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ITALIEN/462: Proteste gegen Grundeinkommensstreichung - Meloni will Opposition beschwichtigen (Gerhard Feldbauer)


Nach Protesten gegen Streichung des Grundeinkommens
Faschistische Ministerpräsidentin will Opposition beschwichtigen

Diese ist dabei, klein beizugeben

von Gerhard Feldbauer, 10. August 2023


Nach anhaltenden Protesten gegen ihr Dekret, ab dem 28. Juli weiteren 169.000 Familien ohne jedes Einkommen das Staatsbürgerschaftseinkommen zu entziehen und sie für "beschäftigungsfähig" zu erklären, will die faschistische Ministerpräsidentin Meloni beschwichtigen und sich mit der Opposition treffen. Die staatliche Nachrichtenagentur ANSA schrieb am Dienstag von der "Möglichkeit" eines Vergleichs und nannte den 11. August vor der Sommerpause als Termin. Gegen den neuen sozialen Kahlschlag, mit dem Meloni, wie das Nationalinstitut für Soziale Fürsorge (INPS) es nannte, einen Krieg "gegen die Armen" führt, von denen 7 Millionen bereits jetzt unterhalb der Armutsgrenze leben müssen, hielten am Wochenanfang die Proteste an. So in der südlichen Provinz Catania, wo 9.000 Familien per SMS erfuhren, dass sie in absolute Armut fallen.

In Rom, nach Neapel die zweitgrößte Stadt Italiens, die von den Streichungen betroffen ist, mobilisierte die Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB), wie das linke Magazin Contropiano auf seinem Online-Portal berichtete, zum Widerstand gegen diesen neuen "direkten Angriff auf die vielen, die in diesem Land aufgrund struktureller Arbeitslosigkeit keinen Job finden oder in den letzten Jahren gezwungen waren, für unterbezahlte oder nicht angemeldete Löhne zu arbeiten." Müssen schon die Beschäftigten in Deutschland für Hungerlöhne schuften, liegen laut dem staatlichen Statistikamt Istat die Löhne in Italien noch zwölf Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Das besagt, dass Beschäftigte in Italien jährlich rund 3.700 Euro weniger als ihre Kollegen in anderen EU-Staaten und über 8.000 Euro weniger als deutsche Beschäftigte erhalten. Etwa fünf Millionen Arbeiter müssen von Stundenlöhnen unter zehn Euro leben.

Zum Himmel schreiend ist die Lage der Jugendlichen. Die Verbraucherorganisation Federcontribuenti berichtete, dass "54 % der 30-jährigen Italiener weniger als 7 Euro netto pro Stunde verdienen, darunter bis zu 29 % Teilzeitkräfte und Auszubildende". Sie haben kein angemessenes oder gar kontinuierliches Gehalt: 6 Monate arbeiten sie, 6 Monate arbeiten sie nicht, und wenn sie arbeiten, verdienen sie durchschnittlich 100-120 Euro netto pro Woche. Italien ist das EU-Land "mit den niedrigsten Gehältern und die Arbeitnehmer werden über nationale Tarifverträge gewollt ausgebeutet und misshandelt", so der Verband, der vermerkt, dass mit über 1,3 Millionen Teilzeitverträgen "immer mehr jungen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen wird, eine Wohnung zu mieten und eine Familie zu gründen", denn dazu "braucht man einen festen Arbeitsplatz und ein angemessenes Gehalt". Während die Regierungschefin den Ärmsten der Gesellschaft so zwei Milliarden Euro entzieht, macht sie gleichzeitig mit der Senkung der Bankensteuer den obersten Schichten der Reichen ein Geschenk von "ein paar Milliarden", enthüllt Manifesto am Mittwoch.

Hatte der Ex-Premier und Leiter der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), Giuseppe Conte, noch scharf kritisiert, mit den Entzug des Grundeinkommens habe Meloni ihr "wahres Gesicht" gezeigt, will er jetzt klein beigeben und an einem Treffen aller Oppositionsparteien - vom Dritten Zentrums-Pol Carlo Calendas und dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Elly Schleins bis zur Italienischen Linken Nicola Fratoiannis - mit ihr teilnehmen. Zwar wollen sie dort auf ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von neun Euro pro Stunde beharren, sagte Elly Schlein, erklärte aber gleichzeitig, "wir werden unvoreingenommen diskutieren, solange es sich nicht um ein Augustdrama handelt, das auf der Haut von 3,5 Millionen Arbeitern ohne Mindestlohn ausgetragen wird." Manifesto befürchtet, Meloni wolle es Thatcher gleichtun, die "durch die Anerkennung ihrer Gegner sich selbst noch mehr legitimierte".

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 11. August 2023

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