Meloni verstärkt Flüchtlingsabwehr
Blitzbesuch in Tunesien und Treffen mit Libyens Übergangspremier in Rom
von Gerhard Feldbauer, 9. Juni 2023
Vor dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag zur Flüchtlingsabwehr, das unter anderem die umfassende Einführung von Grenzverfahren, die damit verbundene Internierung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen sowie die Ausweitung angeblich sicherer Drittstaaten beschließen soll, hat die faschistische Ministerpräsidentin Meloni dazu mit Tunesiens Präsident Saied und Libyens Übergangspremier Dbeibah den verstärkten Beitrag beider Länder abgestimmt. Bei einem fünfstündigen Blitzbesuch in Tunis am Dienstag sagte Meloni Saied verstärkte Unterstützung im Kampf gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung als auch für ein integriertes Unterstützungspaket, Finanzierung und wichtige Möglichkeiten, an denen Brüssel arbeitet, zu, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA.
Im Mittelpunkt der Gespräche standen die sehr heiklen und miteinander verbundenen Themen der Kontrolle der Migrationsströme im Mittelmeerraum und die schwere wirtschaftliche und soziale Notlage in Tunesien, einem Land, in dem darüber hinaus die Demokratie praktisch außer Kraft gesetzt ist. Auch Themen wie die Kooperation im Energiebereich und Investitionen seien besprochen worden. Meloni äußerte sich besorgt über den zu erwartenden Zustrom von Menschen aus Tunesien in den kommenden Monaten, weshalb die Zusammenarbeit mit dem Land "unverzichtbar" sei. Sie versprach, Tunesien 750 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern zu gewähren und das Land bei seinen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über ein wichtiges Rettungspaket zu unterstützen. Italien werde außerdem versuchen, "die Standpunkte zwischen dem IWF und Tunesien während einer internationalen Konferenz zum Thema irreguläre Migration in Rom zu überbrücken" sagte Meloni auf der Facebook-Seite der tunesischen Präsidentschaft. Saied brachte die Idee eines Schuldenerlasses durch die Umwandlung tunesischer Schulden in "private Entwicklungsprojekte" zur Sprache.
Meloni lobte, dank hervorragender Zusammenarbeit bei Migranten seien die "Anlandungen im Mai zurückgegangen". Laut FTDES, einer tunesischen Nichtregierungsorganisation, wurden zwischen Januar und Mai dieses Jahres mindestens 23.091 Migranten abgefangen, als sie versuchten, illegal mit Booten von Tunesien nach Italien zu gelangen. Den Daten zufolge erreichten etwa 3.430 Tunesier Italien, darunter 865 Minderjährige, während 534 Menschen bei dem Versuch starben. Aber das unruhige nordafrikanische Land bleibe laut der Agentur Bloomberg ein wichtiger Ausgangspunkt für illegale Migration über das Mittelmeer nach Italien. Es gehe, um die Vermeidung eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs in Tunesien, "denn weitere Unruhen könnten zu noch mehr Migration führen, deshalb habe Tunesien für Meloni Priorität".
Saied habe auch eine Initiative für eine hochrangige Konferenz in Rom zwischen allen von der Migrationsproblematik betroffenen Ländern vorgeschlagen, insbesondere Nordafrikas, der Sahelzone und der Sahara sowie den nördlichen Mittelmeerländern, um die Ursachen der Schlepperei zu bekämpfen. Meloni sehe das laut Sky TG24 als "eine Gelegenheit, die Nationen der Südküste des Mittelmeers, des Nahen Ostens und der Länder des Golf-Kooperationsrates zusammenzubringen, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse zu hören und Projekte zu entwickeln, für die durch die Einbindung Gelder angezogen werden können."
Die "Intensivierung des Kampfes gegen den Menschenhandel" stand laut ANSA am Mittwoch auch in den Gesprächen mit dem von der UN und der EU anerkannten Premierminister der libyschen Übergangsregierung, Abdul Hamid Dbeibah, im Mittelpunkt. Meloni habe "ihre Wertschätzung für die Bemühungen der libyschen Behörden bei der Seenotrettung und der Eindämmung irregulärer Flüchtlinge zum Ausdruck" gebracht, aber auch hier "ihre Besorgnis im Hinblick auf die Sommersaison" geäußert, hieß es in einer nach dem Treffen veröffentlichten Regierungsmitteilung. Aus dieser Perspektive sei es für Meloni unerlässlich, die "Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels zu verstärken."
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. Juni 2023
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