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ITALIEN/375: Wachsender Kaufkraftrückgang - Französische Handelskette schließt 106 Filialen (Gerhard Feldbauer)


Wachsender Kaufkraftrückgang in Italien

Französische Handelskette Carrefour schließt 106 Filialen

von Gerhard Feldbauer, 1. Dezember 2021


Preiserhöhungen in Rekordhöhe, zunehmende Entlassungen und wachsende Armut führen in Italien zu einem drastischen Rückgang im Einzelhandel. Der französische Handelskonzern Carrefour, der davon im ersten Halbjahr 2021 mit einem Rückgang von 8,9 Prozent betroffen war, reagiert mit der Schließung von 106 seiner insgesamt 1.485 Filialen in Italien. 82 davon sind Carrefour Express- und 24 Carrefour Market-Filialen. Einige der leistungsstärksten Geschäfte werden verkauft, die meisten aber geschlossen. Carrefour unterhält bisher in Italien mit einem Multi-Channel-Charakter der verschiedenen Formate (Hypermärkte, Supermärkte, "Superette", d. h. kleine Flächenmärkte, und Cash & Carry) über 1400 Direkt- und Franchise-Filialen mit 16.000 Mitarbeitern.

Italien steckt wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie tief in der Rezession. Die Lebenshaltungskosten sind im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,2 Prozent gestiegen, meldete das staatliche Statistikamt ISTAT und vermerkte, dass "immer mehr Italiener in die Armut gestürzt" werden. Danach lebten 2020 5,6 Millionen Italienerinnen und Italiener in absoluter Armut, eine Million mehr als im Jahr zuvor. Jeder fünfte Italiener kann seine Wohnung nicht mehr ausreichend heizen. Fleisch ist für 17 Prozent ein Luxusgut. Mehr als die Hälfte kann nicht einmal eine Woche im Jahr in Urlaub fahren. Nach einem Bericht von Contropiano droht 150.000 Besitzern von Eigentumswohnungen, die ihre Raten nicht mehr bezahlen können, Zwangsräumung und Versteigerung. Die von der EU auferlegten Spar- und Reformprogramme zur Sanierung des Staatshaushalts haben die Situation weiter verschärft. Eine darunter fallende "große Steuerreform" kommt, so das kommunistischen Online-Portal, vor allem den großen Unternehmen zugute und ist für die meisten Italiener "eine echte Abzocke".

Carrefour ist nach der Schwarz Gruppe (Lidl & Co, Kaufland u. a.) mit weltweit 321.383 Mitarbeitern und 12.100 Filialen in über 30 Ländern und einem Umsatz von 80,7 Milliarden Euro 2019 das zweitgrößte Einzelhandelsunternehmen in Europa. Die stärksten Konkurrenten des Franzosen sind Walmart, Aldi und Tesco, bei den Selbstbedienungsgroßmärkten die deutsche Metro Cash & Carry. Wie das Unternehmen vergangene Woche in Paris mitteilte, haben gute Geschäfte in Lateinamerika Carrefour im dritten Quartal auf Wachstumskurs gehalten und einen Zuwachs um 4 Prozent erbracht. Es könnte also die Einbußen in Italien gut verkraften, entlässt aber stattdessen, wie das Wirtschaftsblatt Fatto Quotidiano vermerkte, Hunderte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, um Kosten zu senken. Laut dem LB economy will CEO Christophe Rabatel, der seit September 2020 das Unternehmen leitet, mit den Schließungen in Italien eine "Verschlankung" der internen Organisation durchsetzen, sie straffen, damit das Franchising-Modell im Vertriebsnetz "konsolidieren" und die Wettbewerbsfähigkeit von SB-Warenhäusern und Direktsupermärkten verbessern. All dies soll zur "Rückkehr in die Profitabilität" der italienischen Niederlassungen führen.

Während Carrefour von 700 Entlassungen spricht, enthüllte der stellvertretende Generalsekretär Paolo Andreani von der UIL-Gewerkschaft für Tourismus-, Handels- und Dienstleistungsarbeiter (Uiltucs), dass 1.800 Beschäftigte auf der Straße landen sollen, davon 170 am Hauptsitz in Mailand. Im Vertriebssektor würden Frauen den höchsten Preis zahlen. Bei 16.000 Beschäftigten ist das, so der Gewerkschafter, ein Personalabbau von über 10 Prozent. "Es ist ein Blitz aus heiterem Himmel". Carrefour habe das seit längerem geplant, ohne etwas verlauten zu lassen, kommentiert Andreani. Nicht nur die Beschäftigung werde zurückgehen. Es drohten schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen. Nachdem die Arbeiter während der Pandemie die wesentlichen Dienste gewährleistet und den Betrieb aufrechterhalten haben, werden sie jetzt, um die Kosten zu senken, auf die Straße gesetzt. "Ein unglaubwürdiges Unternehmen", diese Entscheidungen würden so nicht hingenommen.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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