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ITALIEN/452: Der Tod israelischer und italienischer Geheimagenten bei einem Bootsunglück wirft Fragen auf (Gerhard Feldbauer)


Bei einem Bootsunglück auf dem Lago Maggiore fanden vier Geheimdienstagenten Italiens und Israels den Tod

Sie sollen an einem als "Geburtstagsparty" getarnten Treffen ihrer Dienste teilgenommen haben

von Gerhard Feldbauer, 2. Juni 2023


Ein Bootsunglück, das sich bereits am Sonntagabend kurz nach 19 Uhr auf dem norditalienischen Lago Maggiore zwischen Sesto Calende und den angrenzenden Provinzen Varese und Arona in der Nähe von Novarese bei der kleinen Ortschaft Lisanza rund 150 Meter vom Ufer entfernt ereignete, ist erst am Dienstag bzw. Mittwoch, u. a. durch Berichte des Mailänder Corriere della Sera, bekannt geworden. Danach soll es sich bei 20 der etwa 25 Personen an Bord des Hausbootes um teils aktive, teils im Ruhestand befindliche Geheimdienstmitarbeiter aus Italien und Israel gehandelt haben, die ein als Geburtstagsparty getarntes Treffen durchführten. Eine Gruppe habe sich bereits Sonntagmittag im Restaurant "Il Verbano" getroffen.

Als das nur für 15 Personen zugelassene, 16 Meter lange Hausboot bei einem plötzlichem schweren Sturm unterging, fanden vier Personen den Tod, darunter laut italienischen Behörden drei Geheimagenten: die Italiener Claudio Alonzi und Tiziana Barnobi sowie der Agent des israelischen Mossad Erez Shimoni. Das vierte Opfer ist eine Russin, Anya Bozhkowa, die Ehefrau des Kapitäns, der das Boot an Touristen verlieh. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, seien neunzehn Menschen gerettet worden. Vielen gelang es den Berichten zufolge, ans Ufer zu schwimmen. Es wird vermutet, dass die vier Toten in dem sinkenden Boot eingeschlossen waren und sich nicht befreien konnten.

Das israelische Außenministerium hat inzwischen bestätigt, dass der ums Leben gekommene Shimoni, ein Mann in den Fünfzigern, aus Israel stammt und früher bei den Sicherheitskräften tätig war. Sein Leichnam war laut der römischen La Repubblica mit weiteren 10 Israelis bereits am Montagfrüh mit einer Militärmaschine nach Tel Aviv ausgeflogen worden. Der für die Geheimdienste in der faschistischen Meloni-Regierung zuständige Staatssekretär Alfredo Mantovano kondolierte den Angehörigen der Opfer.

Das auf den Namen "Good...uria" (dem aus der Bibel stammenden hebräischen Wort, das besagt, "der Herr ist mein Licht") getaufte Boot war nach Angaben der Huffington Post von einer Geburtstagsgesellschaft gebucht worden. Die Rettungskräfte hätten bei der Überprüfung der Dokumente und Ausweise der Überlebenden dann allerdings mit Erstaunen festgestellt, dass es sich nicht um klassische Sonntagstouristen, sondern um teils aktive, teils im Ruhestand befindliche Geheimdienstmitarbeiter handle.

Was machten die Geheimagenten auf dem Ausflugsdampfer? Der Vorfall wirft viele Fragen auf. Die Turiner Tageszeitung La Stampa titelte einen Beitrag "Schiffbruch der 007", fragte nach dem Anlass des Treffens und verwies auf die Identität der Personen an Bord des Ausflugsboots, von denen 20 "italienische und israelische Agenten" waren. Die Italiener seien von den zuständigen Behörden vernommen worden, aber unmittelbar darauf hätten auch sie, wie die Israelis, "in aller Eile die Notaufnahme bzw. die Hotels, in denen sie untergebracht waren, verlassen" und seien "schnell verschwunden", berichtete das Onlineportal Milano Today. Andere Medien spekulieren, ob auf dem Boot geheime Unterlagen ausgetauscht worden sein könnten. Die Bergungsarbeiten wurden jedenfalls abgeschirmt.

Der Chef der Staatsanwaltschaft von Busto Arsizio, Carlo Nocerino, versuchte Medien gegenüber abzublocken. "Alle denken, dass sich auf dem Boot Geheimdienstmitarbeiter trafen. Aber ich gehe davon aus, dass sie sich einfach auf einer Geburtstagsfeier getroffen haben." Er musste aber einräumen, "solange wir das Schiff nicht gehoben haben, wissen wir natürlich nicht, was dort für Papiere oder persönliche Gegenstände mit untergegangen sind". Erstaunlich war auch, dass sich der Präsident der Region Lombardei (der Unfall ereignete sich am lombardischen Ufer des Sees), Attilio Fontana von der Lega, vor Ort begab, und, wie er erklärte, "die Geschichte mit Besorgnis" verfolgt.

Das linke Manifesto deckt am Donnerstag die Hintergründe auf und hält "die Geschichte von der Geburtstagsparty, die in einer Tragödie endete, für kaum glaubwürdig". Bei dem Treffen sei es darum gegangen, "auf der Grundlage der in den letzten 20 Jahren im Militär- und Geheimdienstbereich mit Israel geschlossenen Verträge die Zusammenarbeit zu verstärken", um Israel, ein nichteuropäisches Land, das nicht Mitglied der NATO ist, in die Paktstrategie einzubeziehen. General Amir Eshel, Direktor des israelischen Verteidigungsministeriums, habe im vergangenen Jahr bei einem Besuch in Rom seine Zufriedenheit mit "der strategischen Allianz zwischen den beiden Ländern" und der Position, die Italien an der Seite Israels im internationalen Kontext einnimmt, geäußert.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Juni 2023

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