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ITALIEN/191: Der Faschist als Biedermann (Gerhard Feldbauer)


Der Faschist als Biedermann

AfD gibt rechtsextremer Allianz in Italien Auftrieb

von Gerhard Feldbauer, 7. Oktober 2017


Der Wahlerfolg der AFD in Deutschland gibt der faschistisch-rassistischen Koalition in Italien Auftrieb. "Nun sind wir dran", zitierte das Nachrichtenportal stol it den Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, der klarstellte: während die AfD noch in der Opposition ist, "werden wir jetzt die Regierung übernehmen".

Die Allianz hat sich zwar mühsam geeinigt, ist aber bei strategischen Gemeinsamkeiten taktisch uneins über einen Spitzenkandidaten. Während Salvini als offener Rassist agiert, präsentiert Ex-Premier Berlusconi sich als moderater Vertreter einer Centro Destra (Rechten Mitte). Er möchte vergessen machen, dass er Mitglied des Dreier-Direktoriums der faschistischen Putschloge (P2) des Mussolini-Faschisten Licio Gelli war, die ihm sein Medienimperium finanzierte, seine Forza Italia (FI) aufbaute und ihn 1996 das erste Mal an die Regierung verhalf, in die er die Faschisten der Mussolininachfolgepartei Movimento Sociale Italiano (MSI) samt ihren SS-Offizieren und die Lega-Rassisten aufnahm. Das linke Manifesto nannte sie am 15. Mai 1994 eine "schwarze Regierung" aus Faschisten, Monarchisten und Lega-Leuten, in der nachweisbar drei Minister der P2 angehörten. Berlusconi verkündete, mit der "Hinterlassenschaft der Linken" aufzuräumen. Auf dem G8-Gipfel 2001 in Genua zeigte er, wie das vor sich gehen sollte. Nach dem Vorbild Pinochets in Chile ließ er 600 protestierende Demonstranten in "Gefangenensammelstellen" treiben, seine Polizei erschoss einen Studenten, prügelte 300 Protestierende krankenhausreif, folterte Verhaftete unter Hitler- und Mussolinibildern, bis sie "viva il Duce" riefen.

Heute posiert der Mediendiktator, den Umberto Eco einen Erben des "übelsten Faschismus" nannte, Antonio Tabucchi sein Regime und seine Sex-Orgien mit der "Despotie Heliogabals", des verrufensten römischen Kaisers, verglich, mit Schäfchen im Arm, um die Stimmen der Tierschützer (20 Prozent der Wähler), zu gewinnen und verkündet in Biedermannsmiene, nur er könne "die italienische Demokratie retten". Er befürchtet, Salvinis offen rassistischer Kurs könnte gemäßigte Wähler abschrecken und will für die Allianz ein Programm präsentieren, das den "Werten des Westens, des Christentums und Europas" entspreche, zitierte ihn die Nachrichtenagentur ANSA.

Wegen Steuerbetrugs verurteilt, kann Berlusconi selbst nicht kandidieren und will seinen Parteifreund, den EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani gewinnen. Das gibt Anlass, wieder einmal darüber nachzudenken, wie in Brüssel Rechtsextremismus, wie er sich jetzt erneut beim AfD-Wahlerfolg zeigt, begünstigt wird. Noch ist offen, ob Tajani bereit ist, da er vorher sein Amt aufgeben müsste und im Falles eines Scheiterns seinen Job los wäre. Auch ist nicht sicher, ob es wieder gelänge, einen FI-Vertreter an die Spitze des Strasbourger Parlaments zu bringen.

Auch Giorgia Meloni, Führerin der Fratelli/Brüder Italiens (FdI), die aus der aus der MSI hervorgegangenen Alleanza Nazionale (AN) kommen, von 2008-2011 Jugendministerin Berlusconis, will sich als Dritte der Koalition bewerben. Sie demonstriert ihre Außländerfeindlichkeit, hält sich jedoch mit Bekundungen zum Erbe Mussolinis zurück. Sie präsentiere die "perfekte Synthese zwischen Berlusconi und Salvini", so die FdI-Frau, deren Partei bei den Bürgermeisterwahlen im Juni 2016 im ersten Wahlgang auf 20 Prozent Stimmen kam, mit denen sie im zweiten Votum der M5S-Kandidatin Virginia Raggi zum Einzug ins Campidoglio verhalf. Meloni ist mit 40 Jahren fast im gleichen Alter wie Raggi (37) und auch Mutter - beide Frauen sollen durch Sympathien verbunden sein. Von Salvini ist bekannt, dass er - im Gegensatz zu Berlusconi - bei fehlender Regierungsmehrheit eine Übereinkunft mit M5S-Chef, Beppe Grilli, eingehen möchte.

Die Medien verschweigen durchgehend, dass Berlusconi sein Comeback dem Ex-Staatspräsidenten Giorgio Napolitano vom Partito Democratico (PD) mit sozialdemokratischem Outfit verdankt. Napolitano verhinderte 2011 nach Berlusconis Fall nicht nur vorgezogene Neuwahlen, sondern nahm dessen FI auch noch in eine Übergangsregierung der "nationalen Einheit" auf. 2013 sicherte er sich für seine Wiederwahl nach Absprache mit Berlusconi dessen FI-Stimmen. Auch der frühere rechte Christdemokrat Matteo Renzi, der zum Chef des PD aufstieg und Premier wurde, schloss mangels fehlender Mehrheit im Senat mit Berlusconi einen Pakt, der ihm ebenfalls die FI-Stimmen sicherte. Wenn er bei den im Frühjahr anstehenden Parlamentswahlen, bei denen er wieder Premier werden will, keine Mehrheit erreicht, will er diese Kollaboration fortsetzen. Die deutsche Kanzlerin Merkel, die mit ihrem EVP-Freund zum Urlaubs-small talk in Bozen (Südtirol) zusammentraf, habe ihn in dieser Alternative bestärkt.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2017

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