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ITALIEN/443: Sozialdemokratischer PD weiter am Scheideweg (Gerhard Feldbauer)


Sozialdemokratischer PD weiter am Scheideweg

Neue PD-Vorsitzende, die Linke Elly Schlein, wird als "gefährlichste Bolschewikin" verketzert

von Gerhard Feldbauer, 10. März 2023


Am kommenden Sonntag werden auf dem Kongress des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) die in den Vorwahlen am 26. Februar gewählte neue Vorsitzende und die Leitungsgremien bestätigt oder auch nicht. In den Vorwahlen hatte sich die an der Basis als "linke Hoffnung" gefeierte Elly Schlein mit gut 53 % gegenüber ihrem rechten Konkurrenten, dem Präsidenten der Regionalregierung der Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, durchgesetzt. An den Wahlen, an denen auch Nicht-PD-Mitglieder teilnehmen konnten, nahmen über eine Million Menschen teil. Bonaccini gehört in der rechten PD-Führung unter dem bisherigen Amtsinhaber Enrico Letta, einem früheren Christdemokraten, zu denen, die für den Wahlsieg der faschistischen Koalition unter Giorgia Meloni, der Führerin der aus der von dem früheren Staatsekretär des "Duce", Giorgio Almirante, gegründeten Sozialbewegung (MSI) hervorgegangenen Brüder Italiens, verantwortlich gemacht werden.

Schlein stellt die Existenz des Kapitalismus nicht grundsätzlich in Frage, fordert aber, dass der "PD wieder glaubwürdig werden, für die Schwächsten eintreten" und "den Neoliberalismus bekämpfen" müsse. Dazu rechnet sie "den Kampf gegen prekäre Lebensverhältnisse und Ausbeutung, für Arbeit, den Mindestlohn, ein Nein zu befristeten Verträgen". Hinsichtlich des Krieges in der Ukraine hält sie sich bedeckt, stellt Waffenlieferungen nicht grundsätzlich in Frage und befürwortet eine Verhandlungslösung. Mit Contes M5S will sie "Zusammenarbeit, nicht Konkurrenz". Bonaccini bekannte: "Wir müssen eine Partei sein, die den Gegner nicht verteufelt. Wenn ich zum Sekretär gewählt werde, werde ich sofort zu Meloni gehen, um zu sagen, dass wir als Opposition kein 'Nein' ohne einen alternativen Gegenvorschlag aussprechen werden."

Wie das linke Manifesto am Mittwoch berichtete, schüren bürgerliche Medien, aber auch rechte PD-Kreise der im PD verbliebenen Rezianer vor der Bestätigung der Wahl Schleins als Sekretärin auf dem Kongress am Sonntag die Angst, dass mit ihr eine gefährliche Bolschewikin, die den "Jobs Act" (Beseitigung des Kündigungsschutzes für einen Großteil der Arbeiter) nicht mag und mit der eine Rückkehr zu Gramsci und den stalinistischen Säuberungen drohe, an die Spitze des PD käme. Dabei halte sich Schlein zurück. Sie habe in Bologna keinen Sowjet ausgerufen, aber schon ein gemeinsames Foto mit M5S-Chef Conte und CGIL-Generalsekretär Landini verbreite Schrecken. Es werde befürchtet, dass die Abstimmung bei den Vorwahlen nicht nur dazu diente, den Sekretär einer Partei "der Wähler und Mitglieder" zu wählen, sondern den möglichen Führer einer Opposition, die sich der Rechten und ihrer Regierung entgegenstellt. Die drei Figuren - Schlein, Conte, Landini - könnten eine mögliche Oppositionsausrichtung darstellen, die sich auf eine soziale Dimension bezieht, und einen Vorschlag für eine soziale Koalition, der bisher vernachlässigt wurde.

Es gibt, so Manifesto, eine weitverbreitete Linke, die nicht Teil von Parteiorganisationen ist, aber noch nicht endgültig entmutigt ist von der schlechten Politik insbesondere der Demokratischen Partei. Sie steht voll hinter den angekündigten Vorschlägen - Grundeinkommen, Mindestlohn, Nein zur differenzierten Autonomie - und es scheint auch ein Eigentumsgesetz im Gespräch zu sein, das das Vermögen der Reichen besteuern soll.

Auf dem Kongress steht der PD also weiter am Scheideweg. Darüber werden harte Auseinandersetzungen erwartet, die mit der Hoffnung an der Basis verbunden sind, Elly werde standhalten. Es geht um nicht weniger als "die Existenz" des PD. Der PD-Mitbegründer und frühere christdemokratische Parteiführer Pierluigi Castagnetti warnte: Wenn der PD "seinen Charakter ändert", würden die Katholiken ihn verlassen.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. März 2023

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