Rassistische Gewalt
Obdachloser aus Ghana brutal ermordet
von Gerhard Feldbauer, 23. Juni 2023
Ein neuer Vorfall rassistischer Gewalt erschüttert Italien. Der 43jährige Frederick Akwasi Adofo, ursprünglich aus Ghana, ist am Sonnabend in der Via Principe di Piemonte in Pomigliano d'Arco, einer Industriestadt nordöstlich von Neapel, wo er auf einer Bank in der Nähe des Supermarkts schlief, von zwei Jugendlichen überfallen und getötet worden, berichtete Manifesto am Mittwoch. Er schleppte sich ein paar Meter weit, bis er im Innenhof einer Eigentumswohnung zusammenbrach. Einige Passanten schlugen Alarm, er wurde ins Krankenhaus in Nola transportiert, wo er an den schweren Verletzungen verstarb.
Frederick Akwasi war 2012 im Rahmen einer der vielen Migrationswellen nach Pomigliano gekommen und musste seitdem auf der Straße leben. Er war schon mehrfach Überfällen und Misshandlungen ausgesetzt, ohne dass gegen die fremdenfeindlichen Täter vorgegangen wurde. Den schwersten Überfall, der innerhalb von sieben Tagen einer von dreien war, gab es im Dezember 2022. Obwohl er eine schwere Körperverletzung erlitt, "ließen die Carabinieri zwei festgenommene Täter sofort frei". Dabei hatte die Spezialabteilung der Carabinieri DIA auf die Camorra verwiesen, was der Bürgermeister Lello Russo aber nicht sehen wollte. Letzte Woche wurde auch ein Händler von zwei bewaffneten Räubern am Kopf verletzt. Zur gleichen Zeit wurde einem Tätowierer in die Beine geschossen. Im Wahlkampf wurde auch der Bürgermeisterkandidat der Grünen angegriffen und landete im Krankenhaus.
"Frederick bettelte und half mit Einkaufstüten. Jeder in der Gegend kannte ihn, er war sehr beliebt, aber das schützte ihn nicht vor Gewalt", sagte eine Bewohnerin, die ihm am Samstag ein Sandwich mit Pepsi gekauft hatte. Eine Minderheit im Stadtrat nennt die Situation unhaltbar und fordert, einen außerordentlichen Ordnungs- und Sicherheitsausschuss zur Untersuchung der Gewalt zu bilden und gegen diejenigen vorzugehen, die diese schwerwiegenden kriminellen Aktivitäten leugnen.
Nachdem die staatliche Nachrichtenagentur ANSA den Vorfall zunächst verschwiegen hatte, zog sie am Donnerstag nach, trat der Tatenlosigkeit der Polizei in früheren Fällen entgegen und zitierte Bürgermeister Lello Russo: "Ich gratuliere den Carabinieri für ihr schnelles Eingreifen und dafür, dass sie die mutmaßlichen Täter eines abscheulichen Verbrechens identifiziert haben, das unsere gesamte Gemeinschaft traumatisiert hat." Jetzt nimmt "die Gerechtigkeit ihren Lauf". Laut ANSA seien die beiden Sechzehnjährigen Teil einer Babybande, die seit einiger Zeit in der Gegend operiert. Russo war sieben Mandate lang Bürgermeister von Pomigliano d'Arco. Schon unter Berlusconis erster Regierung wurden ihm 1994 Beziehungen zu Camorra-Verbänden vorgeworfen. Nach den jahrelang verschleppten Prozessen wurde er im November 2000 freigesprochen.
Weder vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) noch der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) oder anderen Kräften von Mitte-Links gibt es bisher eine Stellungnahme zu der Gewalttat. Das dürfte wohl damit zusammenhängen, dass auf der von Lo Russo, einem früheren Gefolgsmann Berlusconis, gebildeten rechten Bürgerliste-PSI, auf der er im Mai 2023 zum Bürgermeister gewählt wurde, sich auch rechte wie Linke-Mitte-Vertreter einfanden.
Die Bevölkerung nimmt großen Anteil am Schicksal Fredericks, vermerkt Manifesto. Die Bank, auf der die Bluttat geschah, wurde in einen Altar mit Blumen, Kerzen und Abschiedsnotizen verwandelt. Am Nachmittag war auch eine Minderheitengruppe "Rinascita" zu seinem Gedenken dort. Ihr Mitglied Vito Fiacco erklärte, "die Situation ist unhaltbar" und verwies darauf, dass es "schwerwiegende kriminelle Aktivitäten gibt, die geleugnet" werden. Der Aktivist von Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) Domenico Modola erklärte: "Es gibt Menschen, die die Würde der Obdachlosen nicht achten." Das fehlende Eingreifen der Institutionen sei gravierend. Alessio Malinconico von Ya Basta meldete sich zu Wort: "Wir fordern Gerechtigkeit für Frederick." Es fehlten "niedrigschwellige Zentren für Menschen in Not."
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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 27. Juni 2023
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