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ITALIEN/453: Skandal erschüttert Rom - Parade mit "römischem Gruß" zum Tag der Republik (Gerhard Feldbauer)


Skandal erschüttert Rom

Parade mit "römischem Gruß" zum Tag der Republik

von Gerhard Feldbauer, 6. Juni 2023


Nachfolger der Decima MAS, der in der Salò-Republik Mussolinis zur Partisanenbekämpfung eingesetzten Torpedobootflottille, des heutigen Comando Subacquei e Incursori (COMSUBIN), einer Spezialeinheit der italienischen Marine, haben während der Parade zum Jahrestag der Republik am 2. Juni in den Kaiserforen den "römischen Gruß", den erhobenen rechten Arm, mit dem sich der "Duce" grüßen ließ, gezeigt und "Decima" gerufen. Die entschiedene Antifaschistin und Meloni-Gegnerin, die preisgekrönte sardische Schriftstellerin Michela Murgia, hat diesen Skandal am Wochenende in einem Post enthüllt. Der Kurzfilm, über den Manifesto am Samstag berichtete, beginnt mit der Überschrift "Die Parade beginnt mit dem römischen Gruß", den der Flügelmann an der Spitze der Einheit zeigt. Die "Decima"-Rufe beziehen sich auf die Decima MAS, die unter dem Kommando von Junio Valerio Borghese in der Sozialrepublik Mussolinis gegen die Alliierten kämpfte, fügte das linke Blatt hinzu. Bei dem wegen 800fachen Mordes an Partisanen 1950 von einem italienischen Gericht als Kriegsverbrecher verurteilten, später freigelassenen Borghese handelt es sich um den Ehrenpräsidenten der in Gestalt der Movimento Sociale Italiano (MSI) 1946 wieder gegründeten Mussolinipartei, aus der Melonis Partei Brüder Italiens (FdI) hervorging.

Das Video zeigt den Präsidenten des Senats, Ignazio La Russa von der FdI Giorgia Medlonis, der auf der Tribüne lächelt, in die Hände klatscht und mit den Fingern das Siegeszeichen macht. Alles geschah "unter dem teilnahmslos zuschauenden Präsidenten Mattarella". Der Beitrag, der sofort viral ging und Tausende von Kommentaren und Shares erhielt, hat Diskussionen, Kontroversen und scharfe Reaktionen der Mitte-Rechts-Partei ausgelöst, berichtete ANSA. Militärische Quellen bestreiten die Interpretation der Autorin, so die staatliche Nachrichtenagentur. Es habe weder einen faschistischen Gruß gegeben, noch eine Entschuldigung für die Flottille des Kommandanten Junio Valerio Borghese. Verteidigungsminister Guido Crosetto (FdI) nannte die Vorwürfe "absurd" und behauptete, es sei ein militärischer Gruß gewesen, der mit dem römischen Gruß verwechselt werde. Emiliano Arrigo, Sprecher des Senatspräsidenten Ignazio La Russa, beschuldigte die Linke, "wüste Anschuldigungen, Paranoia und Fake News" zu verbreiten. Obendrein versuchte er, von den Verbrechen der Decima MAS unter Borghese abzulenken und führte an, dass das heutige COMSUBIN aus einer Gruppe von Matrosen der Decima MAS hervorging, die nach der Kapitulation Italiens und dem Kriegseintritt gegen Hitlerdeutschland im Oktober 1943 an der Seite der Achsenmächte kämpften.

Michela Murgia entgegnete, die "Decima"-Schreie seien aus eben den Reihen der an der Parade teilnehmenden COMSUBIN-Einheit der Marine gekommen und dass das "alles normal" sei und dieser Normalisierungsprozess schon seit Jahren laufe. Sie erinnerte daran, dass Senator La Russa sich zum Erbe des "Duce" bekennt und in seinem Haus die Büste Mussolinis stehen hat. Und wem die Bedeutung des Videos nicht klar ist, der solle, so die Autorin, auf Wikipedia nach "X. Flottiglia MAS" suchen, wo auch nachzulesen sei, dass besagter MSI-Vize in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1970 in einem "Golpe Borghese" genannten Staatsstreich die verfassungsmäßige Ordnung stürzen, ein faschistisches Regime wieder errichten und sich als dessen Präsident ausrufen lassen wollte. Zur Unterstützung der geheimen Operation, die, so heißt es, nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor den Codenamen "Operation Tora Tora" erhielt, standen US- und NATO-Kriegsschiffe im Mittelmeer in Alarmbereitschaft.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Juni 2023

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