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ITALIEN/464: Melonis Verschleppungstaktik - Treffen mit Opposition ohne Ergebnis (Gerhard Feldbauer)


Treffen der Regierung mit Opposition ohne Ergebnis

Meloni übt sich in Verschleppungstaktik

von Gerhard Feldbauer, 15. August 2023


Ein Treffen der Regierung mit den Oppositionsparteien im Regierungssitz Palazzo Chigi zum Mindestlohn ist am vergangenen Freitag nach zwei Stunden, wie zu erwarten, ergebnislos verlaufen. Die faschistische Ministerpräsidentin verteidigte die Steuersenkung für die Banken und räumte zum Mindestlohn ein, "es gibt Unterschiede", aber "wir sind offen für Diskussionen", und sie habe nicht "grundsätzlich nein" gesagt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA. Sie erklärte, die Regierung und die Sozialpartner sollten sich 60 Tage Zeit nehmen, zu einer Einigung zu kommen. Die Probleme sollten im Consiglio nazionale dell'economia e del lavoro (CNEL), dem Nationalem Wirtschafts- und Arbeitsrat (einem in der Verfassung vorgesehenen Organ zur Beratung von Regierung mit Gewerkschaften), erörtert werden. Die Opposition verteidigte ihre Forderung nach einem Mindestlohn von neun Euro. PD-Sekretärin Schlein schätzte ein, die Ministerpräsidentin habe dazu "keine klare Vorstellung". Ex-Premier und M5S-Leiter Conte sagte, der "Ball liege auf der Tribüne der Regierung", während Calenda vom Dritten Pol erklärte, "niemand hat die Tür zugeschlagen".

Das linke Manifesto kommentierte, die Opposition laufe in eine Falle, die Entscheidungen seien längst gefallen, und die Regierung arbeite "Hand in Hand mit dem Kapital, wenn es darum geht, die Löhne und Rechte der Arbeiterklasse zu unterdrücken". Davon zeuge, dass mit dem Entzug des Mindesteinkommens ab 1. August für weitere 169.000 Familien, deren Zahl auf insgesamt 350.000 anwächst. Ihnen werden, so Manifesto, zwei Milliarden Euro entzogen, während Meloni gleichzeitig mit der Senkung der Bankensteuer den obersten Schichten der Reichen ein Geschenk von "ein paar Milliarden" macht.

Dabei müssen schon jetzt, wie das Nationalinstitut für Soziale Fürsorge (INPS) berichtete, sieben Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben. Dieses Armutsrisiko werde dem Institut zufolge aufgrund der Inflation weiter wachsen, denn die meisten Erwerbstätigen sind über 55 Jahre und in diesem Alter ist es unmöglich, einen Job zu finden. Der Generalsekretär der CGIL von Neapel und Kampanien, Nicola Ricci, verweist darauf, dass nicht nur Millionen Rentner, Arbeitslose und sozial Schwache, sondern auch die, die eine Arbeit haben, unter den auf sie bereits abgewälzten Krisenlasten ächzen und spricht von "einer sozialen Bombe".

Wenn sich Meloni bei einem Treffen mit der Opposition - ohne eine Zusage abzugeben - bereit erklärt, ein Ergebnis in den Haushalt 2024 aufzunehmen, gleichzeitig aber die Bankensteuer senkt, wolle sie demonstrieren, sowohl auf die "Familien" als auch auf den "freien Markt" zu achten, wobei sie Margaret Thatcher, die Ministerpräsidentin der extremen Rechten Großbritanniens, nachahme, so Manifesto.

Die von ihr gesetzte Frist von 60 Tagen zielt darauf ab, eine etwaige Einigung dann in den Haushalt für 2024 aufzunehmen, dessen Annahme sich erfahrungsgemäß immer bis in das neue Jahr hinzieht. Eine klare Verschleppungstaktik. Außer von Calendas Drittem Pol steht eine Zustimmung vom PD, M5S und Sinistra Italiana/Grüne noch aus.

Während des Treffens wurde bei der von den Oppositionsparteien organisierten Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn von neun Euro die Zahl von 100.000 weit überschritten - ein deutliches Signal an Meloni, denn damit kann ein Referendum beantragt werden.

Vor allem die Gewerkschaften, an ihrer Spitze die Unione Sindacale di Base (USB), machen geltend, dass die Löhne in Italien rund zwölf Prozent unter dem EU-Durchschnitt liegen. Das besagt, dass italienische Beschäftigte jährlich rund 3.700 Euro weniger als der Durchschnitt ihrer Kollegen aus anderen EU-Staaten und über 8.000 Euro weniger als der Durchschnitt deutscher Beschäftigter erhalten.

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Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 18. August 2023

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