Staatspräsident Mattarella schweigt sich zur Regierung Meloni aus
Wie lange noch, fragt das linke Manifesto
von Gerhard Feldbauer, 31. August 2023
Wie die Nachrichtenagentur ANSA am Wochenende berichtete, hat Staatspräsident Mattarella auf dem traditionellen Treffen der Bruderschaft Comunione e Liberazione in Rimini an die Schrecken des Faschismus, die "Trauer und Grausamkeit" verursachten, erinnert, sich kritisch zur Agenda der Regierung Meloni geäußert und erklärt: "Genug vom Hass in der Politik und den Mauern gegen Migranten". "Unsere Verfassung wurde als Maßstab des Zusammenlebens geboren, um Hass und Vertreibung zu überwinden", betonte Mattarella. Der Präsident der Republik kehre zurück und verschaffe sich nach der Sommerpause wieder Gehör, nachdem er die vielen, zu vielen Spannungen verarbeitet hat, die das soziale Gefüge Italiens zerreißen, so das staatliche Medium. Auseinandersetzungen und Nationalismen dürften nicht angeheizt werden. Er äußere das auch, weil er sich darüber wundert, wie ein Teil Italiens noch heute mit dieser Ära der Diktatur rechnen müsse, und verweist auf die Verfassung, die "Respekt vor der Vielfalt" garantiert. Der Präsident scheint es wirklich satt zu haben, "ideologische Konflikte", veraltete Unterscheidungen "ethnischer Merkmale" und noch mehr von jenen zu sehen, die "den Anspruch erheben, anachronistische Nationalismen wiederzubeleben". Er appelliere, "soziale Harmonie und Zusammenhalt" herzustellen, um Italien voranzubringen.
Lassen wir einmal dahingestellt, ob faschistische Haltungen zum "Respekt vor der Vielfalt" gehören und wenden uns Manifesto zu, das in Mattarellas Rede zwar seine Distanz zur praktischen Agenda der faschistischen Meloni-Regierung sieht, aber auch, dass er Konflikte vermeiden will. Doch dieses Gleichgewicht der Anspielungen werde "von Tag zu Tag prekärer", und das linke Blatt fragt, wie lange er "das Spiel des Schweigens" noch aufrechterhalten will, denn es gehe um das Zusammenleben zwischen ihm als einem Verfassungshüter der Republik und einer verfassungsfeindlichen Mehrheit einer Regierung, die immer häufiger ins Verfassungsfeindliche abrutsche. Eine Einmischung in die Tätigkeit der Exekutive sei jedoch nicht vorgesehen. Stattdessen lege der Staatschef den Schwerpunkt auf moralische Überredung.
Damit bleibt es bei der zwiespältigen Haltung, die der Staatspräsident bereits bei der Bestätigung der Ministerliste Melonis an den Tag gelegt hatte. Obwohl er, wie Manifesto hervorhob, als Hüter der Verfassung alle Minister Melonis wie auch sie selbst wegen ihres Bekenntnisses zum Erbe des Mussolini-Faschismus hätte ablehnen müssen, hat er ihre Berufung abgenickt.
Aus der Opposition versetzt die Sekretärin des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Elena (Elly) Schlein, Melonis NATO-Treue einen Schlag, indem sie SPD-Kanzler Scholz zustimmt, die "2 % des BIP für Militärausgaben aufzuschieben". Das führe, so Manifesto, einen Schritt weiter vom Krieg weg. Zwar müsse sich erst noch zeigen, ob die Demokratische Partei "endgültig den Helm vom Kopf genommen hat", aber die jüngste Sekretärin des PD habe immer behauptet, dass sie aus der "Kultur der Abrüstung" komme und "immer gegen die Erhöhung der Militärausgaben" gewesen sei.
Web@manifesto.it
"Mattarellas Rede in Rimini bestätigt die Distanz des Präsidenten zur
praktischen und symbolischen Agenda der Regierung."
Die Sekretärin des sozialdemokratischen PD hat der Aussage
SPD-Kanzlers Scholz zugestimmt, "2 % des BIP für Militärausgaben
aufzuschieben".
register@ansa.it
Mattarella beim Treffen in Rimini: "Genug vom Hass in der Politik und
den Mauern gegen Migranten".
*
Quelle:
© 2023 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 1. September 2023
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang