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ITALIEN/460: Autobauer Stellantis - nach zwei Jahren Arbeitskampf Teilerfolg für Florenzer Beschäftigte (Gerhard Feldbauer)


Wie bei Stellantis auf Kosten der Arbeiter Höchstprofite eingefahren werden

Nach zwei Jahren Arbeitskampf Teilerfolg für Florenzer Beschäftigte

von Gerhard Feldbauer, 27. Juli 2023


Der europäische Automobilhersteller Stellantis mit Sitz im niederländischen Hoofddorp, der im Januar 2021 als Holding aus der Fusion der Automobilkonzerne Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und der Peugeot S.A. hervorging, macht dieser Tage gleich mehrmals auf sich aufmerksam. In Deutschland meldet seine Opel-Mutter, deren Niederlassung sich in Rüsselsheim befindet, dass sie mit entspannten Lieferketten und gesenkten Kosten im ersten Halbjahr 2023 höhere Profite als erwartet eingefahren hat.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg das Nettoergebnis um 37 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro und erreichte damit, wie der Konzern am Mittwoch mitteilte, einen Rekordwert, der alle Erwartungen übertraf. Der Hersteller von Marken, zu denen weiter Peugeot, Fiat, Chrysler und Jeep gehören, profitierte im gleichen Zeitraum - auch mit diesen Marken - von höheren Auslieferungen, die den Umsatz auf das Rekordhoch von 98,4 Milliarden Euro trieben, einen Zuwachs von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Absatz mit batterieelektrischen Fahrzeugen zog um fast ein Viertel an. Der Konzern, der mit insgesamt 14 Marken der viertgrößte Automobilhersteller der Welt ist, hatte 2022 mit allen 14 Marken weltweit fast sechs Millionen Fahrzeuge abgesetzt und damit einen Jahresumsatz von rund 180 Milliarden Euro erzielt.

Eine halbe Stunde Autofahrt von Florenz entfernt in Campi Bisenzio befindet sich die italienische Filiale, die Achswellen für Kraftfahrzeuge herstellt. Ihre Beschäftigten können ein Lied davon singen, wie auf ihre Kosten diese Höchstprofite erreicht werden. Den 421 Beschäftigten wurde am 9. Juni 2021 gekündigt, da sie nicht nur höhere Löhne, sondern auch eine klimafreundliche Produktion forderten. Da der Betrieb so nicht genügend Profit einfahren würde, soll er geschlossen werden.

Mit der Besetzung durch die Beschäftigten begann ein bis heute andauernder Arbeitskampf, der als Beispiel für ökosozialen Protest gilt. Die Gekündigten organisierten sich als "unbefristete Betriebsversammlung", die als legale Form der Werksbesetzung gilt. ÖkonomInnen und IngenieurInnen legten einen Reindustrialisierungsplan vor, demzufolge der Industriestandort in der Toskana als Forschungszentrum für einen ökologischen Wandel dienen sollte. Er sah u. a. vor, statt für Autos auch als Zulieferer für moderne Maschinen, so auch für Busse oder Züge, zu produzieren. Während radikale Forderungen eine Vergesellschaftung des GKN-Werks, andere auch eine Genossenschaft vorsahen, konzentrierte sich ein Vorschlag vor allem darauf, Investoren und einen neuen Besitzer zu finden.

Parallel forderte die CGIL-Gewerkschaft die Regierung auf, zur Rettung des Betriebes einzugreifen. Nachdem das unter der Regierung von Mario Draghi 2021/22 keine Erfolge zeitigte, fand jetzt, wie die CGIL auf ihrer Plattform "Collelltiva" berichtete, am 24. Juli eine Diskussionsrunde zwischen den Gewerkschaften und dem Minister für Unternehmen, Adolfo Urso, über die Zukunft der Stellantis-Produktion in italienischen Fabriken statt. Es sei "ein wichtiges Treffen gewesen, aber das genüge nicht. Wir werden sehen, ob es konkrete Antworten gibt". Es gehe darum, mit Stellantis "eine Rahmenvereinbarung auf industrieller Ebene zu erreichen, mit genauen Verpflichtungen zu Investitionen, Beschäftigungsgarantien, Anlagen, Forschung und Entwicklung für den Neustart des Sektors, angefangen bei den Komponenten", erklärten Maurizio Landini, Generalsekretär der CGIL, und Michele De Palma, Generalsekretär von Fiom CGIL in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Gewerkschaftsführer verwiesen darauf, dass die Produktion von Stellantis in Italien unter 500.000 Fahrzeugen liege, aber man mit einem überprüfbaren Zeitplan wieder zur Produktion von mindestens einer Million Autos und 300.000 leichten Nutzfahrzeugen zurückkehren könnte, was "alle Werke in unserem Land betrifft".

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Juli 2023

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