Meloni verschärft sozialen Crashkurs
M5S-Führer Conte setzt auf die "pazifistische Karte"
von Gerhard Feldbauer, 29. März 2023
Die faschistische Ministerpräsidentin Meloni hat das Angebot des Generalsekretärs der Gewerkschaft CGIL, Maurizio Landini, über deren soziale Forderungen zu verhandeln, abgelehnt und verschärft stattdessen mit neuen Angriffen auf die Lebensbedingungen der Arbeiternehmer, sozial Schwachen und Rentner ihren sozialen Crashkurs. Ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn schade den Arbeitnehmern, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur ANSA sie. Das abgeschaffte Bürgergeld ("reddito di cittadinanza") hat sie ebenfalls "als untauglich" abgelehnt, da es "potentiell Beschäftigungsfähige" vom Arbeitsmarkt fernhalte. Ein Gesetz von "Maßnahmen zur aktiven Inklusion" ("Misura di Inclusione Attiva/MIA") soll das Bürgergeld ersetzen und die Unterstützung für Alleinstehende ohne Kinder von 500 auf 375 Euro absenken und sie als "beschäftigungsfähig" einstufen. Begünstigt werden von "MIA" Familien mit minderjährigen Kindern und/oder Personen, die behindert bzw. älter als 60 Jahre sind. Sie erhalten einen Grundbetrag von 700 Euro, der je nach Anzahl der Kinder aufgestockt wird. Insgesamt sind die Hilfen jedoch niedriger als beim früheren Bürgergeld. Restriktionen gibt es auch für die Dauer der Unterstützung: für Alleinstehende nur 12 (statt bisher 18) Monate, mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit für 6 Monate. Die Zuwendung entfällt künftig schon bei Ablehnung des ersten (bisher zweiten) Arbeitsangebots.
Zum Nachteil für die Mehrzahl der Arbeitnehmer fällt auch die geplante Steuerreform aus, die anstelle stärkerer Progression eine Ausweitung der sogenannten flachen Besteuerung ("flat tax") für alle vorsieht: abhängig Beschäftigte, Unternehmer, Freiberufler, Rentner. Von einem auf diese Weise unabhängig vom Einkommen reduzierten gleichen Steuersatz profitieren vor allem Mittel- und Hochverdiener. Das würde auch Auswirkungen auf die Dienstleistungen haben, und die Arbeitnehmer würden auf der einen Seite viel mehr verlieren, als sie auf der anderen Seite gewinnen, kommentierte das linke Magazein Contropiano auf seinem Onlineportal.
Auch bei den Bürgerrechten verschärfen sich die Proteste gegen das vom Innenministerium verhängte Verbot für die Bürgermeister, Geburtsurkunden von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare, die im Ausland geboren wurden, in die amtlichen Standesregister aufzunehmen. Die neue PD-Chefin Elly Schlein nannte das "einen beispiellosen Angriff auf das Leben von Jungen und Mädchen" und kündigte den Entwurf eines Gesetzes an, das die Gleichbehandlung aller Kinder (und Eltern) rechtlich sicherstellt.
Von der Opposition weht Meloni seit der Wahl der "linken Hoffnung" Elly Schlein zur PD-Sekretärin ein schärferer Wind entgegen. Auf einer Tagung der Fraktionen ihrer Partei bekräftigte sie laut Manifesto, "wir werden hart dagegen halten" und mit anderen Oppositionellen und der CGIL "gemeinsam im Parlament und im Land Kämpfe führen, so um Mindestlohn, Sicherheit am Arbeitsplatz, öffentliche und allgemeine Gesundheitsfürsorge". Nach einer Umfrage des Instituts "Demopolis" vom 20. März hat die PD innerhalb von zwei Monaten mehr als fünf Prozentpunkte hinzugewonnen und liegt jetzt bei 20,2% (hinter Melonis FdI mit ca. 30%), was umgerechnet einem Zuwachs von 1 Million und 800.000 Wählerstimmen entsprechen würde. M5S bleibt mit 15% (- 0,8%) auf dem dritten Platz. Laut ANSA sind dem PD seit Schleins Wahl 16.000 neue Mitglieder beigetreten.
Der Auftrieb des PD mit Schlein, in Medien "effetto Schlein" genannt, beunruhigt jedoch den Leader von M5S, Ex-Premier Giuseppe Conte, dessen Partei nach dem PD zweitwichtigste Oppositionskraft ist. Wie Manifesto berichtete, setzt Conte weiter auf die "pazifistische Karte" und versucht, sich mit eigenen Positionen vor allem zum Krieg in der Ukraine vom PD abzusetzen. Unter Conte wird die von Anfang an ablehnende Haltung von M5S zu Waffenlieferungen an die Ukraine zur grundsätzlichen Position in der Auseinandersetzung mit Meloni, und Conte hofft, sich in Italien an die Spitze der pazifistischen Bewegung zu setzen und Schlein hier Paroli zu bieten. In der Parlamentsdebatte über eine Resolution zum Europarat warf Conte Meloni vor, sie führe "Italien mit hohem Tempo in den Krieg". Das richtete sich indirekt auch gegen Schlein, die (noch) daran festhält, die Ukraine auch militärisch zu unterstützen, wobei sie gleichzeitig ein stärkeres diplomatisches Engagement der EU anmahnt, um zu Friedensverhandlungen zu kommen.
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 31. März 2023
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