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ITALIEN/197: Straßburg unterstützt Wiederberufung des Ex-Premier Berlusconi zum Regierungschef (Gerhard Feldbauer)


Straßburg unterstützt Wiederberufung des faschistoiden Ex-Premier Berlusconi zum Regierungschef

Florenzer Staatsanwaltschaft hält dagegen

von Gerhard Feldbauer, 3. November 2017


Für ihren hinreichend bekannten Rechtskurs hat die EU gerade wieder einen brisanten Beweis geliefert. Wie die römische La Repubblica berichtete, hat der Straßburger Parlamentspräsident Antonio Tajani von der rechtsextremen Forza Italia (FI) sich offen zugunsten einer Berufung seines Parteifreundes, des Ex-Premiers Berlusconi, nach einem Sieg von dessen Partei bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 zum Regierungschef ausgesprochen. Diesem ist nach der Verurteilung zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen Steuerbetrug, die er in Sozialarbeit verbüßte, bis 2019 die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt. Doch Tajani gibt sich überzeugt, über eine von Berlusconi beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereichte Klage dagegen "werde positiv" entschieden.

Der im Januar dieses Jahres zum Ersten EU-Parlamentarier gewählte Tajani gehörte 1994 zu den führenden Leuten, die, wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino in ihrem Buch "Berlusconi - Showmaster der Macht (Berlin 1994) enthüllten, nach den Plänen der faschistischen Putschloge Propaganda due (P2) die FI gründeten. In Brüssel hatte man schon damals keine Einwände, dass Berlusconi nach dem Wahlsieg seiner FI die Faschisten der Mussolininachfolgepartei MSI in seine, wie das linke Manifesto schrieb, "schwarze Regierung" aufnahm. Es folgten "Höhepunkte" wie die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft Berlusconis, die Berufung des Führers der aus MSI hervorgegangenen faschistischen Alleanza Nazionale (AN), Gianfranco Fini, in den EU-Verfasungskonvent oder der Einzug der "Duce"-Enkelin Alessandra Musolini ins EU-Parlament. Jüngster Akt ist, dass bei der Anerkennung der Klage von 15 Opfern der schweren faschistischen Ausschreitungen während des G8-Gipfels 2001 in Genua auf Entschädigungszahlungen durch den EGMR, die verantwortliche Regierung von Berlusconi nicht beim Namen genannt wird.

In der vergangenen Woche wurde in Rom ein neues Wahlgesetz verabschiedet, auf das sich der Chef der regierenden Demokratischen Partei (PD), Matteo Renzi, und Berlusconi geeinigt hatten. Für beide Kammern des Parlaments werden demnach künftig zwei Drittel der Mandate proportional vergeben, ein Drittel wird direkt gewählt. Für einzeln antretende Parteien gilt eine Sperrklausel von drei Prozent, Bündnislisten müssen mehr als zehn Prozent erreichen. Den wichtigsten Linksparteien Sinistra Italiana, Movimento Democratico e Progressista und Campo Progressista werden maximal sieben bis acht Prozent zugetraut. Sie werden wohl einknicken und ein Bündnis mit Renzi eingehen. Bleibt es dabei, entscheidet sich das Rennen im Frühjahr 2018 zwischen einer Koalition um die PD und einer rechtsextremenr Allianz von FI, Lega Nord und den neofaschistischen Fratelli d'Italia. Wie schon 2013 wird ein Patt erwartet, doch Renzi und Berlusconi steuern schon jetzt ein Bündnis an. Damit droht Italien eine »schwarz-rosa« Regierung.

Einen Strich durch die Rechnung machen könnte den italienischen extremen Rechten allerdings die Staatsanwaltschaft von Florenz. Die hat, wie die Tageszeitung La Repubblica am Dienstag schrieb, die Ermittlungen gegen Berlusconi wegen mutmaßlicher Verstrickung in Terrorakte der Mafia in den Jahren 1992 und 1993 wiederaufgenommen, bei denen mehrere Personen getötet worden waren. Die Ermittlungen erstrecken sich auch auf einen Vertrauten Berlusconis, den früheren Senator Marcello Dell'Utri, der wegen Komplizenschaft mit der Verbrecherorganisation bereits eine siebenjährige Haftstrafe verbüßt. Berlusconi und Dell'Utri sollen direkte Kontakte zu einem der berüchtigsten Chefs der sizilianischen Cosa Nostra, Giuseppe Graviano, unterhalten haben. Dieser gehörte zu einem Kommando, das am 19. Juli 1992 den Staatsanwalt Paolo Borsellino und die Mitglieder seiner fünfköpfigen Eskorte durch eine Autobombe ermordete.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2017

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