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ITALIEN/461: Faschistische Ministerpräsidentin Meloni führt Krieg gegen die Armen (Gerhard Feldbauer)


Faschistische Ministerpräsidentin Meloni führt Krieg gegen die Armen

Subventionen für 600.000 Menschen gekürzt
Wachsende Proteste der Armen

von Gerhard Feldbauer, 1. August 2023


Gegen den von der faschistischen Ministerpräsidentin Meloni verfügten neuen sozialen Kahlschlag - nach dem so genannten "Beschäftigungsdekret" wird ab dem 28. Juli weiteren 169.000 italienischen Familien das Staatsbürgerschaftseinkommen entzogen, weil sie "beschäftigungsfähig" seien - wachsen die Proteste. Wie das Nationalinstitut für Soziale Fürsorge (INPS), der wichtigste Sozialversicherungsträger in Italien, am Wochenende mitteilte, sind diese Familien ohne jedes Einkommen. Wie sie Arbeit finden sollen, sei ein von der Regierung ungelöstes Rätsel. Insgesamt wachse die Zahl der Menschen, denen die einzige bestehende Subvention gestrichen wird, auf 600.000 an, so der Report, der das einen "KRIEG GEGEN DIE ARMEN" nennt. Zusätzlich verlieren ab 2024 weitere 350.000 Menschen jeglichen Schutz.

Zentrum der Proteste sind Neapel, Rom und Palermo, wo die Bürger von der Aussetzung des Einkommens am stärksten betroffen werden. In Neapel gibt es über 21.500 Betroffene, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag. Im südlichen Kampanien kam es laut dem linken Manifesto nach dem jüngsten Kahlschlag zu Schlägereien in den Büros der Sozialdienste.

Das Armutsrisiko werde aufgrund der Inflation weiter wachsen, der soziale Protest auch, denn die meisten Erwerbstätigen sind über 55 Jahre alt und in diesem Alter ist es unmöglich, einen Job zu finden, warnte Luisa Gnecchi, ehemalige INPS-Vizepräsidentin und langjährige PD-Abgeordnete. Der Generalsekretär der CGIL von Neapel und Kampanien, Nicola Ricci, sprach von der "Gefahr einer sozialen Bombe". Die "einzige Hoffnung für Tausende von Familien in Armut bleibt die Betreuung durch die kommunalen Sozialdienste". Einhellige Proteste gibt es von der Opposition. Die Ministerpräsidentin zeige ihr "wahres Gesicht" und ignoriere die Warnungen, prangerte Ex-Premier, M5S-Leiter Giuseppe Conte, die menschenfeindliche Politik Melonis an. Die Sekretärin des sozialdemokratischen PD Schlein forderte, die Proteste in die Abgeordnetenkammer zu bringen.

Zur Verdeckung des neuen Angriffs auf elementare Lebensbedingungen sollen Familien, die zu Hause Minderjährige, ältere Menschen oder Behinderte haben, eine so genannte Inklusionsbeihilfe erhalten, eine Sozialkarte mit "Einkaufsgutscheinen" im Wert von 380 Euro. Die Maßnahme wird jedoch erst ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten, und nur 18 Prozent der 7 Millionen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, werden diese 382 Euro erhalten, um ausgewählte Einkäufe zu tätigen. Abgesehen davon sei es "würdelos", dazu "Einkaufsgutscheine" auszustellen, so Manifesto.

Der neue Abbau elementarster Sozialleistungen erfolgt zu einem Zeitpunkt, da Millionen, nicht nur Rentner, Arbeitslose und sozial Schwache, sondern auch die, die eine Arbeit haben, unter den auf sie bereits abgewälzten Krisenlasten ächzen. Laut dem staatlichen Statistikamt ISTAT liegen die Löhne in Italien rund zwölf Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Das besagt, dass italienische Beschäftigte jährlich rund 3.700 Euro weniger als der Durchschnitt gegenüber Kollegen aus anderen EU-Staaten und über 8.000 Euro weniger als der Durchschnitt deutscher Beschäftigter erhalten. Etwa fünf Millionen Arbeiter müssen von Stundenlöhnen von unter zehn Euro leben. 2022 musste eine Familie für Grundnahrungsmittel wie Brot, Nudeln und Reis, Fleisch und Wurstwaren 613 Euro mehr bezahlen als noch im Jahr zuvor.

Im vierten Quartal 2022 ging der private Konsum weiter um 3,7 Prozent zurück, der von Lebensmitteln sogar um 5,3 Prozent. Bei Strom, Gas und anderen Brennstoffen registrierte der Nationale Verbraucherverband Assountenti einen Anstieg um 135 Prozent pro Familie. Viele Familien waren gezwungen, beim Essen zu sparen. Besonders betroffen davon sind die Arbeitslosen, denn Italien liegt dauerhaft im unteren Bereich der europäischen Beschäftigungsquote. Wie die Vittorio Foundation der CGIL feststellte, ging 2022 die Zahl der tariflich Festangestellten um 94.000 zurück, nicht mit gerechnet 48.000 Frauen, die ihren Arbeitsplatz verloren. Hinzu kommen ständig über 3 Millionen prekär Beschäftigte.

Zum Himmel schreiend ist die soziale Lage der Jugendlichen. Wie die Verbraucherorganisation Federcontribuenti kürzlich berichtete, verdienen "54 % der 30-jährigen Italiener weniger als 7 Euro netto pro Stunde", darunter bis zu 29 % Teilzeitkräfte und Auszubildende. "48 % von ihnen sagen, dass sie durch Stunden außerhalb ihres Gehaltsschecks ausgebeutet und oft ihre Überstunden nicht bezahlt werden". Diese jungen Menschen haben kein angemessenes oder gar kontinuierliches Gehalt: 6 Monate arbeiten sie, 6 Monate arbeiten sie nicht, und wenn sie arbeiten, verdienen sie durchschnittlich 100/120 Euro netto pro Woche. Damit ist Italien "das Land in der EU mit den niedrigsten Gehältern, und die Arbeitnehmer werden über nationale Tarifverträge gewollt ausgebeutet und misshandelt", so der Verband, der vermerkt, dass mit über 1,3 Millionen Teilzeitverträgen "immer mehr jungen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen wird, eine Wohnung zu mieten und eine Familie zu gründen", denn dazu "braucht man einen festen Arbeitsplatz und ein angemessenes Gehalt".

Die Lage betreffe auch das Schicksal kleiner Geschäfte, die laut dem Kleinunternehmerverband Confesercenti 2022 sechs Prozent Umsatz im Vergleich zum Vorjahr einbüßten, ganz zu schweigen davon, dass Zehntausende in den Ruin getrieben wurden. "Auch der Unternehmer kann kein angemessenes Gehalt mehr auf die Seite legen".

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 1. August 2023

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