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ITALIEN/136: Berlusconi verlässt das Spielfeld (Gerhard Feldbauer)


Berlusconi verlässt das Spielfeld

Der Verkauf des AC Milan besiegelt sein politisches Ende

Von Gerhard Feldbauer, 11. August 2016


In der vergangenen Woche hat Ex-Premier Silvio Berlusconi, der als Besitzer des Fininvest-Imperiums einst als reichster Kapitalist Italiens galt, seinen Fußballklub AC Milan, dessen Besitzer er 30 Jahre war, an ein Konsortium von Investoren der Volksrepublik China verkauft. Die Käufer zahlten für das komplette Aktienpaket von 99,93 Prozent 740 Millionen Euro und begleichen die Schulden von 220 Millionen Euro. Dass der fanatische Kommunistenhasser seinen Klub ausgerechnet an das "kommunistische China" verkaufte, sehen Beobachter als ein Zeichen, dass es um die Finanzen von Fininvest wohl nicht zum Besten steht. Die römische Republicca witzelte schließlich, ob aus Berlusconis Klub nun eine "Squadra comunista" (kommunistische Mannschaft) werde.

Der Mailänder AC war mit 18 nationalen Meistertiteln und fünf Pokalsiegen, sieben Europapokalen bei Landesmeisterschaften bzw. der UEFA Champions League, vier Weltpokalen, zwei Erfolgen im Europapokal der Pokalsieger und fünf Finalsiegen im UEFA Supercoup einer der international erfolgreichsten Vereine. Mit dem Versiegen der Finanzspritzen sank der AC Milan jedoch zusehends auf Mittelmaß. Das letzte Mal war er 2006/07 bei der Champions League erfolgreich, 2011 wurde er nochmals italienischer Meister. Mit dem Rücktritt Berlusconis im gleichen Jahr, der ihn zusehends ins politische "Aus" beförderte, war es auch für den Verein Schluss. Seit April 2014 gab es vier Trainerwechsel.

"Berlusconi verlässt das Spielfeld". Das bedeute nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Fußballs "das Ende einer Epoche, sondern auch in der Politik". Das umso mehr, als "der Fußball im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Politik sehr viel zählt. Bei uns mehr als anderswo", kommentierte die La Repubblica den Vorgang. Das erinnert an die Rolle, die der Verein bei Berlusconis Machtantritt 1994 spielte. Gelenkt durch die von der CIA in den 70er Jahren gebildete faschistische Putschloge Propaganda due (P2) kündigte Berlusconi im November 1993 an, in die Politik einzusteigen, um einen Wahlsieg der 1991 aus der Kommunistischen Partei (IKP) hervorgegangenen sozialdemokratischen Linkspartei (PdS) zu verhindern. Am 6. Februar 1994 gab er dann die Gründung einer eigenen Partei, Forza Italia, bekannt. Der Name war der Schlachtruf seines AC Milan, der aber allgemein das Kampfgeschrei aller italienischen Fußballfans bei internationalen Spielen ist: Forza Italia (Vorwärts Italien, Starkes Italien). Die Wahl dieses Namens löste bei den Millionen zählenden Anhängern des Berlusconi-eigenen Clubs, aber nicht nur bei diesen, wahre Begeisterungsstürme aus. Die Bekanntgabe dieses Parteinamens war ein populistischer Auftakt, der in der Geschichte der Wahlkämpfe nicht nur Italiens seinesgleichen suchte.

Der AC Milan, den Berlusconi 1986 gekauft hatte, war ein wichtiges, aber nicht das einzige Instrument der Massenbeeinflussung, das ihm im Bündnis mit der faschistischen Nachfolgerpartei Mussolinis Movimento Sociale Italiano (MSI) und der rassistischen Lega Nord im April 1994 den Sieg bei den Parlamentswahlen einbrachte.
Zur Fininvest-Holding aus rund 300 Unternehmen, die Berlusconi in den 80er Jahren förmlich aus dem Boden stampfte, gehörten der den privaten TV-Markt beherrschende Mediaset-Konzern mit den drei landesweiten Sendern "Canale 5", "Rete quatro" und "Italia uno", ferner zirka 40 Prozent aller italienischen Presseerzeugnisse, darunter die Montadori-Verlagsgruppe, nach Bertelsmann der größte europäische Medienverbund, und der einflussreiche Rizzoli-Verlag. Des weiteren Cinema 5, die größte Kinokette des Landes, Musik- und Video-Produktionsgesellschaften und der Werbekonzern Pubitalia. Berlusconi wurde Organisator der Radtour Giro d'Italia, Herr über Rugby-, Hockey- und Volleyballmannschaften und mit 80 Prozent Anteilen Mäzen des Mailänder Teatro Manzoni.

Dieses Imperium hat, wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino in ihrem Buch "Silvio Berlusconi. Inchiesa sul signor TV" (Mailand 1994) beweiskräftig belegten, die P2 finanziert, um mit Berlusconi an der Spitze, so das linke Manifesto am 15. Mai 1994, einen "Governo nero (schwarze Regierung) aus Faschisten, Monarchisten, Lega-Leuten und Managern der Fininvest" zu installieren. Schließlich wurde der Medientycoon auch noch Mitglied des Dreierdirektoriums der Putschloge und war damit "fest in das korrupte Netz der P2 verwoben", gehörte sogar "zu denen, die es knüpften".

Für einen Verzicht auf die Veröffentlichung des Buches bot Berlusconi den Autoren einen Blankoscheck, in den sie die Höhe des Betrages selbst eintragen sollten. Als diese das zurückwiesen, verklagte er sie auf Verleumdung. Er verlor in allen drei Instanzen. Auch der Versuch, seine P2-Mitgliedschaft zu leugnen, missglückte. Er wurde wegen falscher Zeugenaussage unter Eid rechtskräftig verurteilt.
Den Machtantritt des Hitlerbewunderers, gegen den bereits bevor er das erste Mal Premier wurde über ein Dutzend Strafverfahren liefen, hielt das nicht auf. Nachdem er im Dezember 1994 zurücktreten musste, wurde er dank seines Medieneinflusses von 2001 bis 2006 und 2008 nochmals Chef eines Regimes, das, wie Umberto Eco sagte, ein Erbe des "übelsten Faschismus" verkörperte. Erst als es konkurrierenden Kapitalgruppen mit dem Fiat-Erben und damaligen Ferrari-Chef, Cordero di Montezemolo, an der Spitze, wie die Financial Times Deutschland am 6. April 2010 berichtete, zu viel wurde, dass Berlusconi sein Amt dazu nutzte, in die eigene Tasche zu wirtschaften, wurde er im November 2011 zum Rücktritt gezwungen. Als er sich danach nicht mehr der Strafverfolgung entziehen konnte, wurde er bis 2013 zu insgesamt elf Jahren Gefängnis und zur Zahlung von zehn Millionen Euro in die Staatskasse verurteilt, die jedoch größtenteils unter Verjährung fielen. Zahlen musste er der Mailänder Industriegruppe CIR der Familie Benedetto eine Entschädigung von 541 Millionen. Das dürfte sich dann auch in den Fininvest-Kassen bemerkbar gemacht und dazu geführt haben, dass der Ex-Premier, wie ihn Medien zitierten, sich "den Klub nicht mehr leisten könne".

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2016

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