das seit den 1970er Jahren unter der US-amerikanischen CIA und ihrer geheimen NATO-Armee Gladio zusammen mit italienischen Geheimdiensten, der Mafia und hohen Politikern geschaffene verbrecherische Geflecht, als dessen Führungszentrale die faschistische Putschloge Propaganda due (P2) agierte. Schon in den 1980er Jahren berichteten Zeitungen, so der römische Europeo vom 15. Oktober 1983, "der wahre Chef der Propaganda due" sei der mehrmalige Ministerpräsident Giulio Andreotti. Die Mafia war, so La Barbera von Anbeginn an in die Spannungsstrategie, die in den 1970/80er Jahren über 350 Tote forderte, einbezogen.

"Wir haben Falcone getötet. Aber hinter dem Anschlag stand nicht nur die Mafia" erklärte La Barbera. "Unter uns befand sich ein Mann von etwa 45 Jahren, den ich vorher nie gesehen habe". Er bezeichnete den Unbekannten als einen "Mitarbeiter des Sisde", der infiltriert worden war". La Barbera arbeitete im Prozess mit der Justiz auf der Grundlage der Kronzeugenregelung zusammen. Er war zu 14 Jahren verurteilt, später begnadigt worden und lebt heute unter einer neuen Identität und Polizeischutz. La Barbera hatte am 23. Mai 1992 nachmittags auf der Autobahn A 29 vor der Abfahrt nach der Ortschaft Capaci das Signal zur Zündung der 500 Kilo-Bombe gegeben, die den Mafia-Ermittler mit seiner Frau und drei Leibwächtern tötete. Falcone hatte, wie La Barbera bestätigte, aufgedeckt, dass die Mafia von Anbeginn an in den Terror der Spannungsstrategie einbezogen war, der einem faschistischen Putsch den Weg bereiten sollte, um eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten (der PCI), die 1976 von 12 Millionen Italienern (34 Prozent) gewählt wurde, zu verhindern. Ihr prominentestes Opfer war im Frühjahr 1978 der Linke Führer der Democrazia Cristiana (DC) Aldo Moro, der ein Regierungsabkommen mit der PCI geschlossen hatte. Auch der Bruder des heutigen Präsidenten Sergio Mattarella, der damalige Präsident der Regionalregierung von Sizilien, Piersanti Mattarella, ein Anhänger Moros, der die Zusammenarbeit mit den Kommunisten fortsetzen wollte, wurde, so La Barbera, im Januar 1980 von der Mafia umgebracht, weil das "von Politikern so gewollt worden sei".


Falcon war Andreotti, dem geheimen Chef der P2, auf der Spur

Falcone war vor allem der Rolle des mehrmaligen Ministerpräsidenten Andreotti als Komplize der Mafia und in der P2 und in diesem Kontext seiner Rolle bei der Ermordung Moros auf der Spur. Er hatte die Beteiligung von Gladio an der Ermordung Moros aufgedeckt und auch, wie jetzt La Barbera bestätigte, die Einschleusung von Geheimdienstagenten in die Mafia. Wie Mitarbeiter seiner Abteilung aussagten, verschwanden seine Tagebuchaufzeichnungen unmittelbar nach dem Anschlag aus seiner Wohnung. Dennoch waren seine Ermittlungen eine wichtige Grundlage für den Staatsanwalt von Palermo, Giancarlo Caselli, im März 1993 gegen Andreotti Anklage wegen Mitgliedschaft in der Mafia zu erheben. Er habe, hieß es in der Anklageschrift "einen Beitrag zum Schutz der Interessen und zum Erreichen der Ziele der Organisation geleistet", insbesondere "hinsichtlich gerichtlicher Strafverfahren gegen Exponenten der Organisation". Im Prozess kam die Rolle Andreottis in der P2 ans Licht. Ein Mafia-Boss sagte aus, dass, die Kontakte zu ihm "über die Geheimloge liefen". Andreotti wurde zu einer Haftstrafe von 24 Jahren verurteilt, in der Revision wegen Mangel an Beweisen freigesprochen. Hätte Falcone in dem Prozess auftreten können, wäre das Urteil wahrscheinlich so nicht möglich gewesen.


Berlusconi, der Schutzherr der Mafia

Der Kreis schließt sich, wenn man daran erinnert, dass im Dreierdirektorium der P2, die die mörderische Spannungsstrategie organisierte, der Medienmonopolist Silvio Berlusconi saß, dessen Imperium die Putschloge finanziert hatte und die ihn erstmals 1994 als Regierungschef an die Macht hievte. Laut Ermittlungen der Staatsanwalt setzte er die Zusammenarbeit mit der Mafia fort und verhinderte in drei Regierungen, dass diese Komplotte aufgedeckt werden konnten. Erst nach seinem Fall 2011 gibt es unter der sozialdemokratischen Regierung der Demokratischen Partei (PD) Fortschritte in der Bekämpfung der Mafia, werden ihre Verflechtung mit den Faschisten, Exponenten der Wirtschaft und der Politik ans Licht gebracht.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2015

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