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ITALIEN/216: Scharfer Rechtsruck bei den Parlamentswahlen (Gerhard Feldbauer)


Scharfer Rechtsruck bei Parlamentswahlen in Italien

Schwere Schlappe für Sozialdemokratischen Partito Democratico

von Gerhard Feldbauer, 6. März 2018


Bei den Parlamentswahlen in Italien ist es zu einem weiteren scharfen Rechtsruck gekommen. Die faschistisch-rassistische Allianz aus Forza Italia (FI) Berlusconis, der Lega Salvinis und der "Fratelli d'Italia" (Brüder Italiens) von Giorgia Meloni kam auf 35,7 Prozent. An der Spitze steht allerding mit 17,4 Prozent die Lega, während Berlusconis FI auf 14 Prozent zurückfiel. Mit 32,7 Prozent wurde die allein antretende rechtslastige Fünf-Sterne-Bewegung M5S mit faschistischer MSI-Vergangenheit stärkste Partei.

Die regierende Partito Democratico sackte auf etwa 18,7 Prozent ab und verlor damit gegenüber rund 40 Prozent bei den EU-Wahlen 2014 über die Hälfte ihrer Wähler. Ihr Bündnis mit "Piu Europa", der Südtiroler Volkspartei (SVP) und "Civica Popolare" kam auf 22,5 Prozent. Das aus der Opposition gegen die PD von verschiedenen Linken gebildete Wahlbündnis Freie und Gleiche (LeU) blieb mit 3,4 Prozent weit unter den erwarteten acht. Die einzige antikapitalistische Linke "Potere al Popolo" gelangte mit etwa 1,1 Prozent nicht über die Sperrklausel von drei Prozent. In dieser Sammlungsbewegung waren die beiden KPs Rifondazione Comunista (PRC), die PCI und weitere linke Gruppen angetreten.

Das Wahlresultat ist auch das Ergebnis der über weite Strecken praktizierten Kollaboration von PD-Chef Matteo Renzi mit Berlusconis faschistischer FI, die sich in einer weitgehend passiven Wahlkampagne niederschlug. Der wüsten Hetze gegen Immigranten und Flüchtlinge wurde oft tatenlos zugesehen. Die PD-Dissidenten, die zu LeU stießen, haben das zu lange mit gemacht, ehe sie sich trennten und obendrein zu keiner Opposition gegen das System gefunden. Das linke Manifesto sieht den Wahlausgang als Ergebnis "einer gespaltenen Linken". M5S-Spitzenkandidat Luigi di Maio ließ verlauten: "Alle müssen jetzt mit uns sprechen." Ob es, wie Manifesto meint, zu einem "Tanz unter den Sternen" kommt, bleibt abzuwarten.

Zur Wahl der 630 Mitglieder der Abgeordnetenkammer und der 315 des Senats waren knapp 51 Millionen Wähler aufgerufen, von denen 4,3 Millionen im Ausland leben. Die Wahlbeteiligung lag bei 73 Prozent. Gewählt wurde nach einem Mix aus zwei Drittel Verhältnis- und einem Drittel Mehrheitswahlrecht. Eine Koalition bzw. die M5S hätte für eine absolute Mehrheit 40 Prozent der mit dem Proporzsystem vergebenen Sitze sowie 70 Prozent der Einmann-Wahlkreise erobern müssen. Das hat niemand geschafft.

Als nächstes werden am 23. März beide Kammern zur konstituierenden Sitzung zusammentreten und ihre Präsidenten wählen. Die weiteren Entscheidungen liegen dann bei Staatspräsident Sergio Mattarella. Fest steht, dass er den bisherigen Premier Paolo Gentiloni von der PD bitten wird, weiter zu amtieren. Dann wird er zunächst prüfen lassen, ob sich eine Mehrheit in den Kammern für eine Regierung finden könnte. Das würde auf Koalitionen hinauslaufen. Rein rechnerisch wäre eine Koalition von M5S und der Verliererin PD möglich, was Partei-Gründer Beppe Grillo immer ausgeschlossen hat. Als wahrscheinlich gilt, dass Lega-Chef Salvini, der als der eigentliche Wahlsieger gilt, seine Forderung, eine Regierung zu bilden, durchsetzen könnte. Damit würde ein offener Rassist an die Regierung kommen, der bereits angekündigt hat, 600.000 Migranten und Flüchtlinge aus Italien zu verjagen. "Egal mit wem er koalieren würde, erwarte ich für die Zukunft für diese Menschen das Schlimmste", so die Anthropologie-Dozentin an der Universität von Bari, Annamaria Rivera, eine antirassistische Aktivistin und Autorin zahlreicher Bücher zum Thema. Der Ex-Senator der PRC, Giovanni Russo Spena, Mitbegründer von "Potere al Popolo", schlussfolgert: Es zeigte sich, "dass die Linke faktisch liquidiert worden ist. Wir brauchen eine radikale Änderung und deshalb werden wir weiter an unserem Projekt arbeiten. Zur Analyse der Lage rufen wir für den 18. März zu einer Nationalen Versammlung auf".

Wie La Repubblica am Dienstag berichtet, hat PD-Chef Renzi einen in der Partei geforderten sofortigen Rücktritt abgelehnt. Er werde nach der Bildung einer neuen Regierung, wenn die PD in die Opposition gehe, abtreten. Das heißt, er will seine Partei bei den Sondierungen des Staatschefs zur Bildung einer Koalitionsregierung vertreten. Für den Fall, dass es zu keiner Regierungsbildung und Neuwahlen kommt, will er sich die Entscheidung wohl offen halten. Vor den Wahlen hatte er sich, wie auch Berlusconi, für den Fall, dass eine Regierungsbildung an der jetzt eingetretenen fehlenden Mehrheit einer Koalition bzw. Partei scheitert, für sofortige Neuwahlen ausgesprochen.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2018

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