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ITALIEN/260: Nationalversammlung der Demokratischen Partei brachte wenig Klärung (Gerhard Feldbauer)


Nationalversammlung der PD brachte wenig Klärung

Kommunisten und Potere al Popolo: So wird es keine Wende nach links geben

von Gerhard Feldbauer, 21. März 2019


Kommunisten und die antikapitalistische Potere al Popolo kritisieren scharf die verschwommenen Aussagen der Nationalversammlung der Demokratischen Partei (PD) zu einem Bruch mit der arbeiterfeindlichen Politik des früheren Partei- und Regierungschefs Matteo Renzi. In den Ausführungen des neuen Sekretärs Nicola Zingaretti blieben "die sozialen Fragen" außen vor, fehle "eine anti-neoliberale und anti-kapitalistische Haltung", heißt es in der Stellungnahme der Partei der Rifondazione Comunista (PRC). Zingaretti sei als Erstes nach seiner Wahl nicht mit den Arbeitern von Turin zusammengetroffen, sondern mit Repräsentanten des Unternehmerverbandes Confindustria und habe ihrem von den Linken abgelehnten Projekt des Hochgeschwindigkeitszuges TAV zugestimmt, zitiert der linksliberale Fatto Quotidiano PRC-Sekretär Maurizio Acerbo. Auf dieser Basis könne "ein Dialog unmöglich" zustande kommen. Potere al Popolo verbreitete auf seiner Plattform, so bestünden "keine Bedingungen für eine Koalition mit der PD". Auch das linke Manifesto hegt Zweifel. Zwar gebe es ein bestimmtes "neues Klima", aber "die Distanz" bleibe und es sei nicht zu übersehen, dass Renzianer nunmehr auf das "Rettungsboot" Zingarettis wechselten.

Die Nationalversammlung der Demokratischen Partei (PD), die am Wochenende mit rund 1000 Delegierten in Rom tagte, bestätigte den auf einer öffentlichen Versammlung gewählten neuen Sekretär, Nicola Zingaretti, im Amt. In seinem Bericht, den die römische La Repubblica ausführlich wiedergab, bekräftigte Zingaretti, "eine andere Partei" zu schaffen, "offener, wirklich demokratisch", die "in der Lage ist, Selbstkritik zu üben" und in der Lage sein werde, "alles zu ändern" und vor allem, "soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt zu stellen". Ohne Gegenstimmen, bei 86 Enthaltungen wurde Paolo Gentiloni, nach dem Rücktritt Renzis ab 2017 Premier, zum Vorsitzenden (de facto der zweite Mann nach dem Sekretär und Parteichef) gewählt.

Der Adelssproß ist wie Zingaretti Exkommunist, war in den 70er Jahren in der linksradikalen "Democrazia Proletaria" aktiv, dann Grüner, der die buntscheckige PD mit gründete. Ein anpassungsfähiger Opportunist also, der sich nie von Renzi distanzierte, soll jetzt bei der Aussöhnung der zersplitterten PD und beim Zusammenkitten einer neuen linken Mitte Zingarettis wichtigste Stütze sein. Laut der Nachrichtenagentur ANSA will Zingaretti sich dazu mit der Linkspartei LeU, mit Grünen und anderen Linken treffen. Dazu gehöre auch der frühere Fraktionsvorsitzende der PD in der Abgeordnetenkammer, Roberto Speranza, der 2017 die Partei aus Protest gegen Renzi verließ und die Demokratisch-Progressive Bewegung MPD gründete. Sie wie andere Abtrünnige will er zur Rückkehr in die Partei gewinnen. Von Gesprächen mit Kommunisten oder Potere al Popolo war nichts zu hören.

Laut La Repubblica hat der neue Sekretär vorgezogene Parlamentswahlen im Auge, um "eine klare Perspektive vorzugeben" und "alle Gruppierungen, die gegen die Regierung Lega-M5S sind, um die PD zusammenzuschließen". Gleichzeitig werde die Haltung zur M5S überdacht, um die Sternepartei aus der Umklammerung durch die Lega zu lösen und zum alten Bipolarismus Mitte-Links/Rechts zurückzukehren. Die Probe sollen am kommenden Sonntag die Regionalwahlen in Basilicata (einer Hochburg der Lega und M5S in Süditalien) sein, wo die gesamte linke Mitte den parteilosen populären 60jährigen Apotheker Carlo Trerotola unterstützt. "Das sei, so Zingaretti, der ihm auf einer Wahlkampfveranstaltung vor Ort zur Seite stand, ein "Zeichen der Einheit der Linken" und werde " ein landesweites Signal geben". Bei Umfragen wird der PD erstmals ein Ansteigen von 18,7 Prozent im März vergangenen Jahres auf 20,1 Prozent und ein Überholen der M5S (der ein Absinken von 32 Prozent auf noch 20 Prozent eingeräumt wird) vorhergesagt.

Dem verbreiteten Optimismus von einem Wechsel der Politik der PD steht, wie auch Fatto Quotidiano vermerkt, die Realität gegenüber. Zwar sei ein Personenwechsel erfolgt, aber "in der Direktion sei weiter die gesamte alte Partei vertreten". Mit Gentiloni, dem bisherigen Sekretär Maurizio Martina, dem früheren Minister unter Renzi, Andrea Orlando, und vor allem Paola De Micheli, der "Donna forte" (starken Frau) des neuen Sekretärs, seien das alles Anhänger Renzis, der obendrein die Mehrheit der Parlamentarier hinter sich habe. Das treffe auch auf die Aufnahme der führenden PD-Politikerin und engen Vertrauten Renzis, Debora Serracchiani, ins höchste Leitungsgremium der Partei zu.

Auch aus dem Umkreis des kommunistischen Online-Portals Contropiano wird wohl nicht zu Unrecht befürchtet, Zingaretti sei keine grundsätzliche Alternative zu Renzi, sondern mit gewissen Korrekturen zumindest partiell eine Kontinuität vor allem von dessen neoliberaler Politik. Übersehen werde, dass der frühere Partei- und Regierungschef weiter einen guten Teil des Parteiapparates kontrolliere.

Potere al Popolo tritt dafür ein, zu den EU-Wahlen am 26. Mai auf einer gemeinsamen Liste der Linken anzutreten, um die Vier-Prozent-Sperrklausel zu überwinden und mahnt Eile dann, dazu die für eine Kandidatur geforderte Zahl von 180.000 Unterschriften zu sammeln.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2019

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