EU im Blick - Meloni in Polen
Karten werden neu gemischt
von Gerhard Feldbauer, 7. Juli 2023
Schon zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Mittwoch nach Polen gereist. Ihr Ziel: Die Blockadehaltung Warschaus bei der Zustimmung zur sogenannten Asylrechtsreform aufheben. Im Juni hatten sich die EU-Innenminister auf eine gemeinsame Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Während die bisher gültigen Dublin-Verträge Erstaufnahmestaaten wie Griechenland oder Italien in die Verantwortung nehmen, sieht der neue Kompromiss vor, Asylverfahren in Internierungszentren außerhalb der EU zu verlagern, die Kriterien für sichere Drittstaaten zur vereinfachten Abschiebung zu lockern und Asylsuchende in der EU zu verteilen. Wenn Mitgliedstaaten die Aufnahme verweigern, sollen diese als Ausgleich finanzielle Beiträge leisten oder Personal entsenden können. Sowohl Polen als auch Ungarn wollen das Vorhaben blockieren. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ging sogar so weit, die anstehenden Parlamentswahlen in Polen im Herbst mit einem Referendum zur Zustimmung über die neue Asylregelung zusammenzulegen.
Trotz Hervorhebung der Gemeinsamkeiten Polens und Italiens in der EU-Politik und der gegenseitigen Schmeicheleien - Meloni bewunderte die "Stärke Morawieckis in der Verteidigung der Interessen Polens" und betonte die Zusammenarbeit am selben "grundlegenden Ziel, nämlich nicht darüber zu diskutieren, wie die illegale Migration in Europa gesteuert werden kann, sondern darüber, wie sie gestoppt werden kann" - scheint die Reise zumindest in diesem Punkt nicht von Erfolg gekrönt worden zu sein. Morawiecki stimmte zwar zu, die "illegale Einwanderung zu stoppen, bevor sie uns erreicht", rückte in der Asylfrage bisher jedoch nicht von seiner Position ab.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur ANSA standen die gemeinsame Haltung zur Flüchtlingsabwehr im Mittelpunkt der Gespräche mit Ministerpräsident Morawiecki. Das linke Manifesto ordnete dagegen Melonis Besuch in Polen in "Besuche, Kontakte und Verschwörungen im Hinblick auf die Europawahlen im nächsten Jahr" ein, bei denen es darum gehe, sich im Rat zu koordinieren und Sitze in Straßburg zu besetzen: Die europäische extreme Rechte, insbesondere ihr Pro-NATO-Flügel, hat dem EU-Austritt den Rücken zugekehrt und setzt auf den Einzug in die EU, um Europa von innen heraus zu verändern. Für ein Europa der Nationen.
Einen Weg ebne jetzt die Volkspartei, die erste europäische Fraktion, mit Manfred Weber, Mitglied des Präsidiums der bayerischen CSU, der eine Einigung mit der Partei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) anstrebt, in der die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die stärkste Fraktion bildet und der auch Melonis faschistische Brüder Italiens (FDI) angehören. Um Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin zu wählen, war die EVP damals mit den sozialdemokratischen Socialists and Democrats (S&D) und der liberalen Renew (Europa erneuern) ein Bündnis, das sog. "Ursula-Bündnis", eingegangen. Weber, der 2019 selbst Kommissionspräsident werden wollte, tritt für eine radikale Wende der Bündnispolitik der EVP ein und wolle das Bündnis mit den Sozialdemokraten durch ein neues mit den Konservativen ersetzen, was hieße, die Fraktion der EKR, die bisher mit 64 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten ist, könnte sich durch die Fratelli d'Italia, mit der Flamme Mussolinis im Parteilogo, bei der Wahl erheblich vergrößern.
Trotz der Explosion der Visegrád-Gruppe und der relativen Marginalisierung Ungarns aufgrund des Krieges in der Ukraine bleibe Orbán am Werk. Und neben Italien und Polen ist die Rechte als Verbündete der extremen Rechten in ganz Europa auf dem Vormarsch: in Schweden, Finnland und Lettland, vielleicht sogar in Spanien, wo am 23. Juli abgestimmt wird.
Ob Meloni dafür ihren Verbündeten, die Lega, gewinnen wird, scheint offen. Sie gehört unter Salvini mit dem französische Rassemblement National und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) der Identität und Demokratie Partei (IDP) an, der sich auch Abgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) angeschlossen haben. Zwar gehört Forza Italia der EVP an, aber nach dem Tod ihres bisherigen Führers Berlusconi ist sie vom Verfall bedroht und Meloni muss alle Kräfte aufbringen, diesen Prozess zu stoppen. Denn wenn die italienische Rechte die Wahlen "hoch gewinnen" will, ist die FI immer noch die einzige Partei, mit der sie damit prunken kann, zur großmächtigen "Familie der EVP" zu gehören, hatte Manifesto schon kürzlich geschrieben.
*
Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 7. Juli 2023
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang